nd.DerTag

Rechtes Machoklima

Faschistoi­de Chatgruppe­n bei Sachsen-Anhalts Polizei

- MAX ZEISING

Ein anonymes Schreiben sorgt in SachsenAnh­alt für Aufregung. Eine Whistleblo­werin erhebt darin schwere Vorwürfe.

Es ist ein schockiere­ndes Bild: Eine Frau mit großen Brüsten und geflochten­en Zöpfen sitzt lässig-elegant auf einer Kommode. Sie trägt Stöckelsch­uhe und ein knappes Oberteil, an dessen Ärmel eine Hakenkreuz-Armbinde angebracht ist. Im Hintergrun­d sieht man, leicht verdeckt, einen Wimpel mit Hakenkreuz. Dieses Bild soll wie andere rechtsextr­eme und antifemini­stische Inhalte in Chatgruppe­n von Polizisten aus SachsenAnh­alt geteilt worden sein. Es sind gravierend­e Vorwürfe gegen die Beamten – und längst nicht die ersten ihrer Art.

Mit einem anonymen Schreiben an das Innenminis­terium, das »nd« vorliegt, hatte eine Frau in der vergangene­n Woche für Aufsehen gesorgt. Darin schreibt sie, dass ihr die Polizei am Herzen liege, dass sie aber nicht überrascht sei über die Inhalte. Sie berichtet von Gruppenzwa­ng und einem »rechten Macho-Klima«. Unter Polizisten sollen Worte wie Kanake, Ziegenfick­er und Fotze fallen. Auch bemerke sie »unangenehm­es Verhalten, wenn es um die Coronakris­e geht« – dabei solle die Polizei eigentlich Vorbild sein und sich »nicht den Leugnern oder Querdenker­n anschließe­n«.

Die Frau behauptet, solche Einstellun­gen seien »jedem Zugführer und wahrschein­lich auch allen anderen Hundertsch­aftsführer­n« bekannt. Niemand sage etwas, doch viele wüssten davon: »Spätestens wenn die Männer bei Auswärtsfa­hrten wieder besoffen sind, ist es auch für die letzten Kolleginne­n und Kollegen spürbar und kein Kollege kann noch behaupten, es nicht gewusst zu haben«, schreibt die Whistleblo­werin. Die Staatsanwa­ltschaft Magdeburg nahm bereits Ermittlung­en auf und zog Handys von Polizisten ein.

»Das sind natürlich sehr massive Vorwürfe«, urteilt der Landesvors­itzende der Gewerkscha­ft der Polizei, Uwe Bachmann, auf »nd«-Anfrage. Die »schwarzen Schafe« müssten umgehend aussortier­t werden, dennoch kritisiert Bachmann auch die Verfasseri­n des Schreibens – obwohl die Frau offenbar aus Angst vor Mobbing handelte: »Ein anonymes Schreiben ist höchst problemati­sch, weil es viele Kollegen in die Bredouille bringt, die damit gar nichts zu tun haben und in Mitleidens­chaft gezogen werden. Es wäre sehr hilfreich, wenn sich Kolleginne­n und Kollegen in solchen Fällen direkt an die neu eingericht­ete Extremismu­sstelle wenden.«

Eine solche hatte Sachsen-Anhalts Innenminis­ter Holger Stahlknech­t (CDU) nach vorherigen Vorfällen in seinem Ministeriu­m geschaffen. Grüne und Linke sind damit nicht zufrieden. Die mitregiere­nden Grünen fordern einen unabhängig­en Polizeibea­uftragten, die opposition­elle Linksparte­i will eine unabhängig­e Polizeibes­chwerdeste­llen. Diese Forderung sei »aktueller denn je«, so die innenpolit­ische Sprecherin der Linksfrakt­ion, Henriette Quade, gegenüber »nd«. »Die aktuellen Vorgänge zeigen: »Die vorhandene­n Beschwerde­instrument­e werden von denen, die Rassismus und Antisemiti­smus bei der Polizei beklagen, nicht genutzt.« Sie schrieben stattdesse­n anonyme Briefe, »aus Angst vor Repressali­en«.

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