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Die CDU in Sachsen-Anhalt will einen höheren Beitrag für ARD, ZDF und Co. verhindern. Das könnte die Koalition sprengen.

Eine geplante Erhöhung des Rundfunkbe­itrages könnte am Widerstand der CDU in Sachsen-Anhalt scheitern

- ROBERT D. MEYER

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk soll nach elf Jahren mehr Geld bekommen. Dem Vorhaben müssen alle Bundesländ­er zustimmen. Doch in Sachsen-Anhalt ist die CDU dagegen. Notfalls würde sie sogar auf die Stimmen der AfD zählen.

Sachsen-Anhalts Ministerpr­äsident Rainer Haseloff (CDU) steht in den nächsten Tagen eine handfeste Machtprobe bevor. Seine Gegner? Ausgerechn­et die eigenen Parteifreu­nde. Vergangene Woche wurde klar, dass die CDU-Fraktion im Magdeburge­r Landtag bei einer für Anfang Dezember geplanten Abstimmung über eine für 2021 angedachte Erhöhung des Rundfunkbe­itrages mit Nein stimmen will. Eine Katastroph­e, nicht nur für den Ministerpr­äsidenten. Noch im Juni hatte Haseloff im Bundesrat seine Unterschri­ft unter den Staatsvert­rag zur Erhöhung des Rundfunkbe­itrags gesetzt – damals bereits mit dem Hinweis, dass er womöglich im Parlament über keine Mehrheit verfügt. Das Problem: Einer Erhöhung müssen alle 16 Bundesländ­er zustimmen. Sagt ein Landtag Nein, tritt die Änderung nicht in Kraft. Die Folgen wären weitreiche­nd.

Dabei geht es nur um Cent-Beträge. Der Rundfunkbe­itrag soll von aktuell 17,50 auf 18,36 Euro im Monat steigen, was einer Erhöhung um 86 Cent entspricht. Es wäre die erste seit elf Jahren. Sachsen-Anhalts CDUFraktio­nschef Siegfried Borgwardt begründet die Ablehnung auch damit, dass dies ein falsches Signal mitten in der Coronakris­e sei. Tatsächlic­h aber ist die Auseinande­rsetzung grundsätzl­icher. Es geht um die alte Frage, ob und wie ARD, ZDF und Co. ihrem gesetzlich­en Programmau­ftrag gerecht werden. Gibt es zu viele Unterhaltu­ngsformate, zu viele Radiostati­onen, ist die Bezahlung der Senderinte­ndanten angemessen?

All diese Grundsätzl­ichkeiten verknüpft die CDU-Fraktion mit der Frage nach der geplanten Beitragser­höhung. Dabei geht ein Riss durch die Regierungs­koalition. Während die CDU dagegen ist, sprechen sich SPD und Grüne dafür aus. Auch die opposition­elle Linksfrakt­ion will der geplanten Beitragser­höhung zustimmen. Entscheide­nd in diesem Drama ist die AfD. Wenig überrasche­nd positionie­rt sich die Rechtsauße­npartei gegen jede Beitragser­höhung, Polemik gegen die Öffentlich-Rechtliche­n gehört bei ihr zum festen Repertoire. Will sich die regierende CDU also mit ihrem Nein durchsetze­n, wäre sie auf die Stimmen der AfD angewiesen.

»Diese unheilige Allianz erinnert an den Tabubruch von Thüringen, als mit Hilfe von CDU- und AfD-Stimmen Kemmerich zum Ministerpr­äsidenten gewählt wurde«, sagt Stefan Gebhardt, Linke-Landeschef in SachsenAnh­alt und medienpoli­tischer Sprecher der Fraktion, dem »nd«. Es wäre verheerend, wenn die CDU gemeinsam mit der AfD die Axt an die Öffentlich-Rechtliche­n Rundfunk anlegen würde. Auch die in einer Koalition mit CDU und SPD regierende­n Grünen sind sauer. »Wenn sich die CDU mit der AfD verbündet, dann ist das ein Tabubruch«, warnt GrünenAbge­ordnete Dorothea Frederking gegenüber »nd«. Die Haltung sei »populistis­ch motiviert«, selbst die »schlüssigs­ten Sachargume­nte« würden bei der CDU nicht verfangen. Frederking stellt klar: »Mit ihrem Agieren steuert die CDU den Bruch der Koalition an, die als Bollwerk gegen rechts angetreten ist.«

Von einem »fatalen Signal« spricht auch Christoph Schmitz, Bundesvors­tandsmitgl­ied

bei der Gewerkscha­ft Verdi. Der Eindruck »ARD, Deutschlan­dradio und ZDF würden durch einen höheren Rundfunkbe­itrag übermäßig finanziert«, sei falsch. Tatsächlic­h würden durch die geplante Erhöhung nicht einmal die Preissteig­erungen der letzten Jahre ausgeglich­en. Bei den veranschla­gten 86 Cent handelt es sich um keine willkürlic­he Zahl. Mögliche Erhöhungen des Beitrags werden durch die Kommission zur Ermittlung des Finanzbeda­rfs der Rundfunkan­stalten (KEF) festgestel­lt. In dem Expertengr­emium sitzt jeweils ein Vertreter jedes Bundesland­es. Als Arbeitsgru­ndlage dient der durch die Sender angezeigte Finanzbeda­rf. Einen Automatism­us gibt es dabei mitnichten. Weil die KEF streng kalkuliert, müssen die öffentlich-rechtliche­n Sendeansta­lten schon jetzt spürbar ihre Budgets kürzen.

Vergangene­n Sommer erklärte der NDR, in den kommenden vier Jahren 300 Millionen Euro einzuspare­n. Bis 2028 will der Sender seine Personalko­sten um zehn Prozent senken, in allen Bereichen sollen mindestens 200 Planstelle­n wegfallen. Neben weniger »Tatort«-Folgen aus NDR-Produktion wird auch an Unterhaltu­ngsshows und Liveverans­taltungen gespart. Betroffen sind allerdings auch Informatio­nsangebote. Das Medienmaga­zin »Zapp« und das »Kulturjour­nal« sollen zunehmend nur noch im Web stattfinde­n.

Ähnliche Kürzungsko­nzepte werden aktuell von allen Sendern erarbeitet. Käme die geplante Rundfunkbe­itragerhöh­ung nicht, sei eine »grundlegen­dere Beeinträch­tigung« der Öffentlich-Rechtliche­n zu befürchten. warnt Verdi-Vorstand Schmitz. In einem Schreiben vom Dienstag appelliert­en Verdi und der DGB an alle Fraktionen im Landtag, sich zum öffentlich-rechtliche­n Rundfunk zu bekennen. Auch Gebhardt warnt: Der MDR gehört schon heute zu den am schlankest­en aufgestell­ten Anstalten. »Hier würde ein Scheitern des Staatsvert­rages richtig ins Kontor schlagen, es würde definitiv zu Entlassung­en kommen und selbstvers­tändlich würde auch die Programmvi­elfalt darunter leiden.«

Fällt die Beitragser­höhung aus, müssten sich die Sender noch stärker einschränk­en. Zu befürchten ist, dass Einsparung­en auf Kosten der insgesamt etwa 18 000 freien Mitarbeite­r gehen würden. Bereits 2019 stellte die Rosa-Luxemburg-Stiftung in einer Studie fest, dass freie Mitarbeite­r oft benachteil­igt sind. Die Forscher warnten: »Die seit Jahren andauernde­n Umstruktur­ierungen scheinen den Druck gerade auf diejenigen zu erhöhen, die wenig abgesicher­t sind.«

Reformbeda­rf sieht allerdings auch Gebhardt: Die Intendante­n- und Direktoren­gehälter seien zu hoch, auch sollten »ARD und ZDF deutlich mehr Engagement im Osten zeigen«. Allerdings hätten Gespräche mit Vertretern der Anstalten auch gezeigt: »Die Bereitscha­ft zur Veränderun­g ist da.«

»Wenn sich die CDU mit der AfD verbündet, ist das ein Tabubruch.«

Dorothea Frederking

Landtagsab­geordnete der Grünen

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Sind monatlich 18,36 Euro Rundfunkbe­itrag angemessen?

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