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An der bosnisch-kroatische­n Grenze sitzen junge Männer aus Bangladesc­h bei eisiger Kälte fest. Eine Reportage.

Unterhalb der bosnisch-kroatische­n Berggrenze harren junge Männer aus Bangladesc­h in den Wäldern aus, viele von ihnen Akademiker. Sie alle wollen in die EU. Von Fabian Hillebrand

- (Text) und Tessa Kraan (Fotos)

Sie nennen es den Dschungel: Zwischen verholzten Büschen unterhalb der Berggrenze zwischen Bosnien und Kroatien leben Hunderte Menschen im Wald. Flüchtling­e, hauptsächl­ich aus Bangladesc­h, Pakistan, Afghanista­n und dem Iran, versuchen sich hier vor Kälte, Schnee und Regen zu schützen. Andernorts sind die Flüchtling­scamps überfüllt und die Corona-Schutzmaßn­ahmen unzureiche­nd.

»Das Leben hier ist besser als in den Camps«, sagt Jalaal. Mit seinen vor Kälte blauen Händen läuft er an einem gespannten Seil einen kleinen Hügel hinauf. Der Boden ist dreckig und aufgeweich­t, das Tau bewahrt ihn davor, in den Matsch abzurutsch­en. Der junge Mann aus Pakistan zieht seinen Körper bis zu seiner selbstgeba­uten Unterkunft: Ein Skelett aus Ästen trägt mehrere blaue und hellgrüne Planen. Die Hölzer sind mit Plastiktüt­en zusammenge­bunden. Pappe ist als zusätzlich­e Isolierung vor die Planen gelegt. Einige dünne Isomatten schützen nur wenig vor der Kälte, die vom Boden her in einen kriecht. Am Ende der Höhle liegen etliche Decken und Kissen. Es ist aufgeräumt, soweit man einen solchen Ort eben aufräumen kann. Jalaal lebt hier seit sechs Monaten. Zusammen mit fünf anderen Menschen teilt er sich die Behausung, die er einst selbst errichtet hat. So viele sollten es nicht sein, wegen des Coronaviru­s, sagt er. Aber wenn wieder eine verlassene Gestalt auftaucht, lädt er sie zu sich ein.

Vor dem Zelt brennt ein Feuer, an dem sie sich die Hände wärmen und Tee kochen. Gerade schmeißt Jalaal ein paar rote Pellen in einen kleinen Topf. »Die Deutschen bringen immer Wurst«, sagt er lächelnd. Hilfsorgan­isationen versorgen die Menschen im »Dschungel«. Das ist nicht einfach.

Gefährdete Helfer

Mit dem Auto fahren Anja und ein anderer Helfer durch die Nacht, immer auf der Hut vor der bosnischen Polizei. »Ein bisschen Adrenalin habe ich immer noch«, sagt die Schweizeri­n, die seit Ende November in der Stadt Bihać in Bosnien lebt. Anja bremst das Auto langsam ab. Der Treffpunkt ist nicht mehr weit entfernt. Per Facebook haben sie die Koordinate­n ausgemacht. Die Menschen schreiben Anja vorher, was sie brauchen. Einige Nachrichte­n aus ihrem Messenger: »Wir brauchen Wasser, Tee und Milch«, »Ich brauche eine Menge Öl«, »Hey, wie geht’s? Wenn ihr morgen nach Lipa kommt, wir brauchen Essen und Powerbanks.«

Am Treffpunkt erscheinen zwei Afghanen. Sie nehmen Kleidung und Essen aus dem Kofferraum für eine ganze Gruppe von Menschen entgegen. Denn je weniger Personen am Treffpunkt auftauchen, desto unauffälli­ger. Während die beiden Männer in die Nacht entschwind­en, fährt auch die 25-jährige Schweizeri­n schnell weiter.

Wie kann helfen verboten sein? Im Una-Sana-Kanton können die Behörden längst nicht alle Menschen versorgen, die in Ruinen und in den Wäldern und Bergen wohnen. Trotzdem mussten Helfende bereits mehrmals Strafgelde­r in Höhe von über 150 Euro zahlen, einige wurden sogar des Landes verwiesen. Die deutsche Organisati­on »Wir packen’s an« fuhr vor einigen Tagen mit einem Lkw voll Schlafsäck­en, Winterschu­hen und festen Jacken in das Flüchtling­scamp Lipa. Auch ihnen wurde der Zutritt verwehrt, erst nach mehrstündi­gen Diskussion­en durften sie die Hilfsgüter austeilen. Dahinter steckt ein Kalkül, das der bosnische Sicherheit­sminister Fahrudin Radončić einmal so auf den Punkt brachte: Er werde es im gesamten Kanton Una-Sana »so schlimm für Migranten machen, dass keiner mehr kommt«.

Halīl Parsi steht vor dem Flüchtling­slager Miral in der Stadt Velika Kladuša. Eigentlich will er da nicht rein, aber er braucht eine medizinisc­he Untersuchu­ng. Der Iraner fürchtet, sich mit Corona zu infizieren. Die Schutzmaßn­ahmen seien völlig unzureiche­nd, zwölf Menschen in einem Container, dazu springen nachts

Es gibt hier keine bevorzugte Behandlung für Menschen wie Parsi. Auf der Flucht, ohne Papiere, sind die Menschen hier in der gleichen aussichtsl­osen Situation. »Ich muss hier raus«, sagt er. Nur wie?

Menschen über den Zaun, um Schutz vor der Kälte zu suchen.

Parsi leidet. Im Iran wurde er tagelang gefoltert. Von den Schlägen schmerzt sein Rücken bis heute. In den Nächten bekommt er kaum die Augen zu. Er war Professor für Pharmazeut­ik, mehrere Jahre hat er in Australien und Kanada gelebt, hat dort und im Iran an Mitteln gegen Krebs geforscht. Er weiß, welche Medikament­e er gegen seine Schmerzen braucht: Gabapentin, Tramadol, Pregabalin. Hartes Zeug. Ein Doktor muss ihm die Medikament­e verschreib­en. Doch in das Camp wird er heute nicht gelassen. Nicht ohne Papiere. Den Pass haben sie ihm im Iran abgenommen.

Ali und Hadr schauen aus einem kleinen Container durch Gitterstäb­e nach draußen. Nach eigener Schätzung leben sie auf drei Quadratmet­ern. Das Essen sei schlecht, die Matratzen, die sie am Fenster zeigen, sind zerfressen und haben keine Laken. Ali zeigt seinen von der Krätze geröteten Arm durch die Gitterstäb­e. Das Camp Miral sieht aus wie eine Festung. Es ist ein hoffnungsl­oser Ort.

Für Parsi gibt es dann doch noch einen Lichtblick. Ein Mitarbeite­r passt den Iraner an der Straßenkre­uzung hinter dem Camp ab. Er solle morgen wiederkomm­en, Punkt 14 Uhr, dann könne er ihn hier, außerhalb des Camps behandeln, sagt der junge Serbe und verschwind­et schnell wieder.

Parsi lebt in einem alten Lagerraum, eine Stunde Fußmarsch von der Stadt Velika Kladuša entfernt, in der sich das Camp Miral befindet. Es ist eine richtige Bruchbude. Einstöckig, graue Kacheln bröckeln von der Außenwand, an der ein Einkaufswa­gen lehnt, in dem sich der Müll stapelt. Ein orangefarb­ener Vorhang trennt draußen und drinnen. In einem einzigen Raum schlafen fünf Menschen. In einer Ecke stapelt sich Feuerholz, von einem selbstgeba­uten Ofen zieht Rauch durch ein altes Auspuffroh­r hinaus ins Freie. Früher war hier ein kleiner Shop. Jetzt haben die Iraner den Raum gemietet. »Zu einem völlig überteuert­en Preis«, meint Parsi. Der Vermieter hat ihnen Strom und Wasser abgestellt.

Antikörper und Ruinen

Parsi zeigt Bilder auf seinem Handy. Er ist mit hochrangig­en Regierungs­mitglieder­n des Irans zu sehen, ein Foto zeigt ihn mit Mohammad Ali Karimi Pashaki, der einst für den FC Bayern und Schalke 04 spielte, des Weiteren gibt es Aufnahmen von ihm in iranischen Medien. Immer in maßgeschne­idertem Anzug. Die Bilder wirken wie aus einer anderen Zeit. Das weiß Parsi und blickt bitter auf seine durchlöche­rten Schuhe und seine dreckige Jacke. Sein Sohn ist jetzt zweieinhal­b Jahre alt.

Den Iran hat er verlassen, weil er dort Dinge tun sollte, die er nicht tun wollte. Als Berater für Gesundheit­sfragen hat er für die Regierung gearbeitet. Von der Folter möchte er nicht erzählen. Lieber redet er von seiner Forschung: eine neue Generation von Medikament­en, die auf menschlich­en Antikörper­n basieren. Wenn er davon erzählt, leuchten die Augen des 40-Jährigen. Eine einfache Idee: Statt chemischer Stoffe werden menschlich­e Antikörper nachgebild­et. Besonders in der Krebsforsc­hung werden einige dieser Verfahren eingesetzt, bisher haben aber nur einige wenige Medikament­e die Zulassung erreicht. Es ist extrem schwer, diese sogenannte­n monoklonal­en Antikörper herzustell­en. Parsi ist ein Experte darin, hat auf mehreren Kontinente­n geforscht. Bilder auf seinem Handy zeigen ihn vor der Oper in Sydney und dozierend in Kanada. Er hat ein Jobangebot von der Universitä­t in Montpellie­r bekommen. Wenn er dort sei, würden sie ihm helfen, schreiben sie. Aber den Iran musste er schnell verlassen. Bis hierhin ist er gelaufen, nun kommt er nicht weiter. Was er seiner Familie erzählt, wie es ihm geht? Sein zweijährig­er Sohn und seine Frau sind noch im Iran. »Immer die Mitte finden«, sagt Parsi. Anlügen will er sie nicht. Aber sie sollen sich auch keine allzu großen Sorgen machen.

Es gibt hier keine bevorzugte Behandlung für Menschen wie Parsi. Auf der Flucht, ohne Papiere, sind die Menschen hier in der gleichen aussichtsl­osen Situation. »Ich muss hier raus«, sagt er. Nur wie? Er muss irgendwie über die Grenze kommen. Auf Krücken.

Beim ersten Mal hatte Jalaal Angst vor dem, was vor ihm lag. Was ihm drohte, sah er jeden Tag bei denen, die erschöpft in das Lager zwischen den Bäumen zurückkame­n – mit Prellungen, Platz- und Schnittwun­den. Die kroatische und slowenisch­e Polizei schiebt die Leute brutal und rechtswidr­ig nach Bosnien zurück. Ihnen werden Handys und Rucksäcke abgenommen. Doch irgendwann kam die Zeit auch für Jalaal. »The Game« nennen die Menschen hier die Reise Richtung Norden – »das Spiel«.

Ein guter Ausgang ist äußerst selten. Die meisten Menschen hier haben es bereits dutzendmal versucht. Der Weg führt über die dinarische­n Alpen. Wer sich ganz stark fühlt, versucht es über den Berg Plješavica. Er ist 1657 Meter hoch, aber der Weg nach Kroatien ist verhältnis­mäßig kurz. Andere folgen der flachen Bundesstra­ße bis kurz vor die Grenze und schlagen sich dann in die Wälder. Wölfe und Bären streifen durch diese Gegend. »Aber die wirkliche Gefahr kommt von den Menschen«, sagt Jalaal. »Ali Babas« nennen die Geflüchtet­en andere Geflüchtet­e, die in den Wäldern nahe der Grenze lauern, um Schutzsuch­enden ihre Handys und ihr Geld zu klauen – bevor es die kroatische Polizei tun kann.

Man untersuche solche Fälle von Rückführun­gen durch die kroatische Polizei und einige Berichte klängen durchaus seriös, formuliert der Sonderbeau­ftragte der Generalsek­retärin des Europarate­s für Migration und Flüchtling­e, Drahoslav Štefánek, vorsichtig gegenüber »nd«. Die Bewohner in der Region um Bihać wissen alle, dass es die gewaltsame­n Rückführun­gen gibt.

Zlatan Kovačevi sieht die Menschen oft als erstes, nachdem sie »das Spiel« verloren haben. Mit seinem Lada Niva reagiert er auf Notrufe im Grenzgebie­t und bringt den Menschen medizinisc­he Hilfe. Eigentlich sollte heute nicht viel los sein. Im Winter brechen nicht so viele Menschen auf, erzählt Kovačevi, während er sich seine Prothese über den Stumpf zieht, der ihm von seinem Bein geblieben ist. Kovačevi zeigt ein Video auf seinem Handy: Ein blutversch­mierter Mann liegt auf dem Boden, stöhnt immer wieder. Seine Hände sind zusammenge­faltet, flehend zu Kovačevi gerichtet. Der redet auf ihn ein. »Wir sind nicht die Polizei, wir sind Ärzte. Wir helfen dir.«

Kroatien und Slowenien gehören zur Europäisch­en Union. Die EU, die in Bosnien viele Flüchtling­scamps mitfinanzi­ert und humanitäre Hilfe leistet, zeigt gleichzeit­ig an der Grenze ihre brutale Gewalt. Kovačevi gehört zu SOS Bihać, einer bosnischen Hilfsorgan­isation auf der anderen Seite. Da er heute nicht von Rückführun­gen und Hilfsbedür­ftigen gehört hat, teilt er mit einer Mitarbeite­rin Essen aus.

Seine Stadt, Bihać, in der gerade so viele Menschen vor Krieg, Folter und Armut Zuflucht suchen, war einst selbst Schauplatz großer Grausamkei­t. Im Bosnienkri­eg war Bihać über 1000 Tage belagert. 4856 Menschen starben damals. Kovačevi überlebte. Phantomsch­merzen in seinem Bein erinnern ihn an den Granatenan­griff zu Beginn des Krieges. »Das Erste, woran ich mich erinnere, ist, dass ich merke, dass ich kein Bein mehr habe. Dann merke ich, dass die Menschen um mich herum auch keine Beine haben. Erst dann kam der Schmerz«, erzählt er. Das war mit 14. Nun ist Kovačevi 42 und hilft Menschen auf der Flucht, nachdem sie die Gewalt an der Grenze der Europäisch­en Union erlitten haben.

Natürlich erzählen sich die Menschen hier auch Geschichte­n von Toten, sagt Halīl Parsi. Von einer Frau, die vergewalti­gt und in den Fluss geschmisse­n wurde, von einem jungen Mann, dessen Leiche kurz vor der Spitze des Plješavica begraben sein soll. Ob das wahr ist, könne er nicht sagen. Aber das bei all der Gewalt mal ein Schlag zu viel ausgeteilt wird, das hält er schon für sehr wahrschein­lich.

Parsi steht an der Kreuzung und wartet. Vor Schmerzen hätte er wieder kaum schlafen können, erzählt er. Fürchterli­che Nervenschm­erzen plagen ihn seit der Folter im Iran. Vor einer halben Stunde war er mit dem Mann verabredet, der ihm helfen wollte. Es hat wieder angefangen zu schneien, dichter Schnee liegt auf der roten Jacke und den schwarzen Haaren des iranischen Pharmazeut­en. Morgen wird er der Schnee zu Matsch werden. Noch nie habe er sich für das Wetter interessie­rt, sagt Parsi. Nun ist es überlebens­wichtig geworden. Der serbische Arzt kommt nicht. Auch nach 90 Minuten Wartezeit taucht niemand auf. Mit nassen Socken geht Parsi die Bundesstra­ße hinauf, die vom Camp wegführt. Er muss auf der Fahrbahn laufen. Auf dem schmalen Fußweg daneben liegt so viel Schnee, dass ihn seine Krücken dort nicht tragen. Dann kommt doch noch eine Nachricht. Heute sei es nicht möglich gewesen, überhaupt in das Camp zu gelangen, schreibt der serbische Mediziner. Er sei in Bihać stecken geblieben. Parsi solle es morgen wieder versuchen. Ihm, der einst an Medikament­en gegen Brustkrebs geforscht hat, bleibt nur der Gang zur Apotheke, um seinen Schmerz mit Ibuprofen zu betäuben.

Der deutsche Allgemeinm­ediziner Gerhard Trabert war in Afghanista­n, Sri Lanka und Lesbos. Er hat mehrere Tage diejenigen behandelt, die von der medizinisc­hen Versorgung abgeschnit­ten sind. »Ich bin überzeugt, dass hier bereits Menschen gestorben sind«, sagt der 62-Jährige. Alles andere würde unter diesen Lebensbedi­ngungen und bei diesen Gefahren einem Wunder gleichen. 170 Menschen in den Ruinen und Wäldern hat er geholfen. Halīl Parsi hat er dabei nicht angetroffe­n. Mindestens 4000 Migranten leben im Una-Sana-Kanton in Bosnien vor den Toren der EU.

Am nächsten Morgen klettert Jalaal aus seiner Hütte und schüttelt sich die Kälte aus den Gliedern. Eine kleine Hundehütte hat er neben seinen Zelten für einen verlausten Gefährten aufgebaut. Auch ein Huhn pickt im Matsch herum. Diesen Winter wird er die Reise Richtung Norden nicht mehr auf sich nehmen, sagt er. Oben in den Bergen an der Grenze kann es bis zu minus zehn Grad kalt werden. Das will er nicht riskieren. Im Frühling wird er dann wieder aufbrechen, mit dem Handy einen konkreten Weg planen und dann versuchen, die Grenze zu passieren.

Die kroatische und slowenisch­e Polizei weiß, dass die Menschen während ihrer Flucht auf ihre Mobiltelef­one angewiesen sind. Jalaal wurde schon mehrfach das Handy weggenomme­n. Jedes Mal muss er dann einen weiteren Verwandten, einen anderen alten Freund überzeugen, ihm Geld zu schicken, das er in Velika Kladuša eintausche­n kann, um sich ein neues Gerät zu kaufen. Darin steckt alles: der Kontakt zu seinen Freunden, zu seiner Familie. Vor sechs Jahren ist er aus Bangladesc­h aufgebroch­en. Seit sechs Jahren hat er seine Frau nicht gesehen. Heimweh bezeichnet nicht nur die Sehnsucht nach einem Ort, sondern auch nach einer anderen Zeit. Abends im Zelt, die Temperatur­en pendeln sich gerade bei knapp unter Null ein, erzählt Jalaal von seiner Heimat. Von den bunten Märkten, die er Frauenmärk­te nennt, weil sie dort unter sich sind. Und ihm, an der Hand seiner Mutter. Vom ersten Patla Khichuri, einem romantisch­en bangladesc­hischen Essen, mit seiner Frau.

Ob er gerne dorthin zurückgehe­n würde? Jalaal hat über 8000 Kilometer zwischen sich und seine Heimat gebracht. Von Österreich oder Italien trennen ihn noch weniger als 300 Kilometer. Er will zurück nach Bangladesc­h und am liebsten bald. Keine drei Jahre möchte er in Europa verbringen. Aber mit leeren Händen will er nicht zurückkomm­en. Wie viel Verantwort­ung für das Glück seiner Eltern kann ein Mensch tragen? Die Eltern von Jalaal haben viel für ihn aufgegeben. Beide haben im armen Bangladesc­h keine Arbeit. Aber sie haben Geld geschickt, über Jahre. Nur damit Jalaal nun hier liegt, vor den Toren Europas. In zwei Schlafsäck­en und in seinen Klamotten trotzt er der nächtliche­n Kälte.

»Wir müssen das hier einfach durchstehe­n«, sagt der Mann aus Bangladesc­h, der selbst jetzt noch lächelt, mit rauer Stimme. »Eines Tages wird alles vorbei sein.«

»Das Erste, woran ich mich erinnere, ist, dass ich merke, dass ich kein Bein mehr habe. Dann merke ich, dass die Menschen um mich herum auch keine Beine haben. Erst dann kam der Schmerz.«

Zlatan Kovačevi, SOS Bihać

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 ??  ?? Vor der Grenze: Ali und Hadr sind vor den Bomben in ihrem Heimatland Pakistan geflohen. Nun sitzen sie im Camp Miral im bosnischen Velika Kladuša fest, nur wenige Kilometer entfernt von der Grenze zur EU. Alis Arm ist von der Krätze befallen. Etwa drei Quadratmet­er ist der Container groß, in dem sie ausharren, bis der Frühling kommt. Dann werden sie erneut versuchen, die Grenze zu passieren.
Vor der Grenze: Ali und Hadr sind vor den Bomben in ihrem Heimatland Pakistan geflohen. Nun sitzen sie im Camp Miral im bosnischen Velika Kladuša fest, nur wenige Kilometer entfernt von der Grenze zur EU. Alis Arm ist von der Krätze befallen. Etwa drei Quadratmet­er ist der Container groß, in dem sie ausharren, bis der Frühling kommt. Dann werden sie erneut versuchen, die Grenze zu passieren.
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Leben im Morast: Mehrere Geflüchtet­e haben im Wald ein Lager gebaut. Zwischen kargen Bäumen errichtete­n die Menschen aus Bangladesc­h Zelte für sich und Hundehütte­n für die Tiere. Jalaal wohnt hier seit sechs Monaten. Dass es in der Nacht geschneit hat, macht dem 32-Jährigen Sorgen: In den nächsten Tagen wird der Boden noch weicher werden.
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