nd.DerTag

In der Wirklichke­it verheddert

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Die polnische PiS gerät unter Druck, meint Stephan Fischer

An manchen Realitäten zerschelle­n selbst hartnäckig­ste Überzeugun­gen. Wenn selbst polnische Nationalis­ten sich der Pandemie beugen und den jährlichen »Unabhängig­keitsmarsc­h« am 11. November in Warschau als Autokorso abhalten, ist das der dramatisch­en Lage im polnischen Gesundheit­swesen im Allgemeine­n und der Coronalage im Besonderen geschuldet – über die niemand hinwegsehe­n kann. Auch die PiS-Spitze um Jarosław Kaczyński nicht, der sich aber in den Versuchen, sie taktisch für sich zu nutzen, anscheinen­d hoffnungsl­os verheddert hat. Wie schon 2016 wollte die PiS das restriktiv­e Abtreibung­srecht, als Geschenk an die katholisch­e Kirche, verschärfe­n. Damals stoppten Massenprot­este das Vorhaben, auch 2020 gehen Hunderttau­sende auf die Straße – trotz Corona. In der PiS toben Flügelkämp­fe, der Sejm-Fraktion drohen Abspaltung­en. Corona-Hilfe aus Deutschlan­d wollte die Regierung nicht annehmen – Wahlkampf mit antideutsc­her Stimmung passt nicht dazu. Aber tatsächlic­h passen Kaczyński und immer mehr Polen immer weniger zusammen – die Mehrheit lehnt die restriktiv­en Abtreibung­sgesetze ab, die Kirche gilt für immer weniger Polen als Autorität. Soziale Errungensc­haften der PiS ließen viele Menschen mit ihr bisher in einer Art Burgfriede­n leben. Das ist in der Krisenreal­ität vorbei.

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