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Flügelkämp­fe bei Labour

Nach vorübergeh­endem Ausschluss darf Jeremy Corbyn den britischen Sozialdemo­kraten weiter angehören

- CHRISTIAN BUNKE

Parteichef Starmer muss seinen Vorgänger Corbyn wieder aufnehmen. Im Parlament will er ihn aber weiter ausgrenzen.

Nach dem missglückt­en Rauswurf von Jeremy Corbyn wachsen auch die Spannungen innerhalb der Führung der britischen Labour-Partei und im Verhältnis zu den linken Gewerkscha­ften.

Der Konflikt um den ehemaligen Parteichef der britischen Labour-Partei Jeremy Corbyn spitzt sich weiter zu. Corbyn war Ende Oktober vom Amtsnachfo­lger Keir Starmer ausgeschlo­ssen worden, nachdem er sich auf Facebook zu einem Bericht der britischen Gleichstel­lungsund Menschenre­chtskommis­sion über antisemiti­sche Vorfälle in der LabourPart­ei geäußert hatte. In seinem Statement hatte Corbyn erklärt, dass »jeder Antisemit« in der Partei »einer zu viel« sei. Gleichzeit­ig sagte er: »Das Ausmaß des Problems wurde aus politische­n Gründen von unseren Gegnern außerhalb und innerhalb der Partei sowie in den Medien übertriebe­n.« Diese Aussage nahm Starmer zum Anlass, Corbyn die Mitgliedsr­echte zu entziehen.

Mitte vergangene­r Woche beschloss ein fünfköpfig­es, vom Parteivors­tand bestelltes Untersuchu­ngsgremium die Aufhebung dieser Suspendier­ung. Corbyn habe mit seiner Aussage nicht gegen das Parteistat­ut verstoßen, heißt es in der Begründung. Seitdem weigert sich Starmer, der Entscheidu­ng seines Parteivors­tands nachzukomm­en. Insbesonde­re verweigert er Corbyn die Wiederaufn­ahme in die Unterhausf­raktion der Labour-Partei im britischen Unterhaus, solange sich Corbyn nicht für seine Aussage entschuldi­gt und diese öffentlich zurücknimm­t. Corbyn sitzt derzeit, obwohl er Labour-Mitglied ist, als Unabhängig­er im Parlament.

Dies sorgt für Unmut im Parteivors­tand. Am 19. November veröffentl­ichten 14 Vorstandsm­itglieder einen offenen Brief, in welchem sie schwere Vorwürfe gegen Parteichef Starmer erheben. Unter anderem unterlaufe dieser mit seiner Haltung die demokratis­chen

Strukturen und Prozesse der Labour-Partei. Starmer wird aufgeforde­rt, Corbyn sofort wieder in die Parlaments­fraktion von Labour aufzunehme­n.

Einer der Unterzeich­ner ist Ian Murray, ein führendes Mitglied der Feuerwehrg­ewerkschaf­t FBU. Die Organisati­on gehört zum linken Flügel der britischen Gewerkscha­ftsbewegun­g und zählt zu Corbyns Unterstütz­ern innerhalb der Labour-Partei. Während der Amtszeit des explizit neoliberal­en Parteichef­s Tony Blair war die Gewerkscha­ft Anfang der 2000er Jahre aus Labour ausgetrete­n. Mit Corbyns Amtsantrit­t war die FBU wieder eingetrete­n.

Jetzt drohen sich die Beziehunge­n zwischen dem linken Flügel der britischen Gewerkscha­ftsbewegun­g und der Labour-Partei erneut zu verschlech­tern. Am Donnerstag vergangene­r Woche schrieb die Tageszeitu­ng »The Mirror«, dass eine Reihe von Gewerkscha­ften über eine Senkung ihrer regelmäßig an die Partei entrichtet­en Mitgliedsb­eiträge nachdenkt. Genannt wird neben der FBU auch die Post- und Kommunikat­ionsgewerk­schaft CWU. Die Großgewerk­schaft UNITE hat bereits im vergangene­n Monat ihre Zahlungen an Labour um zehn Prozent gekürzt.

Bei den Distanzier­ungen von Labour im Lager der Gewerkscha­ften geht es nicht nur um Corbyn. Sie spiegeln auch den wachsenden Unmut über die programmat­ische Ausrichtun­g der Partei unter Starmer wider. Die Nahrungsmi­ttelgewerk­schaft BFAWU will im kommenden Januar eine Mitglieder­befragung über einen möglichen kollektive­n Austritt aus der Labour-Partei durchführe­n. Unter Starmer sei man »weiter entfernt von einer politische­n Stimme« für die arbeitende­n Menschen »als jemals zuvor«, heißt es in einem Brief des Gewerkscha­ftsvorstan­ds an die Mitglieder vom 20. November.

Auch in anderen Sektionen der Partei rumort es. So beschuldig­te Jess Barnard, die Vorsitzend­e der Jugendorga­nisation »Young Labour«, die Führung um Keir Starmer in einem offenen Brief vom 23. November des »Mobbings«. Barnard war zuvor von der Parteizent­rale aufgeforde­rt worden, eine Solidarisi­erung mit Corbyn auf der »Young Labour«-Homepage zu löschen. Dem entgegnete Barnard, dass junge Leute nicht »politisier­t worden sind, um dann still zu bleiben und den Status Quo zu akzeptiere­n«.

Bei den Distanzier­ungen von Labour im Lager der Gewerkscha­ften geht es nicht nur um Corbyn. Sie spiegeln auch den wachsenden Unmut über die programmat­ische Ausrichtun­g der Partei unter Starmer wider.

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Blumen vor der Tür: Der frühere Labour-Chef Corbyn hat noch treue Anhänger.

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