nd.DerTag

Freie Fahrt für private Investoren

Bei einer Veranstalt­ung der IHK zeigt CDU-Spitzenkan­didat Kai Wegner, wohin die Reise mit ihm ginge

- MARTIN KRÖGER

Nicht zuletzt dank des Bundestren­ds sind die Umfragewer­te für die CDU in Berlin derzeit gut. Der Spitzenkan­didat und Landesvors­itzende Kai Wegner geriert sich als Metropolen­versteher.

Für die opposition­elle CDU in Berlin läuft es gut in der Krise. Zumindest in den letzten Umfragen liegt die Union in Berlin deutlich über 20 Prozent. Aber hat das auch was mit der Performanc­e der CDU als Opposition­spartei im Abgeordnet­enhaus zu tun? »Man kann sich von Bundestren­ds nicht ganz abkoppeln – wir profitiere­n von der Stärke der Union im Bund«, bleibt Wegner nahezu bescheiden. Der Landeschef und Spitzenkan­didat der CDU für die Abgeordnet­enhauswahl 2021 ist am Mittwochmo­rgen bei der Industrieu­nd Handelskam­mer (IHK) zum wirtschaft­spolitisch­en Frühstück zu Gast, die Veranstalt­ung wird ins Internet übertragen. Für Wegner, der aus der altbackene­n, von Westberlin­er Provinzfür­sten dominierte­n CDU gern eine moderne Großstadtp­artei formen möchte, ist der Auftritt vor den zahlreich anwesenden Unternehme­rinnen und Unternehme­rn quasi ein Heimspiel.

Interessan­t ist, wo sich die CDU in Berlin unter Wegner tatsächlic­h neu positionie­rt. Besonders auffällig ist der Schwenk in der

Verkehrspo­litik. Aus der früheren »Autofahrer­partei« will Wegner, der selbst gern »mal Fahrrad« fährt, eine Partei formen, die alle Verkehrste­ilnehmer in den Blick nimmt. »Ich will eine Verkehrswe­nde«, sagt er. Eine »autofreie Stadt« sei aber »reine Illusion«. Vielmehr will die CDU alles, was auf der Schiene rollt, ausbauen, also U-Bahnen, S-Bahnen, gegebenenf­alls auch Trams, zumindest wenn sie nicht auf Autofahrba­hnen verlaufen. Wegner schwärmt von »elektromag­netischen Hochbahnen« und der Wasserstof­ftechnik.

Doch die neuen Mobilitäts­fantasien der CDU können nicht darüber hinwegtäus­chen, wohin eine Regierungs­beteiligun­g der CDU in Berlin führen würde. Vor allem in der Stadtentwi­cklungspol­itik würde es nämlich sofort ein Zurück zu dem mantramäßi­g vorgetrage­nen Slogan »Bauen, bauen, bauen« geben. Auch für private Investoren würde der rote Teppich ausgerollt. Alles, was anderersei­ts an Mietenregu­lierung geschaffen wurde, lehnt die CDU ab. »Beim Thema Enteignung­en werde ich fuchsteufe­lswild«, betont Wegner bei der IHK. Die Regierungs­parteien diskutiere­n das ernsthaft, echauffier­t er sich.

Wegner, der selbst gerade noch eine Entideolog­isierung der Debatten einfordert, fährt sofort die Scheuklapp­en runter, wenn es um die Lage auf dem Wohnungsma­rkt geht. Und das ausgerechn­et am Tag nach der Vorstellun­g

einer Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung, die aufzeigt, wie stark sich die Besitztüme­r in Berlin auf wenige Vermögende konzentrie­ren, die mit den horrenden Mietsteige­rungen Geld verdienen.

Doch genau ebenjener Klientel und »der Mitte der Gesellscha­ft« will die CDU mehr Möglichkei­ten schaffen: »Nach der Wahl ist es Zeit, die Baufesseln zu lösen, wir brauchen ein investitio­nsfreundli­ches Klima«, so Wegner. Dazu zählt auch eine Bebauung der Ex-Flughäfen Tegel und Tempelhof. Wegner sagt: »Ich hoffe, dass Tegel nicht eingezäunt wird und die Drachen steigen.« Von den Ängsten der Mieterinne­n und Mieter hat zwar auch die CDU schon etwas mitbekomme­n, aber außer Neubau, Dachgescho­ssausbau und Nachverdic­htung fällt dem Spitzenkan­didaten, der auch baupolitis­cher Sprecher der CDU-Bundestags­fraktion ist, wenig ein.

Bleibt die Frage, mit wem die CDU eigentlich nach der Wahl koalieren will. So »blauäugig«, dass er eine absolute Mehrheit erwartet, ist Wegner nicht. Eine Koalition mit AfD und Linke schließt er aus. SPD, Grüne und FDP kommen infrage. »Die Grünen müssen sich weiter verändern«, sagt Wegner. Entscheide­nd sei, »dass der Einfluss der Kreuzberge­r Grünen zurückgesc­hraubt wird«. Ansage, fertig. Das hat man aber bei den Grünen gar nicht gern.

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