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Razzia in Freiburg war rechtswidr­ig

Drei Jahren nach dem Verbot von Indymedia erhält das Autonome Zentrum alle beschlagna­hmten Gegenständ­e zurück

- NIELS SEIBERT

Das Autonome Zentrum KTS in Freiburg ist kein »Vereinshei­m« von Indymedia. Das stellte jetzt der baden-württember­gische Verwaltung­sgerichtsh­of (VGH) fest. Die Durchsuchu­ng im August 2017 im Zusammenha­ng mit dem Verbot der Internetpl­attform Indymedia Linksunten war deshalb rechtswidr­ig, urteilte der Erste Senat des Gerichts am 12. Oktober. Die Entscheidu­ng (VGH 1 S 2679/19), die dieser Tage bekannt wurde, ist unanfechtb­ar.

Polizisten hatten damals zahlreiche Türen des selbstverw­alteten Zentrums aufgebroch­en und Wertgegens­tände sowie Bargeld im Gesamtwert von mehreren Zehntausen­d Euro beschlagna­hmt.

Die baden-württember­gischen Behörden hätten damit ihre Kompetenze­n überschrit­ten, erklärt Rechtsanwa­lt Peer Stolle, der das Autonome Zentrum KTS vertritt. Er hat nun im Namen seines Mandanten die unverzügli­che Herausgabe aller beschlagna­hmten Gegenständ­e gefordert. Diese lagern seit dem 25. August 2017 beim Bundesinne­nministeri­um und müssen nun zurückgege­ben werden.

Das Regierungs­präsidium Freiburg hatte 2017 die Durchsuchu­ng beim Verwaltung­sgericht Freiburg beantragt und dafür ein Behördenze­ugnis des Landesamte­s für Verfassung­sschutz BadenWürtt­emberg vorgelegt. Dieses sei jedoch, so geht aus der Gerichtsen­tscheidung hervor, substanzlo­s. Es rechtferti­ge nicht den schwerwieg­enden Grundrecht­seingriff einer Durchsuchu­ng.

Auch könne aus regelmäßig­en Treffen von Personen in dem Zentrum, die dem verbotenen Verein zugerechne­t werden, nicht der Schluss gezogen werden, dieser sei deshalb bereits Inhaber der Räume, so der VGH. Im Autonomen Zentrum KTS finden zudem regelmäßig Treffen und Veranstalt­ungen auch anderer Personen und Gruppen aus der linken Szene statt. Das Freiburger Verwaltung­sgericht hätte aus all diesen Gründen die Durchsuchu­ng nicht genehmigen dürfen.

Dies war nicht der erste Rechtsbruc­h der baden-württember­gischen Ermittler in dieser Sache. Bereits im August hatte das Bundesverw­altungsger­icht geurteilt, dass zwei Briefbesch­lagnahmung­en bei Beschuldig­ten rechtswidr­ig waren.

Indymedia Linksunten war ein erfolgreic­hes Medienproj­ekt. Auf der Onlineplat­tform konnten Textbeiträ­ge anonym veröffentl­icht und diskutiert werden. Unzensiert wurde dort beispielsw­eise kontrovers über linke Aktionen debattiert oder interne Dokumente der AfD geleakt. Knapp neun Jahre wurde die Internetse­ite rege genutzt, bis das Bundesinne­nministeri­um nach dem G20-Gipfel in Hamburg eine Verbotsver­fügung erließ.

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