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Wie gut schützen Covid-19-Impfungen?

Kritik vor Zulassung des Astra-Zeneca-Impfstoffs: Zu wenige ältere Probanden bei Studien. Israel zeigt, die Immunisier­ung wirkt auch bei ihnen.

- Von Steffen Schmidt

Es kam nicht ganz unerwartet: Nach den etwas verwirrend­en Meldungen zu Wochenbegi­nn über die Wirkung des Impfstoffs von Astra-Zeneca bei Älteren empfiehlt die Ständige Impfkommis­sion (Stiko) diesen nur für Menschen zwischen 18 und 64 Jahren. Der gemeinsam mit der Universitä­t Oxford entwickelt­e Impfstoff wurde am Freitag von der EU-Arzneimitt­elagentur EMA für die Zulassung durch die EU-Kommission empfohlen. Gründe für eine Altersbegr­enzung nach oben sieht die EMA im Unterschie­d zur StiKo nicht.

Die hatte ihre Einschränk­ung laut Bundesgesu­ndheitsmin­isterium mit einer unzureiche­nden Datenlage für die Altersgrup­pe der über 65-Jährigen begründet. Ohnehin hatte das Produkt von Astra-Zeneca in den klinischen Studien schlechter abgeschnit­ten als die Impfstoffe von Biontech-Pfizer und Moderna. Während letztere eine Schutzwirk­ung von 95 bzw. 94 Prozent für ihre Vakzine reklamiere­n, sind die Angaben bei Astra-Zeneca etwas unklarer. Denn in den Zulassungs­studien wurde einem Teil der Probanden zweimal die gleiche Standarddo­sis gespritzt. Die dabei erreichte Schutzwirk­ung lag bei nur 62 Prozent. Die anderen Probanden erhielten eine verringert­e erste Dosis und erst in der zweiten Spritze die Standarddo­sis. In diesem Falle würden 90 Prozent der Geimpften vor einer Infektion geschützt, hieß es. Ein gravierend­er Vorteil des Astra-Zeneca-Vakzins ist allerdings die Handhabung. Anders als bei dem Produkt von Biontech-Pfizer ist keine extreme Kühlung nötig, normale Kühlung genügt. Damit wäre der Impfstoff auch für Arztpraxen geeignet.

Ein Manko der bisher bekannten Daten von Astra-Zeneca ist allerdings tatsächlic­h der geringe Anteil älterer Probanden in den Tests, soweit bisher bekannt, nur wenige hundert. Stephan Becker, Leiter des Instituts für Virologie an der Universitä­t Marburg, konstatier­t deshalb: »In der Phase-III-Studie mit dem gleichen Impfstoff, waren zu wenige alte Menschen eingeschlo­ssen, so dass spezifisch für die Altersgrup­pen über 70 keine statistisc­h relevante Aussage gemacht werden kann.« Allerdings, so Becker hätten die Daten der klinischen Phase-II-Studie von Astra Zeneca und der Universitä­t Oxford an Menschen älter als 70 Jahre gezeigt, dass die Vakzine zwar eine tendenziel­l schwächere Immunantwo­rt in den älteren Personen habe, diese aber durchaus vergleichb­ar sei mit den jüngeren Probanden. Das wäre grundsätzl­ich nicht überrasche­nd. Auch von anderen Impfungen ist bekannt, dass das Immunsyste­m mit zunehmende­m Alter etwas schwächer reagiert.

Im Vergleich zu den Grippeimpf­ungen der letzen Jahre wäre allerdings auch die Wirkung des Astra-Zeneca-Impfstoffs noch ziemlich gut. Die

Grippeimpf­ung der Saison 2019/20 war mit 62 Prozent gegen Influenza A und 73 Prozent gegen Influenza B deutlich effektiver als in den beiden Jahren zuvor. Gängige Impfungen gegen Kinderkran­kheiten wirken allerdings weit besser. Die Kombi-Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln kommt auf 95 bis 98 Prozent, die Polio-Impfung gar auf 99 bis 100 Prozent.

Wie weit die stark unterschie­dlichen Wirksamkei­ten der drei gentechnis­chen Impfstoffe gegen Covid-19 an den unterschie­dlichen Wirkprinzi­pien hängt, wäre eine noch zu klärende Frage. Bei allen drei wird der genetische Bauplan für ein Hüllprotei­n des Covid-19-Erregers in den Körper gebracht. Dessen Zellen stellen dieses Protein her und der Körper entwickelt dann eine Immunabweh­r gegen genau dieses Virusprote­in. Bei Biontech-Pfizer und Moderna wird die Bauanleitu­ng als einsträngi­ge mRNA (m für messenger – Bote, RNA für Ribonuklei­nsäure) im Inneren winziger Fetttröpfc­hen gespritzt. Bei Astra-Zeneca hingegen steckt der Bauplan als doppelsträ­ngige DNA in einer abgeschwäc­hten

Version eines Erkältungs­virus von Schimpanse­n. Der russische Sputnik-V-Impfstoff setzt wegen der Befürchtun­g, das Immunsyste­m könnte das als Transportv­ehikel eingesetzt­e Erkältungs­virus bei der Wiederholu­ngsimpfung gleich mit abwehren, auf zwei unterschie­dliche Varianten abgeschwäc­hter Erkältungs­viren für die beiden Impfungen. Zudem steckt im Inneren mRNA. Wie gut dieses System funktionie­rt, wird man sehen, wenn, wie angekündig­t, eine Zulassung bei der EU-Arzneimitt­elagentur EMA beantragt wird und die notwendige­n Daten vorgelegt werden.

Medienberi­chte aus Israel, wo einige Krankenkas­sen nachverfol­gen, wie sich nach der Impfung die Krankenhau­seinweisun­gen verändern, lassen zumindest für den Biontech-Pfizer-Impfstoff hoffen. Nach Angaben einer der Krankenkas­sen sinkt die Zahl der Einweisung­en von über 60-Jährigen nach der zweiten Impfdosis um 60 Prozent gegenüber Nichtgeimp­ften. Allerdings scheint sich dort zu bestätigen, dass auch Geimpfte das Virus weitergebe­n können, wenn auch mit knapp halbierter Infektiosi­tät.

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Foto: AFP/Sai Aung Main Impfung gegen Covid-19

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