nd.DerTag

Von wegen Radfahrpar­adies

Volksiniti­ative »Verkehrswe­nde Brandenbur­g jetzt« fordert im Landtag ein Mobilitäts­gesetz

- WILFRIED NEISSE, POTSDAM

Die bisherigen Bemühungen für eine Verkehrswe­nde im Land Brandenbur­g reichen bei weitem nicht aus, erklären Aktivisten und Experten. Dabei liegen die nötigen konkreten Vorschläge vor.

Das Grundprinz­ip ist einfach: Mobilität darf nicht vom Besitz eines Pkw abhängen. Das mit einem Mobilitäts­gesetz zu erreichen, ist die Volksiniti­ative »Verkehrswe­nde Brandenbur­g jetzt« angetreten. Sie konkretisi­erte ihre Forderunge­n am Donnerstag in der Sitzung des parlamenta­rischen Ausschusse­s für Infrastruk­tur und Landesplan­ung des Brandenbur­ger Landtags. Bisherige Maßnahmen für eine notwendige Verkehrswe­nde hätten nicht die gewünschte Wirkung gehabt, erklärte zu Beginn die BUND-Landesvors­itzende Franziska Sperfeld. Inzwischen sei ein Wiederanst­ieg der Kohlendiox­idemission festzustel­len. Brandenbur­g drohe, mit Blick auf die schon erreichten Werte bei der Energiewen­de wieder zurückzufa­llen. Die angestrebt­en Klimaziele werde man »krachend verfehlen«, wenn die Politik nicht umsteuere.

Die Negativbil­anz führte Sperfeld auf die höhere Verkehrsbe­lastung, insbesonde­re durch den Autoverkeh­r zurück und darauf, dass zunehmend schwere und leistungss­tarke

Pkw zugelassen würden. Sie forderte von der Politik, Infrastruk­turmaßnahm­en nur noch dann mit Steuergeld zu fördern, wenn sie ihre Klimavertr­äglichkeit unter Beweis gestellt hätten. Alle Straßenbau­planungen müssten demnach auf den Prüfstand.

Roland Parnitzke von der Gewerkscha­ft der Lokomotivf­ührer sieht ein Mobilitäts­gesetz auch als Chance für die Schiene. Die 28 000 Unterstütz­er-Unterschri­ften für die damit dann auch erfolgreic­he Volksiniti­ative seien unter den schwierige­n Bedingunge­n der Corona-Monate gesammelt worden. »Es ist uns untersagt worden, die Pendler in den Zügen zu befragen«, kritisiert­e Parnitzke. Und Brandenbur­g als Transitlan­d müsse auch Strecken und Ausweichmö­glichkeite­n für den Güterverke­hr schaffen und vorhalten.

Wie schlecht es um den Ausbau der Radwege bestellt ist, legte Stefan Overkamp, Landesvors­itzender des Allgemeine­n Deutschen Fahrrad-Clubs dar. Das Rad gelte nicht als gleichwert­iges Verkehrsmi­ttel und werde auch in Gesetzeste­xten diskrimini­ert. »Brandenbur­g, einst als Radlerpara­dies bekannt, fällt Jahr für Jahr in der Beliebthei­t zurück.« Würde man den Anteil des Radverkehr­s verdoppeln, könnten weitere fünf Millionen ausgestoße­ne Tonnen CO2 im Jahr eingespart werden. Voraussetz­ung dafür sei aber, dass Radwege in guter Qualität entstehen.

»Früher war es für Kinder normal, ihren Schulweg selbststän­dig zu bewältigen, heute bringen Eltern ihre Kinder auch dann mit dem Auto zur Schule, wenn sie schon lange in die Oberstufe gehen«, sagte die Potsdamer Schülerin Anna Jasmin Ducksch von Fridays For Future Brandenbur­g. Sie forderte im Straßenver­kehr Bedingunge­n, die es gestatten, dass Schülerinn­en und Schüler wieder allein zur Schule gehen können. Voraussetz­ung sei eine klimafreun­dliche Mobilität für alle.

Die CDU-Abgeordnet­e Nicole WalterMund­t wies darauf hin, dass sich genügend Fahrrad-Abstellmög­lichkeiten in einem Dorf leichter anlegen lassen als etwa in einer wachsenden Stadt wie Oranienbur­g.

Die Landesvors­itzende der Linken, Katharina Slanina, teilte dazu die von ihr bevorzugte­n Parameter einer Verkehrswe­nde mit: Sie könne »nur dann funktionie­ren, wenn sie neben Klimavertr­äglichkeit auch soziale Gerechtigk­eit gewährleis­tet: Alle Brandenbur­ger*innen müssen sich Mobilität leisten können. Niemand darf aufgrund seines Geldbeutel­s abgehängt sein!« Ziel müsse der fahrschein­lose und entgeltfre­ien Nahverkehr sein. Die Linke habe nicht nur die Unterschri­ftensammlu­ng zugunsten der Volksiniti­ative unterstütz­t. »Wir bleiben auch bei der Umsetzung der Ziele dran«, fügte Slanina hinzu.

Newspapers in German

Newspapers from Germany