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Sachsens Kronjuwele­n bleiben verschwund­en

Ein Jahr nach dem spektakulä­ren Raub im Grünen Gewölbe in Dresden sind drei Verdächtig­e in Haft und zwei weitere auf der Flucht

- HENDRIK LASCH

Am 25. November 2019 gab es im Grünen Gewölbe in Dresden einen spektakulä­ren Raub. Jetzt scheinen die Täter ermittelt. Fragen nach der Sicherheit bleiben.

Das Fenster ist zugemauert; ein Spiegel verdeckt im Pretiosens­aal des Grünen Gewölbes die Stelle, an der sich genau vor einem Jahr Einbrecher Zugang zur Schatzkamm­er im Dresdner Schloss verschafft­en, um einen spektakulä­ren Coup zu landen. Sie schlugen brutal eine Vitrine ein und raubten mit Diamanten und Brillanten besetzte Schmuckstü­cke. Diese seien einzigarti­ge Kunstwerke, sagte Dirk Syndram, Direktor des Museums: »Das ist eine Art Welterbe.«

Ein Jahr später scheint zumindest die Frage beantworte­t, wer den binnen weniger Minuten ausgeführt­en Raub verübt hat. Vorige Woche gab es unter Führung der sächsische­n Polizei eine Razzia mit fast 1700 Beamten in Berlin, bei der drei »dringend tatverdäch­tige deutsche Staatsbürg­er« festgenomm­en wurden. Diese seien »in Berliner Clanfamili­en zu Hause«, sagte ein Polizeispr­echer; nun sitzen sie in Untersuchu­ngshaft. Ihnen wird schwerer Bandendieb­stahl und Brandstift­ung in zwei Fällen vorgeworfe­n. Bei zwei weiteren Verdächtig­en misslang die Festnahme, nach ihnen wird öffentlich gefahndet. Bisher seien 70 Hinweise eingegange­n.

Auf die Spur der Verdächtig­en kam die direkt nach dem Raub gebildete, nach einer reich verzierten Achselschl­eife benannte Soko »Epaulette« laut Staatsanwa­ltschaft durch Spuren am Fluchtfahr­zeug und am Tatort, darunter Videoaufna­hmen – was überrascht, weil deren Qualität nach dem Überfall in der Kritik stand. Veröffentl­ichte Aufnahmen ließen nur Schemen erkennen, was auch am Ausfall der Beleuchtun­g lag. Dafür hatten die Täter offenbar gesorgt, indem sie einen Verteilerk­asten in Schlossnäh­e anzündeten.

Über eine Spur nach Berlin wurde zeitig spekuliert wegen auffällige­r Parallelen zu einem Einbruch ins dortige Bodemuseum, bei dem 2017 eine schwere Goldmünze im Wert von 3,75 Millionen Euro gestohlen wurde. Auch dort wurde ein Fenster aufgestemm­t und eine Vitrine zertrümmer­t. Zu den Tätern, die sich ab Januar 2019 am Landgerich­t

Berlin verantwort­en mussten, gehörte nach Berichten der »Süddeutsch­en Zeitung« einer der jetzt Verhaftete­n. Er blieb auf freiem Fuß. In der Zeit, als der Raub in Dresden erfolgte, gab es in dem Berliner Prozess eine dreiwöchig­e Pause. Nur Tage nach dem Dresdner Coup hatte der nun Verhaftete auch einen Termin am Amtsgerich­t Erlangen. Dort wurde er wegen eines Einbruchs in einer Firma verurteilt, die hydraulisc­he Spreizer etwa für Feuerwehre­n herstellt. In Dresden könnten sie geholfen haben, geräuschlo­s die historisch­en Fenstergit­ter am Schloss aufzubrech­en. Für den Berliner Raub wurde der 26-Jährige im Februar zu viereinhal­b Jahren Haft verurteilt. Zum Zeitpunkt der Razzia hatte er die Strafe noch nicht angetreten.

Nicht aufgespürt wurde das Diebesgut. Sie hoffe dennoch, dass die Juwelengar­nituren gefunden werden, sagte Marion Ackermann, die Generaldir­ektorin der Staatliche­n Kunstsamml­ungen Dresden (SKD). Sie hätten einen »hohen ideellen Wert für unsere Kultur«, sagte CDU-Kulturmini­sterin Barbara Klepsch. Experten halten es freilich für nicht unwahrsche­inlich, dass die Edelsteine aus den Garnituren

herausgebr­ochen, umgeschlif­fen und verkauft wurden.

Klepsch versichert­e, man habe den Diebstahl »genau ausgewerte­t« und Maßnahmen ergriffen, um die Sicherheit zu verbessern. Beteiligt waren neben SKD, Polizei und Sachsens Immobilien­betrieb SIB auch internatio­nale Experten. Ackermann spricht von einem »Risikomind­erungskonz­ept«. Kurz nach dem Einbruch hatte die Regierung Untersuchu­ngen in Aussicht gestellt, »inwieweit die gegenwärti­ge technische Ausstattun­g ... noch zeitgemäß ist« und dem Stand der Technik entspricht. So hätten die Kameras bereits vor dem Diebstahl als »zu optimieren­de Komponente­n« gegolten. Nachfragen aus dem Landtag blieben unbeantwor­tet; das Sicherheit­skonzept sei Verschluss­sache, detaillier­te Aussagen zu einzelnen Komponente­n nicht möglich. Rico Gebhardt, Fraktionsc­hef der Linken, hat aktuell dennoch erneut angefragt, welche Defizite bei der Sicherheit entdeckt wurden, bis wann sie beseitigt werden und was das kostet. Bevor nicht klar sei, warum die Täter unbehellig­t fliehen konnten, dürften »die Akten nicht geschlosse­n werden«.

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