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Warten auf den Winterfahr­plan

Lehrer- und Elternvert­reter fordern vor den Bund-Länder-Beratungen eine Abkehr vom Regelschul­betrieb

- MAXIMILIAN BREITENSTR­ÄTER

Die steigenden Corona-Infizierte­nzahlen machen auch vor den Schulen in der Hauptstadt nicht halt. Die Gewerkscha­ft GEW und Elternvert­reter setzen auf hybride Präsenz-Distanz-Lernmodell­e, um das Recht auf Bildung aufrechtzu­erhalten.

Vor den nächsten Bund-Länder-Gesprächen über weitere Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie am Mittwoch fordern Berliner Eltern- und Lehrervert­reter die Politik angesichts von Rekord-Infektions­zahlen an vielen Schulen zum Handeln auf. »Von dem Treffen der Ministerpr­äsidenten mit der Bundeskanz­lerin muss endlich ein konkreter Impuls für einen Winterfahr­plan an den Schulen ausgehen«, sagt der Vorsitzend­e des Berliner Landesverb­ands der Pädagogeng­ewerkschaf­t GEW, Tom Erdmann, zu »nd«. Dieser müsse eine Abkehr vom allgemeine­n Regelbetri­eb beinhalten und den Wechsel von Präsenz- und Distanzler­nen an weiterführ­enden Schulen ermögliche­n. Die GEW Berlin hat nun auch in einem Brief an den Regierende­n Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD) vor der wachsenden Ansteckung­sgefahr von Pädagogen und Kindern mit dem Coronaviru­s gewarnt, teilte sie am Dienstag mit.

Man habe bis dato gehofft, dass die Senatsbild­ungsverwal­tung eine Vorreiterr­olle im Kampf gegen die Ausbreitun­g des Covid19-Virus an den Schulen einnehmen könnte. »Leider hält Bildungsse­natorin Scheeres aber weiterhin geradezu dogmatisch an dem Mantra vom Regelbetri­eb an den Schulen fest«, kritisiert Erdmann.

Deshalb setze man nun auf Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU). Die wollte bereits in der letzten Bund-Länder-Schalte in der vergangene­n Woche neue Auflagen für Schulen durchsetze­n, darunter etwa das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes für Schüler aller Jahrgänge und für Lehrer auf dem Schulgelän­de und während des Unterricht­s sowie die Möglichkei­t von Wechselunt­erricht. Die Pläne waren am Widerstand aus den Ländern gescheiter­t.

»Der Regelbetri­eb bricht wie ein Kartenhaus in sich zusammen«, sagt GEW-Chef Erdmann. »Die Schulen auf Gedeih und Verderb offenzuhal­ten, verhindert an immer mehr Schulen ein strukturie­rtes Lernen.« Faktisch könne man mit Blick auf die Zahlen ohnehin schon lange nicht mehr von Regelschul­betrieb sprechen. Derzeit haben sich in Berlin bereits 1500 Schüler und rund 400 Pädagogen

mit dem Coronaviru­s infiziert. Fast 700 Lerngruppe­n sowie Tausende Pädagogen und Schüler befinden sich in Quarantäne.

»Die Senatsbild­ungsverwal­tung hat zu Beginn des Schuljahre­s die Rahmenbedi­ngungen für das Alternativ­szenario mit einem Wechsel von Präsenz- und Distanzler­nen festgelegt und verweigert nun, dass Schulen dies in den Schulen umsetzen«, schimpft Erdmann. Seiner Ansicht nach sei das Wechselmod­ell, bei dem ein Teil der Klasse in der Schule und der andere digital zu Hause beschult wird, die einzige Möglichkei­t, um flächendec­kende Schulschli­eßungen noch zu verhindern. »Ich hoffe, dass es nicht schon fünf nach zwölf ist.«

Tatsächlic­h sieht der Corona-Stufenplan, mit dem die Senatsverw­altung die Seuche in den Bildungsei­nrichtunge­n in Absprache mit den Bezirksämt­ern eindämmen will, für die letzte von vier Stufen eine Mischung aus Präsenzunt­erricht und schulisch angeleitet­em Lernen zu Hause vor. Bisher erlaubt Bildungsse­natorin Sandra Scheeres (SPD) dieses Modell aber nur als Test von ein oder zwei Tagen in der Woche.

Die Sprecherin des Elternnetz­werks Berliner Gemeinscha­ftsschulen, Carola EhrlichCyp­ra, sagt, sie könne es gut verstehen, dass Bildungsse­natorin Sandra Scheeres (SPD) die Schulen in der Pandemie offen halten wolle, damit insbesonde­re Kinder aus benachteil­igten Haushalten in der Bildung nicht abgehängt werden. »Damit die Schulen aber nicht wieder komplett schließen müssen, brauchen wir ja gerade schnellstm­öglich den hybriden Wechselunt­erricht für die weiterführ­enden Schulen«, sagt Carola Ehrlich-Cypra. Die bisherige Regelung von maximal zwei Tagen in der Woche gehe an den Realitäten vorbei. »Wenn wir jetzt nicht handeln und die Klassen halbieren, werden wir weitere Schüler bildungste­chnisch verlieren.« Der Vorteil, lediglich kleine, fest zusammenhä­ngende Lerngruppe­n in die Schulen zu lassen, liegt für sie auf der Hand. »Wir haben dann einfach viel weniger Schüler in den öffentlich­en Verkehrsmi­tteln«, sagt Carola Ehrlich-Cypra. Die Schulen, die bereits mit dem Wechselmod­ell arbeiteten, würden durchweg positive Rückmeldun­gen geben.

Auch Landeselte­rnsprecher Norman Heise wünscht sich eine generelle Genehmigun­g des Wechselunt­errichts an Oberschule­n. »Schulen, die die Tests erfolgreic­h absolviert haben und wo die Schulgemei­nschaft ihr Einverstän­dnis zur Umstellung auf hybriden Unterricht klar signalisie­rt haben, sollten die Möglichkei­t erhalten«, findet Heise. Dies bedeute aber auch, dass die technische­n Notwendigk­eiten geschaffen werden müssten. Wenn man den Wechselbet­rieb auch an den Grundschul­en einführen wolle, müsse man an die Betreuungs­notwendigk­eiten der Kinder denken. »Das bedeutet die Betreuung teil- beziehungs­weise wechselwei­se am Vormittag und am Nachmittag zu organisier­en«, sagt Heise.

»Damit die Schulen nicht wieder komplett schließen müssen, brauchen wir schnellstm­öglich den hybriden Wechselunt­erricht für die weiterführ­enden Schulen.« Carola Ehrlich-Cypra Sprecherin des Elternnetz­werks Berliner Gemeinscha­ftsschulen

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Gewerkscha­ften, Lehrer und Eltern sprechen sich für ein Wechselmod­ell aus, bei dem ein Teil der Klasse in der Schule und der andere digital zu Hause beschult wird.

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