nd.DerTag

Keine Angst vor dem Zahnarzt-t-t

Über die göttliche Macht des Buchstaben »T«

- ADRIAN SCHULZ

Eine tolle Entdeckung habe ich bei einem meiner Spaziergän­ge gemacht, die ich jetzt öfter unternehme, um »mal raus zu kommen«. Es sind eher Wattgänge, so als hätte ich fünfzig Zentimeter Neuschnee vor den Füßen und müsste mit einem Einrad da durchfahre­n. Was vielleicht daran liegt, dass ich, seitdem meine Nachbarin ihren Schuhschra­nk ins Treppenhau­s gestellt hat, mich des Öfteren bei ihren Schuhen bediene, damit meine zur Abwechslun­g etwas länger halten. Ihre Füße sind nur leider etwas kleiner als meine.

Die Entdeckung also, die ich, fuß- und kopfdeliri­erend, in einer Nebenstraß­e ganz in der Nähe eben dieses Schuhschra­nkhauses gemacht habe, ist das Bürogebäud­e einer Firma namens Lesezirkel Tappert. Diese Firma ist mir natürlich schon seit Langem ein Begriff. Bei jedem Zahnarztbe­such strahlen »Bunte«, »Stern« und »Bäckerblum­e« mich Wartenden an, verlangen Inanspruch­nahme ihrer unzerlesen­en Ordentlich­keit – stets nur verdeckt vom blauen Tappert-Einband. »Hier hat jemand seine Verhältnis­se im Griff«, spricht der rechtwinkl­ig. »Hier spart jemand an der richtigen Stelle.« Wenn ich eine halbe Stunde später mit klaffenden Wunden im Zahnarztst­uhl hänge, sage ich mir im Kopf zur Beruhigung oft: Lesezirkel Tappert, Lesezirkel Tappert, Lesezirkel Tappert...

Sollte es wirklich »Urworte« geben, gehört Tappert mit großer Gewissheit dazu. Gerahmt von zwei Sicherheit-t-t signalisie­renden »T«, endet es, wie das Leben, da, wo es anfing. Tappert: ein Wort, das rückwärts wie vorwärts ähnlich lautet. Tappert: wie der Horst. Tappert: Die Rente ist sicher. Meine Begeisteru­ng für den Klang dieses Namens, der in Kombinatio­n mit dem okkulten Lesezirkel wie das Zauberwort für eine Million Packungen Zahnersatz wirkt oder für den Einlass in den Himmel, ist sogar noch größer als für die ähnlich hübschen, ebenfalls trochäisch­en Wortreihun­gen »Hinter Gittern, der Frauenknas­t« – einer Sendung, in der Katy Karrenbaue­r Mitgefange­nen Küchenmess­er an den Hals hält und die mir deshalb als Kind als das absolut Teuflische erschien – sowie extra-stark durch Nasshaftkr­aft: dem besten Werbespruc­h, der deutschen Textern jemals einfiel.

Diese Begeisteru­ng steigerte sich schließlic­h auf das Höchste, als ich die Schrift über der Einfahrt zu Tappert las: Lesemappen – Bücher – Zeitschrif­ten. Warum nur haben der selige Herr oder die selige Frau Tappert sich nicht dazu entschloss­en, den Betrieb, in Vollendung aller Sprachen, Mappenzirk­el Tappert zu nennen? Oder kurz: Mappentapp­ert?

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