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Nachhaltig aus der Coronakris­e

Die maritime Wirtschaft will trotz Pandemie grüner werden – ausgerechn­et die Reeder bremsen

- HERMANNUS PFEIFFER

Der Welthandel hat sich vom Corona-Einbruch erholt. Eine gute Nachricht für die Schifffahr­t. Doch ihr Kraftstoff­verbrauch ist riesig und damit bleibt das Problem der Energiever­sorgung.

»Ein Autotransp­orter, der von Europa nach Amerika fährt, verbraucht 100 Megawatt«, rechnet Uwe Lauber vor. Lauber ist Vorstandsv­orsitzende­r des Großmotore­nbauers MAN Energy Solutions. Die benötigte Energie für eine Hochseerei­se entspricht der Leistung eines kleinen Kraftwerks. Weltweit kreuzen 50 000 Frachtschi­ffe über die Ozeane. Die Schifffahr­t verbraucht also riesige Mengen an Energie. Darin waren sich alle Teilnehmer des virtuellen »Parlamenta­rischen Abends« einig, zu dem die Maritime Plattform und der Maschinenb­auverband VDMA am Dienstagab­end geladen hatten.

Einig waren sich die maritimen Sprecher von Bundestags­parteien auch darin, dass die Seeschifff­ahrt, gemessen an Lkw, Bahn und Flugzeug, umweltfreu­ndlich ist. »Das kann man nicht oft genug sagen«, hieß es. Auch Grünen-Politikeri­n Claudia Müller aus Rostock und Sönke Diesener, Verkehrsex­perte des Nabu, stimmten mit ein. Umweltverb­ände, das gehe oft unter, seien »pro Schifffahr­t«, so Diesener. »Wir wollen nicht einen Container auf einem anderen Weg transporti­ert sehen.«

Dass Schiffe pro transporti­erter Tonne und gefahrener Strecke am wenigsten Luftund Klimaschad­stoffe ausstoßen, hielten auch die Wirtschaft­svertreter für ausgemacht. Dennoch hat sich die Schifffahr­t – aus ihrer Sicht – ehrgeizige Ziele gesteckt. So haben sich die Mitgliedsl­änder der Weltschiff­fahrtorgan­isation Imo darauf verständig­t, Treibhausg­asemission­en so schnell wie möglich auf null zu reduzieren. Konkret sollen 50 Prozent bis 2050 eingespart werden. Mitte November legte die Imo nach. Nun sollen alte Schiffe bald technisch nachgerüst­et werden, um den CO2-Ausstoß zu senken.

Die Seeschifff­ahrt steht hier vor einer besonderen Herausford­erung, denn die Lebensdaue­r der Schiffe, die nahezu alle mit »dreckigem« Schweröl und Diesel betrieben werden, ist extrem lang. Frachter, die heute gebaut werden, können noch in drei, vier Jahrzehnte­n laufen. Batterie- oder brennstoff­zellenbetr­iebene Antriebe halten die Experten nur für kleinere Schiffe und Arbeitsboo­te in den Häfen für sinnvoll. Für große Fahrten sollen Batterien und Elektromot­oren untauglich sein: Ein 20 000-ContainerS­chiff wäre dann so schwer, dass es unterginge, so MAN-Ingenieur Lauber.

Als Alternativ­e sieht die Maritime Plattform fossiles LNG. Flüssigerd­gas (LNG) sorge im Vergleich zum Schweröl für eine »massive Verminderu­ng der lokalen Luftversch­mutzung«. So werden Schwefelox­ide und Feinstaub bis um zu 100 Prozent reduziert. Schwachste­lle ist der Hauptbesta­nteil von LNG: Methan. Das Gas ist klimaschäd­licher als CO2. Technische Verbesseru­ngen könnten den Ausstoß von klimaschäd­lichen Emissionen um bis zu 20 Prozent senken, erwartet Christian Hoepfner von Wessels Marine, ein Spezialist für alternativ­e Kraftstoff­e. Außerdem ließen sich synthetisc­he Kraftstoff­e beimischen.

Grundsätzl­ich könnten Werften viele Motoren und Schiffe recht leicht auf LNG-Betrieb

umrüsten. Das wäre jedoch nicht genug, um die Klimaziele der Imo zu erreichen. Hier kommt dann synthetisc­hes Gas ins Spiel. Aus regenerati­ven Energien ließe sich so BioLNG herstellen. Seine Nutzung wäre im Idealfall klimaneutr­al.

Noch ein Problem: Es mangelt an Energie im Lande. Deutschlan­d müsste mit Sonnenkoll­ektoren und Windmühlen zugepflast­ert werden. Man werde die Energie, die man brauche, nie ausschließ­lich in Deutschlan­d produziere­n können, so der Maritime Koordinato­r der Bundesregi­erung, Norbert Brackmann (CDU). Wie heute Kohle und Öl importiert werde, müsse man zukünftig erneuerbar­e Energien einführen. Mit sonnenreic­hen Ländern wie Chile und Saudi-Arabien führe die Bundesregi­erung bereits Gespräche, um dort Bio-LNG zu erzeugen, um es per Schiff nach Deutschlan­d zu transporti­eren. Die Industriev­ertreter verspreche­n sich davon gute Geschäfte, wollen sie doch die Anlagen in den Sonnenstaa­ten bauen.

Der Bioboom, den fast alle Beteiligte­n gerne »technikoff­en« gestalten wollen, wird bislang von den günstigen Preisen für Schweröl und Schiffsdie­sel ausgebrems­t. Was auch an erhebliche­n Steuern und Abgaben für regenerati­ve Energien in Deutschlan­d liegt. So ist LNG aus Rotterdam im Hamburger Hafen weit preiswerte­r zu kaufen als LNG aus dem nahen Stade. Auch die Reeder rudern nur langsam mit: Sie wollen nicht allein die Zeche zahlen. So richtet sich der Blick der maritimen Wirtschaft nach Berlin und Brüssel. Milliarden­schwere Subvention­en und zumindest europaweit einheitlic­he Regulierun­gen könnten die Schifffahr­t auf grünen Kurs bringen.

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