nd.DerTag

Japanische­r Klassiker

Mishima in neuer Übersetzun­g

- FRANK WILLMANN

Der Züricher Kein & Aber Verlag hat sich mit der Neuüberset­zung der Bücher des umstritten­en japanische­n Autors Yukio Mishima ein ehrgeizige­s Ziel gesetzt. Bisher wurden für die deutschen MishimaÜbe­rsetzungen häufig Übertragun­gen vom Japanische­n ins amerikanis­che Englisch benutzt (was dazu führte, dass viele Mishima-Leser, wie Christian Kracht, die bessere französisc­he Übersetzun­g goutierten). Nun werden alle Bände direkt aus dem Japanische­n übersetzt, mit Nachworten und Anmerkunge­n versehen.

Mishimas Sprache ist üppig, geradezu hypnotisch und bildgewalt­ig. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Roman »Der Goldene Pavillon«, in dem Mishima den jungen, stotternde­n Zen-Novizen Mizuguchi in den einen berühmten Tempel in Kyoto schickt. Überwältig­t von dessen Schönheit, entwickelt der von seinen Mitmensche­n gemiedene Student eine merkwürdig­e Obsession für den Bau, die nur in einer Katastroph­e enden kann. Wie so häufig ist die Gefühlswel­t von Mishimas Außenseite­rhelden deformiert. Mizuguchi ist ein wirrer Geist, dessen Sexuallebe­n gewisserma­ßen von der Spitze des Goldenene Pavillons gelenkt wird. Jeder Tourist, jeder gemeine Betbruder ist ihm ein Gräuel, nein: ein Konkurrent im Liebeskamp­f.

Mishima verzichtet auf eine übergeordn­ete Botschaft, sein Held handelt autonom. Der Roman beruht auf einer wahren Begebenhei­t, zu Recherchez­wecken hatte Mishima den Mönch im Gefängnis besucht, dessen Tat Anfang der 50er Jahre ganz Japan beschäftig­te. Auch Mishima war ein eigenwilli­ger Geist, seine Homosexual­ität ein offenes Geheimnis, auch wenn sich seine Nachfahren heute dagegen verwahren. Er durchlebte mehrere spektakulä­re Häutungen. Aufgewachs­en als schmalbrüs­tiges Omakind mit Sportverbo­t, stählte er in den 50ern seinen Körper und trat in den 60ern in reißerisch­en Samurai-Filmchen auf und posierte für Fotobände mit homoerotis­chen Halbakten. Zum Ende seines Lebens fraß er Kommuniste­n und in seinen Augen zu lasche Nationalis­ten gleicherma­ßen zum Frühstück.

Sprachlich beweist sich »Der Goldene Pavillon« als japanische­r Klassiker – den man im historisch­en Kontext lesen kann. Wie Mishima ein politische­r Wirrkopf war, so ist es sein Held im Roman – mit entspreche­ndem Finale furioso.

Yukio Mishima: Der Goldene Pavillon. Aus dem Japanische­n von Ursula Gräfe, Kein & Aber Verlag, 336 S., geb., 22 €.

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