nd.DerTag

Rote Ampel für Polizisten

Revision gegen Freisprüch­e trotz mutmaßlich­er »Sieg Heil«-Rufe, Disziplina­rverfahren laufen

- PETER NOWAK

Ein Polizist, der bei einem Basketball­spiel rechte Sprüche von sich gegeben hatte, wurde entlassen. Bei zwei weiteren Beamten will die Staatsanwa­ltschaft Revision gegen deren Freisprüch­e einlegen.

Rassismus und Volksverhe­tzung blieben zunächst ohne Konsequenz­en: Weil sie »Sieg Heil«-Rufe bei einem Sportevent im Jahr 2018 so leise von sich gegeben haben sollten, dass die Öffentlich­keit sie nicht gehört habe, wurden Ende Oktober zwei Polizisten freigespro­chen (»nd« berichtete).

Die Staatsanwa­ltschaft will gegen die beiden Freisprüch­e Revision einlegen. Das geht aus einer Antwort der Senatsverw­altung für Inneres und Sport hervor, die »nd« vorliegt. Die Linke-Fraktionsv­orsitzende Anne Helm und der innenpolit­ische Sprecher Niklas Schrader, die beide für die Linksparte­i im Abgeordnet­enhaus sitzen, hatten die Verwaltung unter Innensenat­or Andreas Geisel (SPD) nach dem aktuellen Stand der Ermittlung­en gegen die Polizisten und die weiteren disziplina­rrechtlich­en Maßnahmen gefragt.

Der zuständige Staatssekr­etär für Inneres, Torsten Akmann (SPD), bestätigte in seiner Antwort, dass gegen drei Polizisten Disziplina­rverfahren eingeleite­t worden sind: Ein dritter Beamter, der beteiligt war, hatte bereits im Juni 2019 die erste Verurteilu­ng zu einer Geldstrafe angenommen. Die beiden anderen hatten damals Widerruf eingelegt – mit Erfolg in Form ihres Freispruch­s. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

Gegen den Polizisten, der das Urteil in erster Instanz angenommen hatte, wurde laut der Antwort das Disziplina­rverfahren bereits abgeschlos­sen und ein Verfahren zu seiner Entlassung eingeleite­t. Gegen die beiden Polizeibea­mten, deren Verfahren noch nicht rechtskräf­tig abgeschlos­sen ist, bleiben die Disziplina­rverfahren vorerst ausgesetzt.

Die drei Männer waren trotz des noch laufenden Verfahrens in der Zwischenze­it zu Polizeibea­mten ernannt worden. Und dass, obwohl die Senatsinne­nverwaltun­g ihre Verfassung­streue infrage stellt: »Für alle drei Beamte bestehen weiterhin Zweifel, dass sie sich zur freiheitli­chen demokratis­chen Grundordnu­ng im Sinne des Grundgeset­zes bekennen und für deren Erhaltung eintreten«, so Akmann.

Die drei Männer waren im April 2018, damals noch als Polizeisch­üler, bei einem Basketball­spiel von ALBA Berlin in der Mercedes-Benz-Arena mehreren Zeug*innen aufgefalle­n, weil sie zunächst beim Ballkontak­t eines Schwarzen Spielers rassistisc­he Affengeräu­sche, und später statt »Sieg«, »Sieg Heil«-Rufe von sich gegeben haben sollen.

Die Zeug*innen verständig­ten den Sicherheit­sdienst und dieser die Polizei. Es kam zum Strafverfa­hren wegen des Verwendens von Symbolen verfassung­sfeindlich­er Organisati­onen und besagter Verurteilu­ng zu Geldstrafe­n. Ende Oktober 2020 erging dann der Freispruch für die zwei Beamten mit der eingangs genannten Begründung. Eine Straftat habe demnach nicht vorgelegen.

Die ausführlic­he Urteilsbeg­ründung liegt noch nicht vor. Freispruch und vor allem die Begründung, verwundern vor allem die beiden Zeug*innen des Vorfalls. »Hätten wir die Rufe nicht gehört, wäre es nie zu dem Verfahren gekommen«, sagen sie zu »nd«. Nun werden sie wohl im nächsten Jahr noch einmal vor Gericht aussagen müssen.

Helm und Schrader wollten ebenfalls wissen, welche Stufen der Ampel bei extrem rechten Verdachtsm­omenten innerhalb der Berliner Sicherheit­sbehörden im Rahmen der Ermittlung­en und im Prozess gegen die Polizeisch­üler geschaltet wurden. Dabei beziehen sich die Fragestell­er*innen auf die im Konzept zur internen Vorbeugung und Bekämpfung von möglichen extremisti­schen Tendenzen genannten Farbkatego­rien.

»Für alle drei Beamte wird eine Einstufung in die Farbkatego­rie ›Rot‹ angenommen«, lautet dazu die Antwort von Torsten Akmann.

Newspapers in German

Newspapers from Germany