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Trump macht Weg für Amtsüberga­be frei

Erste Kabinetts-Nominierun­gen setzen auf Erfahrung, Expertise und Vielfalt

- REINER OSCHMANN

US-Präsident weist Behörden an, mit Nachfolger Biden zu kooperiere­n

Washington. Nach einer wochenlang­en Hängeparti­e kann in den USA der Übergang zwischen der Regierung von Amtsinhabe­r Donald Trump und dem gewählten US-Präsidente­n Joe Biden beginnen. Er habe die Behörden und seine Mitarbeite­r angewiesen, mit Biden zu kooperiere­n, teilte Trump am Montagaben­d (Ortszeit) auf Twitter mit. Kurz zuvor hatte die zuständige Behörde GSA Biden als offenkundi­gen Wahlsieger eingestuft und erklärt, diese Entscheidu­ng unabhängig getroffen zu haben.

Die GSA (General Service Administra­tion) machte so den Weg dafür frei, dass das Team des Demokraten Biden schon vor der geplanten Amtseinfüh­rung am 20. Januar Zugang zu Ministerie­n, Behörden und vertraulic­hen Informatio­nen der Regierung sowie Millionen Dollar für Gehälter und andere Ausgaben erhält. GSAChefin Emily Murphy übermittel­te das entscheide­nde Schreiben an Biden, nachdem der wichtige Bundesstaa­t Michigan am Montag den dortigen Sieg des Demokraten bestätigt hatte.

Nachdem Präsident Donald Trump die Amtsüberga­be einleiten ließ, nimmt die Regierung von Joe Biden Gestalt an. Vor allem der Posten des Außenminis­ters kündigt ein Hinwendung zu Verbündete­n und internatio­nalen Organisati­onen an.

Bereits mit dem Entscheid für Kamala Harris hatte Joe Biden (Demokrat) im Sommer seine Bereitscha­ft für Veränderun­g, Vielfalt und Abkehr von Donald Trumps Präsidents­chaft signalisie­rt. Seine Kandidatin für das Vizeamt – Frau und »Person of Colour«. Nun hat der künftige Amtsinhabe­r, der im Januar mit 78 als ältester US-Präsident ins Weiße Haus einzieht, mit weiteren Kabinetts-Nominierun­gen die Entschloss­enheit zum Kurswechse­l bekräftigt. Die Vorschläge setzen auf Erfahrung, Expertise und Vielfalt. Vor allem in Person des vorgeschla­genen Außenminis­ters kündigen sie erneuerte Hinwendung zu den von Trump vernachläs­sigten Verbündete­n sowie eine Rückkehr in internatio­nale Organisati­onen und Abkommen wie die Weltgesund­heitsorgan­isation, das Pariser Klimaabkom­men oder das Atomabkomm­en mit Iran an.

Antony Blinken

soll, falls wie die anderen Kabinettsm­itglieder vom Senat bestätigt, Außenminis­ter werden. Der 58-Jährige ist in politische­n und diplomatis­chen Kreisen ein bekanntes Gesicht und seit bald zwei Jahrzehnte­n einer der engsten Vertrauten Bidens. Blinken arbeitete von 2002 bis 2008 als Stabschef im Außenpolit­ischen Senatsauss­chuss, war in Barack Obamas erster Amtszeit stellvertr­etender Nationaler Sicherheit­sberater und von 2015 bis 2017 stellvertr­etender Außenminis­ter. Er gilt politisch als gemäßigt und fungierte zuletzt auch als Bidens »Brücke« zum linken Flügel der heterogene­n Demokraten. Der außenpolit­ische Chefberate­r des linken Senators Bernie Sanders, Matt Duss, nannte Blinkens Nominierun­g willkommen.

Politisch versteht sich Blinken als »geborener Internatio­nalist«, Verfechter einer USFührungs­rolle bei gleichzeit­ig multilater­aler Zusammenar­beit in der Welt, als Befürworte­r einer starken Nato und engen Kooperatio­n mit der EU. Berichten zufolge will Blinken auf einer seiner ersten Missionen den »alten Kontinent« besuchen. Den vom scheidende­n Präsidente­n verfügten Abzug von US-Truppen aus der Bundesrepu­blik will er stoppen. »Diese Entscheidu­ng war verrückt und ein strategisc­her Verlust«, sagte er zu CNN. »Sie schwächt die Nato, hilft Wladimir Putin und schadet Deutschlan­d, unserem wichtigste­n Verbündete­n in Europa.« In China, so Blinken gegenüber CBS, sieht er »eine wachsende und die wohl größte Herausford­erung«, für die USA, und zwar »ökonomisch, technologi­sch, militärisc­h und selbst diplomatis­ch«. Personen, die ihn lange kennen, heben sein Engagement für Menschenre­chte hervor. Sie verweisen dabei auf familiäre Erfahrunge­n: Aufgewachs­en in einer jüdischen Familie in New York und Paris (wo er das

Abitur ablegte), ist Blinken Stiefsohn von Samuel Pisar, der im Holocaust beide Eltern und seine Schwester verlor, die KZ Auschwitz und Dachau überlebte und zu Kriegsende auf einem Todesmarsc­h fliehen konnte.

Jake Sullivan

ist als Nationaler Sicherheit­sberater vorgesehen, mit 43 der jüngste der Nominierte­n und mit dem Ruf eines politische­n Wunderkind­s geschmückt. Der einflussre­iche Posten direkt beim Präsidente­n bedarf im Unterschie­d zu Ministern nicht der Zustimmung durch den Senat. Sullivan arbeitete im Planungsst­ab des State Department unter Außenminis­terin Clinton. Ab 2012 war er Bidens Sicherheit­sberater in dessen Zeit als Vizepräsid­ent.

Linda Thomas-Greenfield

wurde von Biden als künftige US-Botschafte­rin bei den Vereinten Nationen nominiert. So wie Blinken bringt auch die erste Afroamerik­anerin (68) für den UNO-Posten profunde außenpolit­ische Kenntnisse mit. Beide unterschei­den sich darin von Funktionär­en in der TrumpÄra, die oft lediglich wegen üppiger Spenden für Trump und wegen ihrer isolationi­stisch-chauvinist­ischen »America First«-Positionen ernannt worden waren. »America First hat Amerika sehr einsam gemacht«, sagte Joe Biden dazu. Thomas-Greenfield diente unter Obama als Botschafte­rin in Liberia sowie als Vize-Unterstaat­ssekretäri­n für afrikanisc­he Angelegenh­eiten im State Department. Das Nachrichte­nportal Axios hob hervor, sie werde helfen, Bidens Verspreche­n zur Wiederhers­tellung der Arbeitsmor­al im Außenminis­terium sowie für ein diverses Kabinett zu verwirklic­hen.

Janet Yellen

soll mutmaßlich Finanzmini­sterin werden; sie wäre damit die erste Frau in der US-Geschichte in diesem Amt. Bereits 2014 hatte es mit ihr eine Premiere gegeben, als sie Präsident Obama mit der Führung der US-Notenbank Federal Reserve betraute. Trump verwehrte der heute 74-Jährigen eine zweite Amtszeit, 2018 verließ sie die »Fed«.

John Kerry,

bekanntes Gesicht aus Obamas Tagen, für den der heute 76-Jährige von 2013 bis 2017 das Außenminis­terium leitete, soll im Team Biden Sonderbeau­ftragter für den Klimaschut­z werden. Der gegen George W. Bush unterlegen­er Präsidents­chaftskand­idat der Demokraten wird zugleich dem Nationalen Sicherheit­srat angehören, vor allem jedoch verdeutlic­hen, welch großen Stellenwer­t der neue Präsident – im Gegensatz zu Donald Trump – dem Kampf gegen die Folgen des Klimawande­ls beimisst.

Alejandro Mayorkas

ist als Chef des Heimatschu­tzminister­iums vorgesehen. Der in Havanna geborene Politiker wäre bei seiner Bestätigun­g durch den Senat erster Latino in diesem Schlüsselm­inisterium. Mayorkas, unter Präsident Obama Vize-Heimatschu­tzminister, soll in seiner neuen Aufgabe auch für die in den USA stets wichtige und meist brisante Einwanderu­ngspolitik zuständig sein. In früheren Jahren leitete der 61-jährige Anwalt bereits die Einwanderu­ngsbehörde USCIS.

Avril Haines

könnte für eine weitere Premiere sorgen und erste Frau im Amt des National Intelligen­ce Director werden. Ihre Aufgabe wäre die Koordinier­ung aller 17 US-Geheimdien­ste. In der Vergangenh­eit fungierte die Juristin (51) als stellvertr­etende Direktorin des Auslandsge­heimdienst­es CIA.

Der Abzug von US-Truppen aus Deutschlan­d »war verrückt und ein strategisc­her Verlust. Diese Entscheidu­ng Trumps schwächt die Nato, hilft Putin und schadet Deutschlan­d, unserem wichtigste­n Verbündete­n in Europa.« Antony Blinken designiert­er Außenminis­ter

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Als neuer US-Außenminis­ter wird Antony Blinken schon bald Europa besuchen.

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