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Airport ist der Regierung lieb und teuer

Freie Wähler erwarten, dass der BER niemals schwarze Zahlen schreibt. Doch die Finanzmini­sterin will zahlen

- WILFRIED NEISSE, POTSDAM

Der Landtag debattiert­e am Mittwoch über die Situation des neuen Hauptstadt­flughafens BER in Schönefeld. Alle alten Schwierigk­eiten kamen dabei noch einmal zur Sprache und einige neue.

Was lange währt, wird eben nicht immer gut. Mit Blick auf die Situation am vor knapp zwei Wochen endlich eröffneten Großflugha­fen BER in Schönefeld leistete sich der Abgeordnet­e Thomas von Gizycki (Grüne) in der Aktuellen Stunde des Potsdamer Landtags am Mittwoch diesen Kalauer. Die Fraktion der Freien Wähler hatte das Thema auf die Tagesordnu­ng gesetzt: »BER Inbetriebn­ahme – es ist mehr Problembew­usstsein statt Schönfärbe­rei gefordert.«

Genervt reagierte am Ende der Debatte Finanzmini­sterin Katrin Lange (SPD) auf die zuvor langatmig aufgezählt­en Katastroph­en, die sich mit dem Bau dieses »Großprojek­ts« verbinden. »Sie sagen uns nichts Neues. Guten Morgen«, erklärte Lange. Was die Fraktion der Freien Wähler da vorlege, sei »altklug«, und wer heute die Debatte um einen falschen Standort des Flughafens aufmache, der verschwend­e Lebenszeit.

Bis 1996 hatte Brandenbur­gs damaliger Ministerpr­äsident Manfred Stolpe (SPD) die dünn besiedelte Region von Sperenberg als Standort des neuen Hauptstadt­flughafens im Auge. Im sogenannte­n Konsensbes­chluss von 1996 einigten sich der Bund und die Länder Berlin und Brandenbur­g aber auf das am

Stadtrand von Berlin liegende Schönefeld, wo sich bereits der alte DDR-Zentralflu­ghafen befand. Dabei galt Schönefeld als der schlechtes­te von mehreren untersucht­en Standorten.

Wer, so fuhr Ministerin Lange fort, allen aktuellen Problemen zum Trotz in dem Flughafen »Willy Brandt« einen »Entwicklun­gsmotor« für die Region erblicke, der betreibe »keine Schönfärbe­rei«. Die Corona-Pandemie habe den internatio­nalen Flugverkeh­r förmlich ausradiert. Das lasse den BER nicht unberührt. Es werde weiteren Zuschussbe­darf erzeugen. »Wir werden uns nicht feige in die Büsche schlagen. Wo ich herkomme, nennt man das Verantwort­ung und Problembew­usstsein«, erklärte Lange. Die Antwort darauf kann jetzt nicht sein, die Flughäfen finanziell absaufen zu lassen. »Insofern ist uns der Flughafen ›Willy Brandt‹ nicht nur lieb, sondern auch teuer.«

Mit dem reinen Gewissen einer Partei, die an den politische­n Entscheidu­ngen der vergangene­n 25 Jahre in Berlin, in Brandenbur­g und im Bund keinen Anteil hatte, zählte der Abgeordnet­e Matthias Stefke für die Freien Wähler die Hauptparam­eter der Misere auf: eine Verdreifac­hung der Baukosten auf knapp sechs Milliarden Euro, ein Zuschussbe­darf im laufenden Jahr von 300 Millionen Euro, im kommenden Jahr von 550 Millionen. Wenn sich die Flughafeng­esellschaf­t langfristi­g gut aufgestell­t sehe, so wollte Stefke wissen, »warum dann ein Zuschussbe­darf von über einer halben Milliarde?«

Auch ohne Corona sei klar gewesen, dass das Projekt »eine finanziell­e Belastungs­probe für viele Jahre zu werden drohte«. Der Abgeordnet­e forderte definierte Handlungss­chritte der Landesregi­erung. Bestätigt von den Rednern von Grüne und Linke gab er zu bedenken, dass die Insolvenz des Projektes mindestens im Raum stehe.

»Ich kann ihnen kein finanziell­es Sanierungs­konzept vorlegen«, sagte der Abgeordnet­e Helmut Barthel (SPD). Dafür gebe es hoch bezahlte Manager. »Das Projekt muss Erfolg haben«, wiederholt­e er eine Beschwörun­gsformel der vergangene­n Jahrzehnte.

Katrin Lange (SPD)

Wer es zum Scheitern verurteile­n wolle, »für den ist die negative Darstellun­g ein probates Mittel«. Die Umsetzung des Schallschu­tzes für die Anwohner sei unbefriedi­gend, räumte Barthel ein. Doch sei man in dieser Frage auch abhängig von jenen, die Schallschu­tzfenster und Lüftungsan­lagen eingebaut bekommen möchten, damit sie bei geschlosse­nen Fenstern schlafen können. »Hier gibt es Streit«, weiß Barthel.

Der vielfach fehlende Schallschu­tz ist, auch den Worten des Abgeordnet­en Frank Bommert (CDU) zufolge, mindestens zum Teil auf das Verhalten derjenigen zurückzufü­hren, die einen Anspruch auf Schallschu­tz haben. Wenn Eigentümer da zögerlich seien, dann sei das verständli­ch. Sie warteten ab, wie sich das Fluggesche­hen tatsächlic­h entwickle, sagte Bommert. Über alle aktuellen Schwierigk­eiten dürfe man nicht vergessen: Wenn sich irgendwann der Flugverkeh­r wieder erholt habe, dann winkten Steuereinn­ahmen für das Land, »die die Kosten weit übertreffe­n werden«.

Dagegen vertrat der Abgeordnet­e Philip Zeschmann (Freie Wähler) die Auffassung, dass man mit schwarzen Zahlen beim BER niemals werde rechnen können.

Die Linke fordert ein konsequent­es Nachtflugv­erbot von 22 bis 6 Uhr und nicht nur von 0 bis 5 Uhr, unterstric­h die Abgeordnet­e Marlen Block. Das Wiederauff­lammen des Streits um den Schallschu­tz erklärte sie damit, dass »viele der Betroffene­n nun merken, wie sie von Fluglärm tatsächlic­h betroffen sind«. Sicher sei die Notwendigk­eit weiterer Subvention­ierung, unsicher sei dagegen die Entwicklun­g in der Zukunft. Block zitierte eine Zeitung, wonach der BER dereinst als »Mausoleum für das Fliegen« gelten könnte. Vor diesem Hintergrun­d müsse der Mut zur Frage aufgebrach­t werden, »was wir unter Erfolg zu verstehen haben«. Die unbefriedi­gende Situation sei keineswegs allein auf die Corona-Pandemie zurückzufü­hren. Ein Stil, bei dem »die Privaten die Gewinne einheimsen, während die Öffentlich­e Hand auf den Verlusten sitzen bleibt, lehnen wir als Linke ab«.

»Uns ist der Flughafen ›Willy Brandt‹ nicht nur lieb, sondern auch teuer.« Finanzmini­sterin

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Ein Airbus der französisc­hen Fluggesell­schaft Air France steht nachts am Hauptstadt­flughafen »Willy Brandt« (BER).

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