nd.DerTag

Zurück zum Beton

- Jha

Nicht nur in Berlin, auch in Kaliningra­d trieben die Hohenzolle­rn ihr Unwesen – inklusive Schloss. Im Krieg beschädigt, wurde es später gesprengt. Ende der 60er Jahre entstand an diesem Ort das berühmte Haus der Sowjets, ein 21-stöckiges Hochaus. Das an einen Roboterkop­f erinnernde Gebäude wurde allerdings zum Symbol des Stillstand­s der späten Sowjetunio­n. Bis 1991 konnte es nicht fertiggest­ellt werden. Ebenso symbolisch stand es für die folgende Epoche. Mehrfach privatisie­rt und verkauft, unter anderem an eine Offshore-Firma in Panama, verfiel der Bau weiter. 2015 wurde der untere Teil im Rahmen eines Kunstfesti­vals bespielt, im gleichen Jahr wurde bereits ein Teil des dortigen Hohenzolle­rn-Schlosses rekonstrui­ert. Nun steht allerdings, obwohl das Haus der Sowjets als Ikone des Brutalismu­s gilt, dessen Abriss kurz bevor. Was dann dort stehen soll, wurde nicht bekannt gegeben. Ein Shoppingce­nter? Das wiederaufg­ebaute Schloss? Man weiß es nicht, aber man fürchtet: nichts Gutes.

Der Brutalismu­s verbreitet­e sich weltweit ab den 50er Jahren, »New Brutalism« und »Béton brut« waren die Schlagwort­e: Sichtbeton, klare Form, soziale Funktion. In den vergangene­n Jahren hat sich mit zahlreiche­n Ausstellun­gen und Sammelbänd­en ein neues Interesse an der Architektu­r der Brutalismu­s entwickelt. Unter den Publikatio­nen ist vor allem der »Atlas of Brutalist Architectu­re« hervorzuhe­ben. Nie sah Beton schöner aus, nie drang deutlicher ins Massenbewu­sstsein, dass man Utopien wirklich bauen kann. Das noch heute kursierend­e Vorurteil gegen die brutalisti­sche Moderne dürfte sich aus biederer Bürgerlich­keit speisen, also aus dem Geist, der mittelalte­rliche Innenstädt­e, Kirchen und Schlösser rekonstrui­ert.

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Foto: imago-images/ITAR-TASS

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