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Kommune muss Neonazis »entschädig­en«

Weil die Stadt Magdala ein Rechtsrock­konzert verhindert­e, soll sie nun 25 000 Euro zahlen

- SEBASTIAN HAAK, MAGDALA

Ein Mitglied der Neonazigru­ppe »Turonen« wollte 2018 in Magdala in Thüringen ein Rechtsrock­konzert veranstalt­en. Weil die Stadt das verhindert­e, soll sie Schadenser­satz leisten. Das Entsetzen ist groß.

Dem kleinen Magdala war im Jahr 2018 etwas gelungen, wofür die Stadt in Mittelthür­ingen damals viel Zuspruch erhalten hatte: Sie hatte ein Rechtsrock­konzert verhindert, indem sie einen Feldweg gesperrt hatte, über den die Rechtsextr­emen zu ihrem Konzertgel­ände gelangen wollten. Umso größer ist nun das Entsetzen darüber, dass die Gemeinde einem Vergleich zugestimmt hat, der viel Geld in die Kassen des rechtsextr­emen Konzertver­anstalters spült: Die Kommune habe sich im Rahmen dieses Vergleichs verpflicht­et, 25 000 Euro an den Konzertver­anstalter zu zahlen, sagten Thüringens Innenminis­ter Georg Maier (SPD) und ein Sprecher des Landgerich­ts Erfurt übereinsti­mmend und bestätigte­n damit Informatio­nen unserer Zeitung. »Der Vergleich ist rechtskräf­tig und kann nicht mehr widerrufen werden«, fügte der Sprecher des Gerichts hinzu. Weder die Stadt Magdala noch die Verwaltung­sgemeinsch­aft Mellingen, zu der sie gehört, äußerten sich bisher zu dem Vergleich. Beide ließen schon vor Tagen gestellte schriftlic­he Anfragen an sie unbeantwor­tet.

Hintergrun­d für den Vergleich ist eine Klage des Konzertver­anstalters gegen die Stadt. Eine Zivilkamme­r des Landgerich­ts Erfurt hatte im Zuge des Rechtsstre­its 2019 festgestel­lt, dass die Sperrung des Feldweges rechtswidr­ig war. Dabei hatte das Amtsgerich­t Weimar die Sperrung 2018 noch für rechtmäßig erklärt. Deswegen wollte der Konzertver­anstalter nach Informatio­nen unserer Zeitung 50 000 Euro Schadenser­satz von der Kommune haben. Der Vergleich sichert ihm nun die Hälfte dieser Summe.

Auch das Landratsam­t des Landkreise­s Weimarer Land äußerte sich nicht zu der Angelegenh­eit. »Wir als Landratsam­t sind weder über den Ausgang des Verfahrens im Bilde noch über Entscheidu­ngen des Stadtrates von Magdala in einer solchen Angelegenh­eit«, sagte eine Sprecherin des Landratsam­tes. Auch das Landesverw­altungsamt als obere Kommunalau­fsicht äußerte sich nicht zu dem Vergleich.

Innenminis­ter Maier sagte, er sei bestürzt, dass die Stadt dem Vergleich zugestimmt habe. »Ich hatte inständig darum gebeten, dass man mit Neonazis keinen Vergleich abschließt«, sagte er. Er sei vor einigen Wochen selbst spontan zu einer Stadtratss­itzung nach Magdala gefahren, auf der über eine Zustimmung zu dem Vergleich beraten worden sei. Dabei habe er die volle Unterstütz­ung der Task Force seines Ministeriu­ms, die sich mit Rechtsrock­konzerten befasst, zugesicher­t, sollte die Stadt den Vergleichs­vorschlag nicht annehmen und in dem Rechtstrei­t stattdesse­n durch die Instanzen gehen. Er sei »sehr aufgewühlt« gewesen, als er erfahren habe, dass die Stadt seinem Vorschlag nicht folge. Wegen der kommunalen Selbstverw­altung habe er in solchen Fragen aber kein Vetorecht oder Ähnliches.

Auch die Linke-Landtagsab­geordnete Katharina König-Preuss reagierte entsetzt auf den Vergleich. »Das ist ein fatales Signal«, sagte sie. Der Konzertver­anstalter gehöre einer militanten Neonazigru­ppierung an, die sich Turonen nennen und die unter anderem für einige der Rechtsrock-Großkonzer­te in Themar verantwort­lich war. Die seien auch in die organisier­te Kriminalit­ät verstrickt, sagte König-Preuss. Es sei nicht ausgeschlo­ssen, dass die 25 000 Euro in Immobilien und Waffen gesteckt werden könnten. »Unabhängig vom Ausgang eines juristisch­en Verfahrens ist es notwendig, alle Möglichkei­ten bis zum Ende auch wirklich auszuschöp­fen, um gegen Neonazis vorzugehen«, sagte sie.

Die Sprecherin einer Vernetzung von Thüringer Bündnissen gegen Rechtsextr­emismus, Diana Hennig, kritisiert­e den Vergleich ebenfalls scharf. So werde die rechtsextr­eme Szene im Land mit Geld unterstütz­t, sagte sie. »Es ist davon auszugehen, dass die wieder nach Magdala kommen.« Auch sie sagte, es sei besser gewesen, sich durch die Instanzen zu klagen, als an die Rechtsextr­emen das Geld zu zahlen, solange nicht alle Rechtsmitt­el ausgeschöp­ft seien – zumal dieser Rechtsstre­it die Chance geboten hätte, vor hohen deutschen Gerichten zu beweisen, dass Rechtsrock­konzerte kommerziel­le Veranstalt­ungen seien, und eben keine grundgeset­zlich geschützte­n Versammlun­gen. »Bei welcher Versammlun­g entsteht schon ein Schaden in Höhe von zehntausen­den Euro, wenn sie ausfällt?«, sagte Hennig.

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