Verlust der Identität
Hugo Simon wurde 1880 im damaligen Usch (heute Ujście) in der Provinz Posen als Sohn eines Lehrers und Landwirts geboren. Er absolvierte erst eine Landwirtschaftslehre und dann eine Ausbildung zum Bankkaufmann in Marburg. Später zog er mit seiner Frau Gertrud nach Berlin, wo er mit zwei Partnern eine Privatbank gründete. Schon bald machte sich Simon auch als Kunstkenner und Sammler sowie als Mäzen einen Namen. Er gehörte zu den wenigen, die sich von Anfang an, also bereits 1914, öffentlich gegen den Krieg und den Kriegseintritt Deutschlands positionierten. So gründete er gemeinsam mit Persönlichkeiten wie Clara Zetkin, Kurt Eisner und Albert Einstein den pazifistischen Bund Neues Vaterland – der während des Ersten Weltkriegs verboten wurde und an dessen Ende als seinen Zweck benannte, am »Aufbau einer sozialistischen Republik auf demokratischer Grundlage und darüber hinaus an dem großen Werke der Völkerverständigung mitzuarbeiten«.
Nach der Novemberrevolution 1918 war das USPD-Mitglied Hugo Simon einige Wochen lang Finanzminister im preußischen Rat der Volksbeauftragten, zog sich aber schnell wieder aus der Politik zurück. 1919 erwarb er in Seelow das ehemalige Ausflugslokal Schweizerhaus und die umgebenden Flurstücke östlich der Bahnlinie zwischen Frankfurt/Oder und Eberswalde. Hier ließ er ein Mustergut für innovative Pflanzen- und Tierzucht sowie für Ackerbau errichten, wobei er von Anfang an mit Agrarwissenschaftlern zusammenarbeitete. Zugleich ließ er das Areal nach den landschaftsgärtnerischen Grundsätzen sorgfältig gestalten, inklusive Park mit Brunnen am Fuße der früheren Gaststätte.
Unmittelbar nach der Machtübertragung an Hitlers NSDAP 1933 floh Simon mit seiner Frau und den Töchtern Ursula und Annette nach Paris. Nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Frankreich gelang den Simons 1941 eine weitere gefahrvolle Flucht nach Brasilien – unter falschen tschechischen bzw. französischen Namen. Die Familie verlor nahezu ihr gesamtes Vermögen. Hugo Simon kämpfte bis zu seinem Tod 1950 vergeblich um die Rückerlangung seines wahren Namens und damit seiner Identität. Dieser Tage erscheint unter dem Titel »Hugo Simon: Bankier, Sammler, Sozialist« die erste umfassende Biografie von Nina Senger und Jan Maruhn mit einem Vorwort von Simons Urenkel Rafael Cardoso (Nimbus Verlag, 572 S., 38 Euro).