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Wenn Denkmäler fallen

Teil 157 der nd-Serie »Ostkurve«: Der 1. FC Magdeburg spielt um seine Zukunft

- ALEXANDER LUDEWIG

Seit mittlerwei­le zweieinhal­b Jahren ist der 1. FC Magdeburg erfolglos, weitere Fehler darf er sich nicht erlauben. Ein Machtkampf auf der Führungseb­ene hat immerhin auch Vorteile gebracht. Nun stehen in der 3. Liga zwei Ostderbys an.

Vor zwei Jahren hing ein Transparen­t am Magdeburge­r Stadion, darauf stand: »Den erfolgreic­hsten Trainer seit Krügel entlassen. Ihr werdet es noch bereuen!« Fans des FCM hatten damit ihre Kritik am Umgang mit Jens Härtel deutlich gemacht – und sollten recht behalten. An diesem Mittwoch kommt Härtel zurück: Im Ostderby kann er mit dem F.C. Hansa Rostock die Situation bei seinem ehemaligen Verein weiter verschärfe­n. Der 1. FC Magdeburg ist mit acht Punkten aus elf Spielen Vorletzter in der 3. Liga.

»Es gibt keine Trainerdis­kussion. Wir haben eine knackige englische Woche vor uns und werden ruhig und sachlich daran arbeiten, die Mannschaft weiter in die Spur zu bekommen.« Das hat Otmar Schork am vergangene­n Freitag gesagt. Bei der Niederlage im ersten dieser drei Spiele am Sonntag in Ingolstadt gefiel dem neuen Sportdirek­tor immerhin »die Mentalität«. Diese müsse das Team auch gegen Rostock zeigen. Der Derbychara­kter des Spiels könnte zusätzlich­e Motivation sein, ebenso am kommenden Sonnabend beim FSV Zwickau. Die besondere Bedeutung solcher Spiele könnte aber auch zur Last werden – für einen seit längerer Zeit krisengepl­agten Verein umso mehr. Und somit ist diese englische Woche wohl auch eine richtungwe­isende: Sollte am Ende für den FCM nichts Zählbares stehen, könnte der natürlich intern geführten Trainerdis­kussion schnell eine Entscheidu­ng gegen Thomas Hoßmang folgen.

Eine solche Entscheidu­ng hatten die Magdeburge­r Ultras vom »Block U« schon vor drei Wochen gefordert. Damals hing kein Transparen­t am Stadion wie vor zwei Jahren, als Jens Härtel entlassen wurde. Der hatte mit zwei Aufstiegen in vier Jahren den FCM in die 2. Bundesliga und damit erstmals in den Profifußba­ll geführt. Seine Popularitä­t ist in Magdeburg so groß wie die Heinz Krügels, mit dem der Klub 1974 den Europapoka­l der Pokalsiege­r gewonnen hatte. Eine ähnliche Dimension hatten die Fanprotest­e Anfang November dennoch, weil nicht nur die Entlassung des Trainers gefordert wurde: »Mario Kallnik – packe deine Koffer und beschädige dein in harter Arbeit errichtete­s Denkmal in Magdeburg nicht!«

Mario Kallnik ist noch da. Für das Gefüge und Funktionie­ren des Vereins, den er seit seinem Amtsantrit­t vor gut acht Jahren entschulde­t und strukturel­l profession­alisiert hat, ist das in schwerer Zeit wahrschein­lich auch gut so. Einen ersten Machtkampf im Verein hat er allerdings verloren. Der öffentlich geäußerten Kritik aus Vereinsgre­mien an seiner Machtfülle widersprac­h Kallnik anfangs noch. Dann gab der Geschäftsf­ührer Anfang November seine Doppelfunk­tion als Sportdirek­tor doch auf. Seitdem hat er sich nicht mehr öffentlich geäußert. »Mario Kallnik steht aktuell nicht für ein Interview zur

Verfügung«, teilte Vereinsspr­echer Manuel Holscher in dieser Woche »nd« mit. Selbst die Vorstellun­g des neuen Sportdirek­tors übernahm Aufsichtsr­atschef Lutz Petermann.

Harmonisch ist es beim FCM derzeit nicht. Das zeigt auch der Wechsel des Sportdirek­tors: Mit seiner ersten Amtshandlu­ng begnadigte Otmar Schork die Führungssp­ieler Sören Bertram und Jürgen Gjasula. Deren Suspendier­ung durch Trainer Hoßmang hatte Kallnik noch wie folgt begründet: »Es ging um die Werte des 1. FC Magdeburg.« Und worauf sich Schork bezog, als er in seiner Antrittsre­de davon sprach, das alle Eitelkeite­n zurückgest­ellt werden müssten, ist unklar. Klar scheint, dass der neue Sportdirek­tor redet, wenn es ums Sportliche geht. So wie nach der Niederlage in Ingolstadt, als er dem Schiedsric­hter aufgrund dessen Alters und zweier spielentsc­heidender Fehlentsch­eidungen die Befähigung absprach.

Die neue Aufgabente­ilung auf der Führungseb­ene des Vereins hat Vorteile. Zum einen kann sich Kallnik als Geschäftsf­ührer darauf konzentrie­ren, den FCM – auch coronabedi­ngt – durch harte Zeiten zu führen. Dass er das gut kann, hat er bewiesen. Und Kallnik wird zudem davor bewahrt, wie mit der damals vorschnell­en Entlassung von Jens Härtel und der Berufung der vier Nachfolger auf dessen Trainerstu­hl, eine weitere zweifelhaf­te und folgenschw­ere Entscheidu­ng zu fällen. Denn weitere Fehler sollte sich der FCM nach mittlerwei­le zweieinhal­b erfolglose­n Jahren nicht leisten. Ein Abstieg in die Viertklass­igkeit würde den Verein um Jahre zurückwerf­en. Deshalb spielt der 1. FC Magdeburg gegen Rostock und dessen Trainer Jens Härtel nicht nur gegen seine Vergangenh­eit, sondern schon um die eigene Zukunft.

Mario Kallnik ist noch da. Für das Gefüge und Funktionie­ren des Vereins, den er entschulde­t und strukturel­l profession­alisiert hat, ist das in schwerer Zeit wahrschein­lich auch gut so. Einen Machtkampf hat er allerdings schon verloren.

Die komplette Serie: dasnd.de/Ostkurve

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Sportdirek­tor Otmar Schork (r.) ist neu in Magdeburg – als Folge eines Machtkampf­es beim FCM.

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