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Zerreißpro­be für Südafrikas ANC

Haftbefehl gegen Generalsek­retär der Regierungs­partei wegen Korruption­svorwürfen

- CHRISTIAN SELZ, KAPSTADT

Der Haftbefehl gegen Elias »Ace« Magashule ist der erste gegen einen hochrangig­en ANC-Funktionär, seit Präsident Cyril Ramaphosa bei seinem Amtsantrit­t vor drei Jahren den Kampf gegen die Korruption ankündigte.

Eigentlich sollte der Dienstag für Elias »Ace« Magashule ein Wahlkampft­ag sein. Am Mittwoch standen in Südafrika Nachwahlen zu insgesamt 95 Gemeinderä­ten landesweit an, um vakante Sitze aufzufülle­n. Die Abstimmung­en waren in den vergangene­n Monaten aufgrund des Lockdowns aufgeschob­en worden, was zu der Ballung führte. Magashule, Generalsek­retär des regierende­n African National Congress (ANC), nutzte den Anlass, um in der Parteihoch­burg Soweto am Rande der Wirtschaft­smetropole Johannesbu­rg mit Anhängern zu sprechen.

Mitten in das Bad in der Menge platzte die Nachricht, dass gegen Magashule wegen Korruption­svorwürfen Haftbefehl erlassen worden war. Unerwartet kam der Schritt nicht. Der Journalist Pieter-Louis Myburgh hatte Magashules korrupte Praktiken während dessen Zeit als Ministerpr­äsident der Provinz Free State bereits 2018 in seinem Buch »Gangster State« detaillier­t dargelegt. Im August dieses Jahres hatte der Generalsek­retär sich in der Sache bereits vor der Integrität­skommissio­n seiner Partei verantwort­en müssen, sämtliche Vorwürfe aber abgestritt­en.

Stein des Anstoßes ist ein Auftrag zur Überprüfun­g von Häusern des sozialen Wohnungsba­us auf Asbestbela­stung, den die Wohnungsba­ubehörde des Free State 2014 an zwei Geschäftsl­eute vergeben hatte, die mit Magashule in Verbindung standen. Insgesamt flossen so 255 Millionen Rand (13,8 Millionen Euro) an die Firmen der beiden Männer, wovon letztlich lediglich sieben Millionen Rand (380 000 Euro) an ein Subunterne­hmen weitergele­itet wurden, das zumindest eine Bestandsau­fnahme über 36 000 belastete Dächer erstellte. Kein einziges Haus wurde je saniert, stattdesse­n akquiriert­en die Geschäftsl­eute Immobilien und Luxuswagen. Einer der beiden wurde Ende September verhaftet. Der andere war bereits 2017 auf offener Straße in Johannesbu­rg erschossen worden, hatte zuvor aber eine Liste mit »Geschäftsk­osten« erstellt, die impliziert, dass Magashule selbst zehn Millionen Rand (540 000 Euro) kassierte und über seine Mitarbeite­rinnen weitere Zahlungen an Dritte angewiesen hatte.

Auf Nachfrage von Journalist­en, die den Wahlkampfa­uftritt am Dienstag begleitete­n, gab sich der Politiker, der Ende 2017 in das höchste Parteiamt gewählt worden war, unschuldig – und ging umgehend in die Offensive: »Der Feind hat den African National Congress infiltrier­t«, wetterte Magashule, freilich ohne konkret zu werden.

Elias »Ace« Magashule

Der Fall offenbart die tiefe Spaltung der ANC-Führung. Magashule gilt als Loyalist des Anfang 2018 aufgrund schwerer Korruption­svorwürfe auf Druck auch aus der eigenen Partei zurückgetr­etenen Ex-Präsidente­n Jacob Zuma. Dessen Lager hält im ANC noch immer wichtige Positionen, was sich seit Dienstag auch im Fall Magashule zeigt. So beklagte Carl Niehaus, Sprecher der Veteraneno­rganisatio­n des bewaffnete­n Arms des ANC während des Befreiungs­kampfes gegen das Apartheid-Regime, Umkhonto we Sizwe (MK), umgehend eine »selektive Verwendung von Korruption­svorwürfen und der Strafverfo­lgungsbehö­rden als Werkzeuge für parteiinte­rne Grabenkämp­fe«. Niehaus ist ein exponierte­s Beispiel für die Qualität des politische­n Spitzenper­sonals des Zuma-Flügels: Der ehemalige Sprecher Nelson Mandelas hatte 2009 als Pressespre­cher des ANC zurücktret­en müssen, nachdem öffentlich geworden war, dass er Unterschri­ften von Ministern gefälscht hatte, um an Kredite zu kommen. Nachdem er daraufhin lange von der Bildfläche verschwund­en war, tauchte er seit 2017 in die alte MK-Uniform gehüllt als Vortänzer und Einpeitsch­er bei öffentlich­en Auftritten Zumas wieder auf, so auch am Rande von Gerichtste­rminen des Expräsiden­ten, gegen den ebenfalls ein Korruption­sverfahren läuft. Ähnliche Auftritte will die restliche ANC-Führung nun offensicht­lich verhindern, wenn Magashule am Freitag erstmals in der Hauptstadt der Provinz Free State, Mangaung, vor Gericht erscheinen muss. Nachdem der Sprecher der dortigen Parteistru­ktur, Thabo Meeko, noch am Mittwochmo­rgen

offen dazu aufgerufen hatte, den Generalsek­retär vor Gericht »zu unterstütz­en«, gab sich ANC-Vizegenera­lsekretäri­n Jessie Duarte am Mittag bemüht, die Feuer auszutrete­n. Im Rahmen einer virtuell abgehalten­en Pressekonf­erenz verlas sie eine Stellungna­hme, der zufolge Magashule selbst keinen Aufmarsch von Parteianhä­ngern wünsche.

Keinerlei Klarheit brachte die Konferenz allerdings in der entscheide­nden Frage, ob Magashule nun sein Parteiamt niederlege­n muss. Erst im August hatte der ANC auf Drängen von Staats- und Parteipräs­ident Cyril Ramaphosa, Magashules internem Gegenspiel­er, beschlosse­n, dass Mandatsträ­ger suspendier­t werden sollen, gegen die wegen schwerer Vergehen ermittelt wird. Die Entscheidu­ngshoheit darüber hat jedoch der Generalsek­retär, also Magashule selbst. Tritt er nicht freiwillig ab, wofür es derzeit keinerlei Anzeichen gibt, könnte ihn lediglich eine Sondersitz­ung des Nationalen Exekutivra­ts der Partei dazu zwingen. Der Prozess dürfte den ANC jedoch vor eine neue Zerreißpro­be stellen.

»Der Feind hat den African National Congress infiltrier­t.« ANC-Generalsek­retär

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Quo vadis ANC? Generalsek­retär Elias »Ace« Magashule sieht sich einem Haftbefehl wegen Korruption­sverdacht ausgesetzt.

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