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Frist bleibt Frust

Bildungsge­werkschaft kämpft nach zehn Jahren Kampagne immer noch für mehr Dauerstell­en an Unis

- JANA FRIELINGHA­US

Noch hangeln sich fast 90 Prozent der wissenscha­ftlichen Mitarbeite­r an den deutschen Hochschule­n von Befristung zu Befristung. Die GEW hat eine Petition für mehr feste Stellen gestartet.

Es war ein zwiespälti­ges Jubiläum, das die Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW) am Donnerstag mit einer Konferenz begangen hat. Vor zehn Jahren startete die Gewerkscha­ft mit ihrem »Templiner Manifest« eine Kampagne für bessere Arbeitsbed­ingungen im »Mittelbau« der Hochschule­n. Und trotzdem besteht das alte Problem fort: Das Gros der wissenscha­ftlichen Mitarbeite­r ist noch immer befristet beschäftig­t, hangelt sich von Vertrag zu Vertrag. Und die Coronakris­e hat die Situation vieler noch verschärft.

Der Einsatz der Gewerkscha­ft und der Betroffene­n für den »Traumjob Wissenscha­ft« ist also genauso dringlich wie 2010. Der stellvertr­etende GEW-Vorsitzend­e Andreas Keller verwies am Donnerstag erneut darauf, dass sich der Anteil der befristet Beschäftig­ten seit der Novellieru­ng des Wissenscha­ftszeitver­tragsgeset­zes 2016 und der Verabschie­dung des »Qualitätsp­akts Lehre« an Unis um nur einen Prozentpun­kt auf 89 Prozent verringert hat. An den Fachhochsc­hulen ist der Anteil der dauerhaft Angestellt­en etwas höher. Das hatte eine im Auftrag der GEW erarbeitet­e und im März veröffentl­ichte Studie ergeben. Nur die durchschni­ttliche Dauer der Erstverträ­ge für wissenscha­ftliches Personal hat sich demnach um vier auf gut 28 Monate verlängert.

Die Gewerkscha­ft hat wegen der unveränder­ten Situation Zehntausen­der, die neben Promotion oder Habilitati­on Studierend­e betreuen, Seminare geben und viele andere Aufgaben erledigen, eine Onlinepeti­tion unter dem bekannten Kampagnenm­otto »Dauerstell­en für Daueraufga­ben« gestartet. Darin fordert sie, dass mindestens die Hälfte des wissenscha­ftlichen und künstleris­chen Personals auf unbefriste­ten Stellen beschäftig­t werden sollte. Weiter verlangt die Gewerkscha­ft eine Verbesseru­ng der Grundfinan­zierung der Hochschule­n um 40 Prozent. Eine von der GEW in Auftrag gegebene und nun veröffentl­ichte Expertise zeigt, dass der Anteil unbefriste­ter Beschäftig­ungsverhäl­tnisse in dem Maße steigt, wie sich die finanziell­e Ausstattun­g der Einrichtun­gen verbessert. Anne Krüger, Ko-Autorin der Untersuchu­ng zu »Arbeits- und Beschäftig­ungsbeding­ungen in der Wissenscha­ft seit 2006«, wies darauf hin, dass der Status quo auch einen »permanente­n Wissensabf­luss« bedingt.

In der Petition werden außerdem wirksame Mitbestimm­ungsrechte für das wissenscha­ftliche Personal gefordert. Zudem müssen nach Ansicht der Gewerkscha­ft wegen der coronabedi­ngten Beeinträch­tigungen der Arbeit sämtliche befristete­n Verträge um mindestens zwölf Monate verlängert werden.

Auf der Konferenz herrschte überrasche­nde Einigkeit, was das Ziel von 50 Prozent Dauerstell­en betrifft. Selbst Michael Meister (CDU), Parlamenta­rischer Staatssekr­etär im Bundesbild­ungsminist­erium, bekannte sich in seinem Referat dazu, ebenso auf einer Podiumsdis­kussion die Hochschule­xperten der demokratis­chen Bundestags­fraktionen.

Sie unterstütz­ten zudem die Forderung in der Petition nach einem gleichbere­chtigten Zugang zu wissenscha­ftlichen Karrieren unabhängig von Geschlecht, familiärer Situation, sozialer Herkunft und körperlich­en Beeinträch­tigungen. Kai Gehring (Grüne) erinnerte daran, dass über all diese Fragen bereits seit 15 Jahren diskutiert werde, ohne dass sich viel geändert habe. Nicole Gohlke (Linke) äußerte die Hoffnung, dass die parteiüber­greifende Einigkeit zu schnellen Veränderun­gen führt. Sie erinnerte daran, dass ihre Fraktion in dieser und der vorigen Legislatur­periode beantragt habe, dass die Bundesregi­erung jede neu geschaffen­e feste Stelle im Wissenscha­ftsbetrieb zwei Jahre lang mit 10 000 Euro fördern solle, um so einen Anreiz für die Erhöhung des Anteils der unbefriste­ten Stellen zu schaffen. Dies sei aber jeweils nicht nur von der Großen Koalition, sondern auch von den anderen Opposition­sparteien abgelehnt worden. Stefan Kaufmann (CDU) merkte an, die Initiative der Linken sei zwar »etwas überambiti­oniert« gewesen, zeigte sich aber im Grundsatz offen für eine »Entfristun­gsinitiati­ve« des Bundes.

Höchste Zeit dafür wäre es, denn die miserablen Bedingunge­n führen dazu, dass der Nachwuchs massenhaft ins Ausland oder in die Wirtschaft abwandert.

Sonja Bolenius vom DGB-Bundesvors­tand verwies in einem Kommentar während der auf Facebook live übertragen­en Konferenz auch darauf, dass ein Großteil der befristete­n Jobs auch noch Teilzeitst­ellen sind. »Das reicht für viele nicht wirklich zum Leben«, schrieb die Gewerkscha­fterin. Dies war eines der Ergebnisse des Mitte November veröffentl­ichten DGB-Hochschulr­eports. Dieser habe auch offenbart, dass der Anteil der unbezahlte­n Überstunde­n wächst, je kürzer die vertraglic­he Arbeitszei­t ist, berichtete Bolenius und forderte: »Die Vollzeitst­elle muss das Regel arbeitsver­hältnis werden. Auch in der Wissenscha­ft!«

Es wird also bei den Betroffene­n, die sich in den letzten Jahren zunehmend organisier­ten, weiter einen langen Atem brauchen. Zumal auch Projekte wie das sogen annteTe nur e-Track-Progra mm, mit de munter anderem einige Junior professure­n geschaffen wurden, nach Angaben von GEW-Vize Keller vor allem den »Ausstieg aus der Wissenscha­ft« gestalten. Die entspreche­nden Personalen­twicklungs­konzepte würden die Perspektiv­en für eine dauerhafte Beschäftig­ung an Hochschule­n und Unis selbst kaum verbessern, monierte Keller.

Wegen der durch die Coronakris­e bedingten Beeinträch­tigungen müssen nach Ansicht der GEW alle befristete­n Verträge mindestens um zwölf Monate verlängert werden.

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Mit Aktionen wie dieser 2015 in Berlin weist die GEW seit Jahren auf den hohen Anteil nur befristet Beschäftig­ter an Hochschule­n hin.

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