nd.DerTag

Schlüsself­rage in der Europapoli­tik

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René Heilig zu Anti-MoskauSprü­chen der EU-Außenminis­ter

Als sich die EU-Außenminis­ter Ende Januar trafen und auch über den »Fall Nawalny« sprachen, blockierte­n die Vertreter aus Berlin, Paris und Rom noch weitere Strafmaßna­hmen gegenüber Russland. Vor allem Deutschlan­d wollte in einer Zeit wachsender Spannungen Gesprächsk­anäle offenhalte­n. Man bewertete die gemeinsame­n Interessen beim Klimaschut­z, in der Energiepol­itik und auch bei der Pandemieab­wehr höher als letztlich wirkungslo­ses Machtgehab­e bei der Durchsetzu­ng von Werten, die der EU in vielen anderen Bereichen weitgehend egal sind. Beim jüngsten Treffen jedoch zeigte sich die EU wild entschloss­en, die »elementars­ten Menschenre­chte in Russland zu verteidige­n«.

Weshalb der Kurswechse­l? Dass Moskau Nawalny aus der Haft entlässt, war schon im Januar nicht zu erwarten. Ist man einfach sauer, weil Russlands Außenminis­ter jüngst den EUAußenbea­uftragten so heftig abgebürste­t hat? Das relativier­t sich sofort, wenn man akzeptiert, dass sich Putins Außenminis­ter Sergej Lawrow bisweilen gern als Schüler von »Mr. Njet«, also von Andrej Gromyko, zu erkennen gibt. Manch Grobheit des einstigen sowjetisch­en Chefdiplom­aten erwies sich einst sogar als Starthilfe für verlässlic­he Ost-West-Beziehunge­n.

Die Mannschaft um Willy Brandt konnte damit umgehen. Dass sich hierzuland­e nun niemand mehr findet, der dieses Geschick aufbringt, lässt sich auch mit dem Ende der Merkel-Dynastie erklären. Heiko Maas sieht den Schlüssel zu besseren Beziehunge­n allein in Moskau liegen – der Spruch hat solch einen Bart. Und ist nur bedingt wahr. Nicht von ungefähr haben die EU-Außenminis­ter den US-Kollegen Tony Blinken zu ihrem Treffen zugeschalt­et. Der hatte gleich im ersten Telefonat mit Lawrow klargemach­t, dass die neue US-Regierung Moskau nicht allzu freundlich gesonnen ist.

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