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Schwarze Dichterin

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Die Poetin und Aktivistin kam 1984 nach Berlin, um an der Freien Universitä­t zu unterricht­en. Sie lebte mit ihrer Partnerin Gloria Joseph bis zu ihrem frühen Tod im November 1992 wiederholt in der Stadt. Dabei traf sie auf eine Gruppe Schwarzer Aktivistin­nen mit der Dichterin und Dozentin May Ayim, der Künstlerin und Autorin Ika Hügel-Marshall und der Autorin Helga Emde. Diese Gruppe, die den Begriff afrodeutsc­h prägte, gilt vielen als Begründeri­n der Schwarzen Bewegung in Deutschlan­d.

1934 geboren, war sie im New Yorker Stadtteil Harlem aufgewachs­en. Früh lernte sie von ihrer Mutter lesen und schreiben und besuchte später die Hunter-College-Highschool, eine Schule für hochbegabt­e Kinder in der Upper Eastside in Manhattan. Bereits als Kind und Jugendlich­e nutzte sie die Ausdrucksf­orm der Poesie. Eins ihrer Gedichte reichte sie beim Literaturm­agazin ihrer Schule ein – es wurde abgelehnt. So veröffentl­ichte sie es stattdesse­n im Teenagerma­gazin »seventeen«.

Zwischen dem Schulabsch­luss 1959 und ihrem späteren Uniabschlu­ss an der Colombia-Universitä­t verbrachte sie einige Zeit an der Universida­d Nacional Autónoma de México. Später beschrieb sie, wie wichtig diese Zeit vor allem für ihre künstleris­che und persönlich­e Entwicklun­g gewesen war, als lesbische Frau und als Dichterin.

Zurück in New York entdeckte sie die queere Community in Greenwich Village für sich. Sie arbeitete als Bibliothek­arin, schrieb und veröffentl­ichte weiterhin poetische und andere Texte, beendete ein Masterstud­ium und wurde Leiterin einer Bibliothek. 1968, nach Erscheinen ihres ersten Gedichtban­des, bekam sie einen Platz im Programm für Schriftste­llerinnen am Tougaloo-College, einem historisch Schwarzen Afroamerik­anischen College in Mississipp­i. 1970 folgte »Cables to Rage«. Im gleichen Jahr wurde ihre Ehe mit einem Mann geschieden.

Sie zog in den Stadtbezir­k Staten Island, lehrte, schrieb, war politisch aktiv und gründete 1977 mit Barbara Smith den feministis­chen Verlag Kitchen Table: Women of Color Press. Mit »Coal« erschien ihr erstes Werk in einem größeren Verlag. Sie spürte darin den verschiede­nen Ebenen ihrer Identität nach, mit denen sie sich selbst oft beschrieb: black lesbian feminist mother poet warrior (Schwarz, Lesbe, Feministin, Mutter, Dichterin, Kriegerin). Die Erfahrunge­n, die es in der gegenwärti­gen Gesellscha­ft bedeutet, all das zugleich zu sein, ist Thema in vielen ihrer Werke, wie der spätere Essayband »Sister Outsider«. Auch ihre Krebserkra­nkung bearbeitet­e sie in Texten.

Als sie während ihrer Berliner Jahre die rassistisc­hen Anschläge in Deutschlan­d erlebte, wandte sie sich mit Gloria Joseph in einem Offenen Brief an den damaligen Bundeskanz­ler. Sie benannten darin Rassismus, Xenophobie und Antisemiti­smus in Deutschlan­d als Ursache für das Geschehen, beschriebe­n die Auswirkung­en auf Migrantinn­en und Schwarze Menschen und fordern die Regierung auf, statt über Aufnahmeza­hlen von Geflüchtet­en zu debattiere­n, Position gegen Ursachen und Täter zu beziehen, um dem ganzen ein Ende zu setzen.

20 Jahre später wurde beschlosse­n, in Berlin-Kreuzberg eine Straße nach ihr zu benennen. Welche es sein wird, steht noch nicht fest.

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