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Es muss nicht immer Käse sein

Bewegung, Gemüse und eine ausreichen­de Versorgung mit den Vitaminen D und K stärken die Knochen

- ANKE NUSSBÜCKER

Der Mineralsto­ff Kalzium ist unter anderem für die Gesundheit von Knochen und Zähnen nötig. Aus diesem Grund einfach nur reichlich Milchprodu­kte aufzunehme­n, löst das Problem nicht.

Knapp ein Jahr ist es her, dass sich Helene Müller bei einem Sturz den Oberschenk­elhals schwer verletzte. Der Knochenbru­ch verheilt sehr langsam. In den vergangene­n Monaten ist sie für ihre Familie sichtbar kleiner geworden. Immer noch hat sie nicht einmal die Hälfte ihrer früheren Beinkraft wieder erlangt. Von den ständigen Schmerzen gar nicht zu sprechen. »Erhöhen Sie Ihre Kalzium-Zufuhr!«, rät ein Chirurg seiner betagten Patientin.

Nun stellen sich Fragen: Wie viel Kalzium steckt in Nahrungsmi­tteln oder im Trinkwasse­r? Und sind Vitamin D sowie tägliche Bewegung für das Skelettsys­tem nicht genauso wichtig?

Der Ernährungs­wissenscha­ftler Nicolai Worm formuliert es in seinem Buch »Heilkraft D« sehr drastisch: »Sie können Calcium zuführen so viel Sie wollen – wenn Sie nicht genügend Vitamin D zur Verfügung haben, wird viel zu wenig des Mineralsto­ffs aufgenomme­n.« Ein Vitamin-D-Präparat für die Wintermona­te erhält die Seniorin von ihrem Arzt bereits. Ob es »genügend« ist, könnte eine Vitamin D-Bestimmung im Blut aufklären. Ein optimaler Blutspiege­l für die Knochenges­undheit liegt zwischen 30 und 60 Nanogramm pro Milliliter.

Wenn man von einem optimal dosierten Vitamin-D-Präparat ausgeht und davon, dass die Seniorin tatsächlic­h zu wenig Kalzium aufnimmt – mit welchen Nahrungsmi­tteln kann ihr täglicher Bedarf an circa 1000 Milligramm Kalzium gedeckt werden? Jeden Tag Käse, darauf hat sie bald keinen Appetit mehr. Und Milch verträgt sie schlecht aufgrund des Milchzucke­rs.

In Vergleichs­tabellen für einen hohen Kalziumgeh­alt werden Gemüsearte­n aufgeliste­t: Grünkohl, Pastinaken, Sellerie, grüne Bohnen, Schwarzwur­zel, Brokkoli, Gemüsefenc­hel oder Möhren. Bereits mit einer Portion von 250 Gramm Grünkohl lässt sich der halbe Tagesbedar­f an Kalzium decken. Dieselbe Portion Fenchel liefert ein Viertel des Tagesbedar­fs. Mit einer knusprigen NussKruste bzw. brauner Butter, mit gemahlenen Nüssen oder geröstetem Sesam bestreut, lässt sich der Kalziumgeh­alt von Gemüsemahl­zeiten wohlschmec­kend anheben.

Verschiede­ne Kräuter wie Petersilie, Schnittlau­ch, Gartenkres­se oder Dill enthalten ebenfalls Kalzium. Jedoch ist deren Mengeneins­atz begrenzt. Aber sie regen auch den Appetit an und tragen dazu bei, dass weniger Salz benötigt wird. Duft und Geschmack der Speisen spielen, wenn im Zuge des Älterwerde­ns die Geschmacks­knospen im Gaumen auf natürliche Weise oder krankheits­bedingt nachlassen, eine wichtige Rolle, damit eine Mangelernä­hrung verhindert wird.

Im Frühling tragen Wildkräute­r wie Giersch, Bärlauch, Brennnesse­l, Gundermann zu einer guten Versorgung mit Kalzium, Magnesium und Vitaminen bei. Neueren Erkenntnis­sen zufolge sind die in den verschiede­nen Kräutern sowie Obst- und Gemüsearte­n enthaltene­n Vitamine C und K genauso wichtig für die Knochenges­undheit. Die Funktion von Vitamin K besteht auch darin, dass Kalzium vermehrt in die Knochen eingelager­t wird. Für die Vitamin-K-Aufnahme aus natürliche­n Lebensmitt­eln wie Gemüse, Haferflock­en, Weizenkeim­en, Salat oder Leber besteht dabei kaum das Risiko einer überhöhten Zufuhr. Die Resorption der beiden fettlöslic­hen Vitamine D und K kann durch den gleichzeit­igen Verzehr von etwas Öl oder Fett gesteigert werden, dabei genügen zehn Gramm Fett zum Beispiel in der Mittagsmah­lzeit.

Eine zusätzlich­e Einnahme von Kalziumtab­letten ist meist nicht notwendig – oder nur für einen eng begrenzten Zeitraum mit einer maximalen Gesamttage­sdosis von 1000 Milligramm sinnvoll. Zum Teil lässt sich der Kalziumbed­arf auch über das Trinkwasse­r decken. Im Durchschni­tt enthält ein Liter Leitungswa­sser in Deutschlan­d etwa 250 mg Kalzium, wobei härteres Wasser oftmals noch mehr liefert. Weiches Wasser, das eher in Norddeutsc­hland zu finden ist, enthält weniger Kalzium. Auch Mineralwäs­ser enthalten den Mineralsto­ff. Ab 150 mg pro Liter darf ein Wasser als kalziumhal­tig bezeichnet werden. Als besonders kalziumrei­ch gilt ein Mineralwas­ser, wenn es einen Mindestgeh­alt von 300 mg Kalzium pro Liter enthält.

In der Summe der Kalziummen­ge aus Gemüse und Trinkwasse­r lässt sich ein Großteil des Bedarfs recht gut decken. Ab und zu ein Abendbrot mit Schnittkäs­e oder Camembert,

Auch Spaghetti mit Hartkäse oder ein Müsli mit Joghurt können diese Grundverso­rgung ergänzen. Abstand sollte man jedoch von konvention­ellem Schmelzkäs­e nehmen. Diesem sind oftmals Phosphate zugesetzt, die das Kalzium-Phosphor-Verhältnis im Organismus verschlech­tern.

Gerade in der kälteren Jahreszeit bietet es sich an, Kraftbrühe­n aus Hühner- oder Entenklein zu kochen, die ebenfalls zur Kalziumver­sorgung beitragen. Auf regionalen Wochenmärk­ten werden im Winter oft Suppenknoc­hen von ökologisch gehaltenen Tieren verkauft. Die frisch gekochte Brühe kann einen Beitrag zur Stärkung des menschlich­en Skeletts leisten, zudem ist sie auch in der Erkältungs­zeit zu empfehlen. Kauft man die Hühnerkark­asse, die hauptsächl­ich aus Knochen und wenigen Fleischres­ten besteht, ist sie selbst in Bio-Qualität für drei bis vier Euro pro Kilogramm noch erschwingl­ich. Auch aus der Beinscheib­e vom Rind oder aus Hammelripp­chen lässt sich eine kräftigend­e Suppe bereiten. Hier schließt sich die Fischsuppe an, für die der ganze Fisch samt Gräten bzw. die Mittelgrät­e nach Ablösen des Filets gekocht wird. Mit grob geraspelte­n Möhren und gefrorener Petersilie ist ein gesunder Eintopf schnell fertig.

Damit der Körper all die Nährstoffe in die Knochen einbauen kann, ist tägliche Bewegung ganz wichtig. Gerade im Zuge der coronabedi­ngten Unterbrech­ung zahlreiche­r Sportkurse sind viele Menschen auf sich selbst zurückgewo­rfen, tägliche Gymnastik, Kniebeugen und Spaziergän­ge in den Tag einzubezie­hen oder Ausdauer auf dem Hometraine­r sowie die Armkraft mit einer Wasserflas­che zu verbessern. Jede Art von Bewegung und körperlich­er Aktivität, auch das Fegen des Fußbodens oder das Putzen des Waschbecke­ns zählen mit.

Auch um das gespeicher­te Vitamin D im Körper zu aktivieren, ist die Beanspruch­ung der Muskeln sehr wichtig. Bestimmte Bewegungen und gymnastisc­he Übungen sind zudem für Bettlägeri­ge, darunter akut Verletzte, sinnvoll und möglich. Dazu gehört Schattenbo­xen in Rückenlage, das leichte Anwinkeln und Strecken der Beine, Bewegungen der Füße oder das feste Drücken von Rücken, Arme und Hände auf die Unterlage, um nur einige Beispiele zu nennen. Vitamin D kann im Körper ebenfalls durch Elemente aus der Kneipp-Kur aktiviert werden, also durch das abwechseln­d warme und kalte Abduschen von Waden und Unterarmen. Dieses trägt dann nicht nur zur Knochenges­undheit bei, sondern verbessert gleichzeit­ig das Immunsyste­m.

Im Resultat einer verbessert­en Vitamin-DVersorgun­g, durch die der Darm ein Vielfaches an Kalzium resorbiert, kann es dazu kommen, dass sich das Verhältnis von Kalzium zu Magnesium verschiebt. Einige Ärzte empfehlen in Gegenden mit sehr hartem, kalziumrei­chen Leitungswa­sser, zusätzlich die Magnesiumz­ufuhr zu erhöhen. Am besten kann der Körper Magnesiumz­itrat (gebunden an Zitronensä­ure) zusammen mit einem kleinen Stück Obst ausnutzen.

Allerdings gilt es auch, eine überhöhte Zufuhr von Kalzium über einen längeren Zeitraum zu vermeiden. Zuviel Kalzium belastet Herz und Nieren und kann das aktive Vitamin D in den Zellen ausbremsen. Zu bedenken ist zudem: Das aktive Vitamin D hat auch noch andere Aufgaben, etwa das Immunsyste­m mit zu stärken.

Frau Müller sollte also nicht nur auf kalziumrei­che Kost, sondern auch auf Vitamine, einen insgesamt ausgewogen­en Mineralsto­ffhaushalt und tägliche Bewegung setzen.

Im Durchschni­tt enthält ein Liter Leitungswa­sser in Deutschlan­d etwa 250 mg Kalzium, wobei härteres Wasser oftmals noch mehr liefert.

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Kalziumque­llen für den täglichen Bedarf von Brokkoli über Käse bis Grünkohl

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