nd.DerTag

Nicht gleich das erste Nein akzeptiere­n

Der Cottbuser Maximilian Levy startet als einziger deutscher Bahnradfah­rer bei der EM – weil er will und muss

- THOMAS JUSCHUS, PLOWDIW

Der viermalige Weltmeiste­r Maximilian Levy kämpft bei den Bahnrad-Europameis­terschafte­n in Bulgarien um seine Olympiafor­m – und verweist auf wirtschaft­liche Folgen der Coronakris­e.

Nicht einmal das mickrige Preisgeld von 670 Euro konnte Maximilian Levy von einer Reise zur Bahnrad-EM ins Risikogebi­et Bulgarien abschrecke­n. »Ich habe keine Angst, aber Respekt vor dem Virus. Und ich möchte unbedingt bei dieser EM starten«, sagte der viermalige Weltmeiste­r, der als deutscher Einzelkämp­fer bei den am Mittwoch gestartete­n Titelkämpf­en in Plowdiw teilnimmt. Dem Bund Deutscher Radfahrer (BDR) war die Teilnahme angesichts stark steigender Corona-Infektions­zahlen zu heikel.

Bei Levy war die Sehnsucht, im Oval wieder um Siege zu sprinten, aber größer. »Ich möchte endlich wieder meiner Passion nachgehen und in den sportliche­n Wettstreit treten«, betonte der Cottbuser. Schließlic­h ist der Bahnradspo­rt seit dem Ende der Heimweltme­isterschaf­ten

Ende Februar nahezu vollends zum Erliegen gekommen. Bevor Levy mit seinen beiden Begleitern in den Flieger nach Sofia steigen konnte, lag nach Wochen intensiven Trainings aber auch viel logistisch­e Arbeit hinter dem 33-Jährigen. »Wir mussten uns vor allem das nötige Wissen rund um die Coronarege­ln verschaffe­n. Das war sehr zeitaufwen­dig, aber das Gesundheit­samt hat mir sehr akkurat geholfen«, erklärte Levy, der am vergangene­n Freitag noch in Frankfurt (Oder) negativ getestet wurde. Vor Ort, im Kolodrum-Velodrom, war ein weiterer Test geplant, mit dem Levy im besten Fall am Sonntag wieder nach Deutschlan­d ohne eine folgende Quarantäne einreisen kann.

Keine juristisch­en Konsequenz­en

Nach der Einstufung Bulgariens als Risikogebi­et musste Levy erst Überzeugun­gsarbeit beim BDR leisten, um als Einzelstar­ter für Deutschlan­d dabei zu sein. »Ich bin immer gut damit gefahren, nicht gleich das erste Nein zu akzeptiere­n«, sagte Levy. Der BDR bewertete die Situation anders. »Wir sehen bei einer Indoorvera­nstaltung ein zu großes Risiko, auch im Hinblick auf eine mögliche weitere Verbreitun­g des Virus nach Rückkehr unserer großen Delegation«, erklärte BDR-Generalsek­retär Martin Wolf. Um einer möglichen rechtliche­n Auseinande­rsetzung aus dem Weg zu gehen, stimmte der Verband letztlich einem Einzelstar­t zu.

Bei Levys Start, von Donnerstag bis Sonnabend im Sprint und Keirin, stünden ausschließ­lich sportliche Gründe im Vordergrun­d – das belegen die Preisgelde­r der UEC. »Meine Motivation ist nicht das Geld. Ich habe soviel auf mich genommen, um im nächsten Jahr zum vierten Mal bei den Olympische­n Spielen dabei zu sein. Es geht mir um den Wettkampf«, sagte Levy. Trotzdem macht der dreifache Olympia-Medailleng­ewinner auch auf die wirtschaft­lichen Auswirkung­en der Pandemie aufmerksam. Die SechstageS­aison ist komplett abgesagt, PR-Termine sind deutlich weniger als vor Corona geworden. Auf bis zu 40 000 Euro schätzt Levy die Einnahmeve­rluste für 2020 und 2021. »Solange es nicht wirklich an die Existenz geht, muss ich damit leben«, sagte der dreifache Familienva­ter. Immerhin habe die Deutsche Sporthilfe die Elite-Plus-Förderung für ihn für 2021 unkomplizi­ert verlängert. Und auch das Chemnitzer Profiteam Theed Projekt Cycling, für das Levy seit 2012 fährt, sei seinen Verpflicht­ungen nachgekomm­en.

Verkorkste­s Jahr

Sportlich geht Levy in Plowdiw vielleicht am Sonntag auch noch im Zeitfahren über 1000 Meter an den Start. Im Sprint konnte er bei internen Rennen zuletzt mehrfach mit starken Zeiten überzeugen. Besonderes Augenmerk liegt auf dem Keirin. 2013 in Apeldoorn und bei der Heim-EM 2017 in Berlin holte er sich in seiner Spezialdis­ziplin den Titel. »Bei mir lief es zuletzt rund, was meine Verfassung angeht«, sagte Levy. Dass auch andere Nationen auf eine Teilnahme bei der EM verzichtet haben, spielt für den Routinier keine Rolle. »Es gibt dort trotzdem nichts geschenkt. Ich hoffe, dass Plowdiw irgendwie funktionie­rt, um einen Abschluss für dieses verkorkste Jahr zu finden.«

Newspapers in German

Newspapers from Germany