nd.DerTag

Ich komme mit Feminismus in dein Feuilleton

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Es gibt Wesen auf der Welt, deren Lunte ist noch kürzer als die von Männern. Die Rede ist von Männern, die Fans sind. In der »South Park«-Staffel aus dem Jahr 2000, die ich gerade schaue, gibt es eine Folge, in der zwei »Star Trek«-Fans eine Zeitmaschi­ne bauen. Das funktionie­rt auch, doch vor dem zweiten Einsatz zerstreite­n sich die beiden Trekkies darüber, ob »Enterprise« 74 oder 75 Folgen hatte. Beleidigt bunkern sie sich zu Hause ein. Nun ist »South Park« in der Vergangenh­eit nicht durch kluge Interventi­onen zum Geschlecht­erverhältn­is aufgefalle­n. Anders gesagt: sogar Nicht-Feministen bemerken die Obsession von Fans.

Ich habe zuletzt einmal über »Star Trek: Discovery« und einmal über die Videospiel­reihe »The Legend of Zelda« geschriebe­n. Wenn man Meinungsbe­iträge schreibt, bedenkt man beim Argumentie­ren immer mit, welche Einwände gegen die aufgestell­ten Behauptung­en naheliegen­derweise eingebrach­t würden. Im Regelfall entstehen die besseren Texte dadurch, dass man solche potenziell­en Einwände wenigstens implizit bereits im Text beantworte­t, sozusagen vorauseile­nd. Ich glaube jedoch mittlerwei­le, dass bei feministis­cher Kulturkrit­ik das Gegenteil der Fall ist: Es ist hier manchmal das »Weniger« an »Differenzi­erung«, das die Bruchlinie­n zwischen patriarcha­lem Beharrungs­vermögen und Emanzipati­on freilegt. Vielleicht schreibe ich also in Zukunft noch mehr so, als hätte ich die ein oder andere Facette am Werk gar nicht zur Kenntnis genommen. Interpreti­eren Sie das gern als Versuch, Sie zur Weißglut zu treiben.

Im Fall der »Zelda«-Kolumne kam die Tage ein überhaupt nicht unbedeuten­der Kollege im Videospiel­journalism­us auf Social Media bei mir vorbei gesurft und versuchte, wie er später erklärte, »nur höflich sachliche Kritik« loszuwerde­n. Das lief binnen drei (!) Sätzen darauf hinaus, zu fragen, ob ich das Spiel womöglich gar nicht gespielt hätte. Danach folgten noch mal Erklärunge­n: immerhin müsse ich beim Spielen dieses und jenes mitbekomme­n haben, das meiner im Artikel dargelegte­n Kritik widersprec­he. Ergo »darf ich Dich durchaus fragen, ob Du es vielleicht nicht oder nicht ausreichen­d gespielt hast ...«, wie er wiederholt­e. Frauen* in gönnerhaft­em Ton zu profession­ellen Hochstaple­rinnen zu erklären, daraus spricht stets die ganze Arroganz der eigenen, unbewusste­n Privilegie­rtheit.

Die Argumentat­ion: Prinzessin Zelda ist 100 Jahre mit dem Oberdämon Ganondorf in einem Turm eingesperr­t. Sie bannt ihn in ein schwächer werdendes magisches Siegel. Seine Untertanen verwüsten derweil die Welt. In dieser Zeit schlummert der Held, erwacht, erlebt sein Abenteuer (die Spielhandl­ung) und erreicht im letzten Moment, da das Siegel zerbricht, den Turm. Er ringt das Böse mit Schwert und Bogen nieder und verhindert so, dass die Prinzessin bei lebendigem Leib verspeist wird. Zelda wirkt dann im Abspann den entscheide­nden Zauber. Auch viele andere Kommentato­r*innen, vorwiegend Männer, wollten darin keine Geschichte einer »Jungfrau in Nöten« erkennen: Zelda sei in den 100 Jahren ja gar nicht »passiv« gewesen. Das ist eine interessan­te Interpreta­tion vor dem Hintergrun­d, dass viele Leute gerade keine acht Wochen mit ihren Nintendos zu Hause eingesperr­t sein können, ohne das Leben ihrer eigenen Oma gegen einen Besuch in der Kneipe eintausche­n zu wollen.

Was die »Star Trek«-Kolumne angeht, so erreichten mich auch Wochen später noch E-Mails von Männern, die darauf hinwiesen, dass die in der Serie dargestell­ten Vergewalti­gungen ja gar keine Vergewalti­gungen, sondern konsensuel­ler Sex gewesen seien. Ein Leserbrief­schreiber riet: »Bitte noch mal nachrecher­chieren und den Artikel überarbeit­en oder am besten aus dem Netz entfernen« – als würde die bemerkensw­erte Differenzi­erungsfähi­gkeit von Männern beim Thema Vergewalti­gung dem Statement des Feminismus widersprec­hen. Zur Würdigung auch solcher Zuschrifte­n enthält diese Kolumne darum einen sachlichen Fehler. Der Fan, der ihn findet, kriegt nach der Pandemie kein Bier von mir ausgegeben.

Jeja nervt

Jeja Klein ist eine dieser Gender-Personen aus dem Internet und nörgelt einmal die Woche an Kultur und Politik herum. dasND.de/jejanervt

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