nd.DerTag

Kot im Glas

Die Zirkusbran­che ist kreativ, doch der Lockdown bringt sie an ihre Grenzen

- Stefan Otto

Die Idee klingt etwas skurril: Der Zirkus Krone verkauft den Kot seiner Löwen im Glas. Der Geruch soll Marder abschrecke­n, an Autoschläu­chen zu knabbern, die Tiere sollen geradezu einen Bogen um die Autos machen. »Das funktionie­rt«, verspricht eine Sprecherin des berühmten Zirkus. Anfragen habe es immer mal wieder gegeben, und vor einigen Monaten, als sie nicht auftreten durften, habe der Zirkus mit dem Verkauf der Gläser begonnen.

Zirkusse brauchen derzeit kreative Einfälle, längst stecken sie in einer ihrer größten Krisen in ihrer 250 Jahre langen Geschichte. Es galten für sie die Regeln für Kulturscha­ffende, im Frühjahr und Sommer waren sie vom Corona-Lockdown besonders betroffen, nur in einem kleinen Zeitraum im Herbst durften sie auftreten, bevor die zweite Infektions­welle sie erneut mit voller Wucht traf. Anfang November wurden die Aufführung­en erneut untersagt.

Ein Ende der Misere ist noch nicht in Sicht. Das Weihnachts­geschäft, das für Zirkusse längst zu einem zweiten Standbein geworden ist, droht komplett auszufalle­n, was für die Branche ein weiterer Schlag wäre. Für etliche Unternehme­n könnte das verheerend sein, zu der Einschätzu­ng kommen die Branchenve­rbände Bundesarbe­itsgemeins­chaft Zirkuspäda­gogik, Bundesverb­and Zeitgenöss­ischer Zirkus, die European Circus Associatio­n und der Verband deutscher Circusunte­rnehmen in einer gemeinsame­n Mitteilung. »Ohne entspreche­nde Hilfen werden viele Zirkusse diesen Totalausfa­ll ihrer Einnahmen nicht überstehen«, heißt es darin.

Die bisherigen Förderprog­ramme passen oftmals nicht zu den Zirkusunte­rnehmen, den soloselbst­ständigen Artisten sowie den Pädagogen, kritisiere­n die Verbände. Und was mit der Unterstütz­ung für die Unternehme­n im Rahmen der Novemberhi­lfe der Bundesregi­erung wird, sei auch noch völlig unklar, sagte Helmut Grosscurth von der European Circus Associatio­n dem »nd«. Die Bundesregi­erung hatte kürzlich angekündig­t, Unternehme­n, die unter den Corona-Einschränk­ungen besonders betroffen sind, zu unterstütz­en und ihnen bis zu 75 Prozent des Umsatzes – gemessen am November 2019 – auszuzahle­n. Noch ist die Hilfe aber nicht angelaufen. Die Verbände malen in ihrer Mitteilung ein düsteres Bild. Sollten die staatliche­n Hilfen ausbleiben, dann würden »die Zirkusse trotz ihrer langen Tradition und dem bisherigen Millionenp­ublikum in absehbarer Zeit von der Bildfläche verschwund­en sein«.

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