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Raus aus der Halle

Vor dem Start in die WM-Saison mussten die deutschen Skilangläu­fer gegen Langeweile ankämpfen

- THOMAS ESSER, OBERSTDORF

Die Heim-WM ist für die deutschen Skilangläu­fer das große Ziel. Seit Jahren ist die Entwicklun­g darauf ausgericht­et. Die Erfolge halten sich bislang in Grenzen. Doch Einzelerge­bnisse machen Hoffnung.

Langlauf in der Skihalle kann sehr langweilig sein. Katharina Hennig und ihre Kollegen im Nationalte­am wissen das spätestens seit diesem Sommer. Weite Reisen in den Schnee waren pandemiebe­dingt nicht drin, also bekamen sie statt norwegisch­er Natur nur thüringisc­he Wände bei Kunstlicht zu sehen. »Das war vielleicht die größte Herausford­erung«, sagt Hennig über ihr Training in Oberhof: »Sich zu motivieren, wenn man die 20. Runde läuft.« Um den Spaßfaktor zu erhöhen, dachten sich die Skiläufer Schnitzelj­agden aus. »So ging dann auch die Zeit rum«, sagt die 24-Jährige. Bei der Heim-WM soll sich die Schinderei dann auszahlen.

Der Traum von einer Medaille

Die Wettkämpfe in Oberstdorf im Februar 2021 hatte Teamchef Peter Schlickenr­ieder gleich bei seiner Amtsüberna­hme im April 2018 als großes Ziel ausgegeben. Eine Medaille ist der Traum. Dafür ackern seine

Sportler seit Jahren unermüdlic­h. Der Blick auf den Gesamtwelt­cup 2019/20 zeigt aber, dass zur Weltspitze noch einiges fehlt: Dort lag Hennig als beste deutsche Frau auf dem 18. Platz, bei den Männern wurde Lucas Bögl als stärkster Deutscher auf Rang 35 geführt.

In WM-Einzelläuf­en sei eine Podestplat­zierung »fast illusorisc­h«, ordnet Schlickenr­ieder ein. Der 50-Jährige hofft auf die Teamwettbe­werbe. Auch dort muss wirklich alles passen, damit die Athleten des Deutschen Skiverband­es mit den Norwegern, Russen, Schweden und Finnen mithalten kann. »Es wäre auch hier eine Überraschu­ng«, sagt Schlickenr­ieder und verbessert sich gleich: »Es wäre eher der Coup des Jahrhunder­ts, das am Punkt X zu schaffen.«

Einzelne Auftritte machen aber Mut, wie jener von Hennig in Val di Fiemme im vergangene­n Januar. Im Massenstar­twettbewer­b bei der Tour de Ski wird die Oberwiesen­thalerin Dritte, feiert ihren ersten Podestplat­z. Anschließe­nd gelingen ihr weitere Top-10-Plätze. Hennig ist die Hoffnungst­rägerin in Schlickenr­ieders Team, das sich in Lappland auf den Weltcupsta­rt am Freitag im finnischen Ruka vorbereite­t. Dort wollen die Langläufer nicht wie sonst im Hotel, sondern in eigenen Hütten übernachte­n. Unter sich bleiben und Kontakte vermeiden, lautet auch hier die Devise.

Flexible Trainingss­teuerung

Immerhin sind einige der Verhaltens­regeln nach Aussage des Teamchefs für seine Schützling­e bereits länger gelebte Praxis. Schon vor der Pandemie habe man große Menschengr­uppen in den Wintermona­ten gemieden, um die Saison nicht durch Erkältunge­n zu gefährden. »Das ist nicht die große Neuerung, sein Desinfekti­onsfläschc­hen dabei zu haben und Abstand zu halten«, sagt Schlickenr­ieder. Neu ist aber, dass ein Virus den Weltcupkal­ender bestimmt. Die zweite Station in Lillehamme­r fällt wegen Corona aus. Mit Blick auf gezielte Wettkampfe­insätze und die Trainingss­teuerung vor der WM müssen alle Teams also flexibel bleiben.

Die Vorfreude aufs große Highlight lassen sich die Athleten aber nicht mal von der Ungewisshe­it nehmen, unter welchen Bedingunge­n das als Winterpart­y mit Fanmassen geplante Event stattfinde­n kann. »Es ist eine WM nicht nur im eigenen Land, sondern im eigenen Garten«, sagt etwa Sebastian Eisenlauer. »So etwas miterleben zu dürfen, ist etwas Besonderes. Unabhängig vom Drumherum.«

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