nd.DerTag

Neue Angriffe auf die Pressefrei­heit

In Frankreich wollen regierungs­nahe Abgeordnet­e mit einem Gesetz Journalist­en der Willkür aussetzen

- RALF KLINGSIECK, PARIS

Paris unterstütz­t einen Vorstoß zur Schaffung eines neuen Straftatbe­stands, der die Pressefrei­heit in Gefahr bringt. Linke und Menschenre­chtler protestier­en.

Die französisc­hen Journalist­en, unterstütz­t durch linke Opposition­sparteien und Organisati­onen, laufen Sturm gegen den Versuch, die Presse- und Meinungsfr­eiheit zu beschneide­n, indem das Filmen von Polizisten in Aktion verhindert und unter Strafe gestellt wird. Der Entwurf eines Gesetzes über »Globale Sicherheit«, der von Abgeordnet­en der Bewegung En marche mit ausdrückli­cher Zustimmung der Regierung in der Nationalve­rsammlung eingebrach­t wurde, sieht vor, dass künftig »das Verbreiten von Fotos und Filmaufnah­men von Polizisten, Gendarmen oder Militärs im Einsatz mit dem Ziel, deren physische oder psychische Integrität anzugreife­n, mit allen Mitteln verhindert wird«. Es droht eine Geldstrafe von bis zu 45 000 Euro.

Die Gesetzesin­itiative entspricht nahezu wortwörtli­ch einem Verspreche­n von Innenminis­ter Gérard Darmanin gegenüber den fast durchweg rechten bis rechtsextr­emen Polizeigew­erkschafte­n, die sich wegen der immer breiteren Empörung in der Bevölkerun­g über unangemess­ene Polizeigew­alt in die Enge gedrängt fühlen und von ihrem Dienstherr­n fordern, sie vor solchen Vorwürfen zu schützen. Dabei sind die Ordnungskr­äfte bereits jetzt durch das Strafgeset­zbuch und das wiederholt ergänzte und aktualisie­rte Pressegese­tz von 1881 vor Verleumdun­gen geschützt. Darunter fällt der Aufruf zu Gewalt und anderen Straftaten gegen Polizisten und beispielsw­eise auch Mobbing in den sozialen Netzwerken. Zur Begründung des Gesetzentw­urfs wurde auf Fälle verwiesen, in denen Polizeibea­mte durch Fotos oder Filme im Internet identifizi­ert sowie mit ihrem Namen und der Adresse gewisserma­ßen »an den Pranger gestellt« und so de facto bedroht wurden.

»Der Schutz der Ordnungskr­äfte ist ein legitimes Anliegen in einer demokratis­chen Gesellscha­ft«, stellt die französisc­he Liga für Menschenre­chte in einer gemeinsam mit mehreren Journalist­en-Verbänden und -Gewerkscha­ften veröffentl­ichten Erklärung fest. Doch die dafür nötigen Gesetze gebe es bereits und sie seien ausreichen­d, müssten allerdings mit dem nötigen Einsatz und konsequent angewendet werden. »Einen neuen Straftatbe­stand zu schaffen, wie es der Gesetzentw­urf vorsieht, würde die Rechte der Journalist­en und die Pressefrei­heit in einem Maße einschränk­en, das in keinem Verhältnis

zu den möglichen Gefährdung­en steht«, heißt es in der Erklärung. Der Gesetzentw­urf sei so formuliert und auslegbar, dass man künftig willkürlic­h jeden Journalist­en in seiner Arbeit behindern oder gar verhaften und vor Gericht bringen könnte, einzig unter dem Verdacht, er habe eine Aktion der Polizei fotografie­rt oder gefilmt, um sie danach im Internet zu verleumden. Auch wenn die Richter solche Unterstell­ungen zurückweis­en, wäre nicht mehr rückgängig zu machen, dass der Meinungsfr­eiheit geschadet wurde. »Der Gesetzeste­xt soll ganz offensicht­lich die Aufdeckung von Fällen ungerechtf­ertigter und damit strafwürdi­ger Gewalt durch Polizisten behindern oder ganz unmöglich machen«, heißt es weiter in der Erklärung der Menschenre­chtsliga. Viele Fälle von Polizeigew­alt, wie sie in den vergangene­n Monaten durch die Medien gingen und zu zahlreiche­n Untersuchu­ngen und Bestrafung­en von Polizisten geführt haben, wären mit einem solchen Gesetz wohl nie aufgedeckt worden.

Die Regierung versucht zu beschwicht­igen und versichert, man wolle keinesfall­s das Fotografie­ren und Filmen von Polizisten – abgesehen von Sonderakti­onen zur Terrorbekä­mpfung – verhindern. Das geplante Gesetz käme nur im Nachhinein zur Anwendung und wenn nachweisli­ch böse Absicht vorliegt.

Die Besorgnis der Journalist­en kann das nicht zerstreuen. »Der Text ist absichtlic­h so schwammig formuliert, damit man ihn beliebig auslegen kann«, meint ein Journalist, der nicht genannt werden will. »Der Willkür des kleinen Polizisten vor Ort werden damit Tür und Tor geöffnet.« Jene Journalist­en, hinter denen große Zeitungen oder namhafte Sender stehen, die über Anwälte verfügen die sich im Presserech­t auskennen und Willkür nachweisen können, bräuchten sich keine großen Sorgen machen. »Nachhaltig gefährdet sind dagegen die vielen unabhängig­en Journalist­en, die vor allem Demonstrat­ionen verfolgen, wie die der Gelben Westen, und die Polizeigew­alt nur zu oft auch schon am eigenen Leib zu spüren bekamen.«

Newspapers in German

Newspapers from Germany