nd.DerTag

Nachbesser­ung auf Minimalniv­eau

Expert*innen erörterten im Bundestag, wie Bürger*innen besser vor Ausspähung geschützt werden können. Die Befugnisse, die das BNDGesetz dem Geheimdien­st gibt, wurden als teils verfassung­swidrig eingestuft. Geplante »Nachbesser­ungen« halten die Fachleute f

- DANIEL LÜCKING

Nur nicht zu viel ändern – das scheint die Devise, wenn es um das BND-Gesetz geht. Doch das 2016 in Kraft getretene Gesetz ist in weiten Teilen unrechtmäß­ig und von einem seltsamem technische­n Verständni­s geprägt.

Der neuerliche Nachb esse rungs versuch am Gesetz für den Bundes nachrichte­ndienst (BND) fiel in einer öffentlich­en Anhörung im Bundestag am Montag bei den Expert*innen durch. Der neue Entwurf »macht vieles besser, aber besser ist noch nicht gut«, kritisiert Nora Markard von der Universitä­t Münster, wo sie als Völker-und Verfassung­srechtler in arbeitet .» Die anlass lose Massen überwachun­g des BND im Ausland, vom Bundesverf­assungsger­icht im Mai 2020 kassiert, lebt in neuem Gewand munter fort statt abgestellt zu werden«, fasst André Hahn, der für die Linksfrakt­ion im Parlamenta­rischen Kontrollgr­emium PKGr die Arbeit der Geheimdien­ste kontrollie­ren soll, den Tag zusammen. Mit Regelwerke­n wie dem neuen BNDGesetz wird er genau davon abgehalten.

Die Bundesregi­erung ist dabei kreativ und erfindet zusammen mit dem BND immer neue Definition­en und Anwendungs­gebiete. Ein Kniff: Der BND sei nur an Daten interessie­rt, aber überwache gar keine Menschen. Das zumindest steckt in der gesetzlich­e Fiktion zur Aufhebung des Personenbe­zugs von Daten. Konkret geht es um Onlinebank­ing und -zahlungen, Hotelbuchu­ngen, GPS- und Bewegungsd­aten von Mobilfunkg­eräten, die künftig anlasslos überwacht werden könnten und täglich massenhaft anfallen. Die Zeiten, in denen ein Geheimdien­st die Nadel im Heuhaufen suchen musste, sind lange vorbei. »Lasst uns den Heuhaufen einsammeln!«, so wird der ehemalige Direktor der National Security Agency (NSA) in den USA, Keith Alexander, zitiert. Den Heuhaufen will auch der BND einsammeln.

Mehrere Expert*innen erteilen dem eine Absage. »Eine solch breite und öffentlich­e Debatte mit fundierten Sachverstä­ndigen ist ein wichtiger Teil unserer parlamenta­rischen Kultur. Für die nun fortschrei­tenden parlamenta­rischen Beratungen war diese Anhörung ein wichtiger Baustein «, soRod erich Kiesewette­r(C DU) voll des Lobes, dessen Fraktion gemeinsam mit dem Koalitions­partner SPD 2016 das verfassung­swidrige Gesetz auf den Weg brachte, das seit 2017 in der Anwendung ist. Mit dem seinerzeit eilig geschaffen­en Regelwerk sollte vor allem das legalisier­t werden, was seit den Enthüllung­en von Edward Snowden im Sommer 2013 internatio­nal in der Kritik stand. Schon damals schnorchel­te der BND fleißig mit und vor allem im Auftrag für die NSA, da der deutsche Internet knotenpunk­t in Frankfurt am Main von zentraler Bedeutung und besonderem Interesse ist.

Der vorliegend­e Gesetz entwurf entspreche­n icht den Vorgaben des Verfassung­s gerichtes und schaffe neue, teils noch problemati­schere Rechtslage­n. Auch dieses eien voraussich­tlich nicht Verfassung­s konform, führte Klaus Landefeld vom Eco Verband der Internet wirtschaft aus, der den Internet knoten DE-CIX betreibt. Im Gesetz sei, anders als verlangt , keine taugliche Begrenzung definiert. »Daten können in beliebiger Menge im In- und Ausland erhoben und der Erfassung zugeleitet werden«, sagt Landefeld. Faktisch würden 99,9 Prozent aller weltweiten Datenverke­hr erfassbar, bliebe es bei den ineffektiv­en Regelungen im Gesetz. Von Begrenzung keine Spur.

Rechtsanwa­lt Nikolaos Gazeas sieht den Gesetzentw­urf nicht in Gänze gescheiter­t, jedoch weiterhin nicht hinreichen­d gestaltet, um einer erneuten Überprüfun­g stand zu halten. Garzeas bemängelte, dass es im vorgesehen­en unabhängig­en Kontrollgr­emium keine Instanzen gebe, die sich mit den Rechten der Geschädigt­en befassen, die widerrecht­lich in die Überwachun­g gerieten. Auch würden journalist­ische Vertrauens beziehunge­n unzureiche­nd geschützt. Im Gesetz fehle eine Begriffsbe­stimmung und wer unter den Begriff Journalist* in falle, unterliege allein den Bestimmung­en und Deutungen des BND.

Auch die besonders geschützte AnwaltsMan­danten-Beziehung werde durch das BND-Gesetz nicht hinreichen­d geschützt. Berufsgehe­imnis träger* innen werden vor dem Zugriff auf die Komm unikat ions daten nicht geschützt.

Während die SPD der Ansicht ist, die Sachverstä­ndigen hätten bestätigt, dass grundsätzl­ich die Vorgaben des Verfassung­s gerichtes umgesetzt wurden, weist André Hahn darauf hin, dass mit dem Gesetz auch diplomatis­che Konflikte aufkommen können, da der BND nun offiziell zum Hacker im Dienst des Staates werde. »Davon betroffen sind viele Millionen Nutzer von

Plattforme­n wie Google, Facebook, Apple oder Amazon aus Deutschlan­d, deren Daten vom BND nach staatliche­m Eindringen miterfasst werden«, macht Hahn deutlich. »Die Bundesregi­erung hat die in dem Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts liegenden Chancen zur »Verrechtss­taatlichun­g« nachrichte­ndienstlic­hen Handelns leider nicht ausgeschöp­ft«, kritisiert auch Konstantin von Notz, der für die Grünen imPKGrtäti­gi st .» Im Gegenteil, sie kratzt mit ihrem neuen Gesetz entwurf an zahlreiche­n Stellen am verfassung­srechtlich vorgegeben­en unteren Mindestmaß, schreibt neue Probleme ins Gesetz, oder packt zwingend notwendige Neuregelun­gen nicht an.«

»Mit diesem Entwurf könnte das BND-Gesetz erneut in Karlsruhe scheitern. Die wirklich notwendige­n Reformen wie eine Stärkung der parlamenta­rischen Kontrolle werden dagegen von dieser Bundesregi­erung erneut nicht angegangen «, so auch Benjamin Strasser, Innenpolit­iker der FDP.

Die Bundesregi­erung verzögert offenkundi­g gemeinsam mit dem BND in immer neuen Entwürfen eine effektive parlamenta­rische Kontrolle. Kontrollgr­emien, wie das PKGr,di eG-10-Kommission, aber auch Untersuchu­ngsausschü­sse werden oft gegeneinan­der ausgespiel­t .» Das ist keine Stärkung, sondern in der Endkonsequ­enz eine Schwächung hinsichtli­ch Effektivit­ät und Wirksamkei­t«, urteilt Hahn und stellt fest, dass die Bundesregi­erung offensicht­lich bereit ist, weitere fünf Jahre mit rechtliche­n Auseinande­rsetzungen zu verbringen und mit einem rechtswidr­igen BND-Gesetz zu arbeiten. Hahns Fazit :« Die anlass lose Massen überwachun­g lebt in neuem Gewand munter fort, statt abgestellt zu werden.«

»Die anlass lose Massen überwachun­g lebt in neuem Gewand munter fort, statt abgestellt zu werden.« André Hahn Stellvertr­etender Vorsitzend­er der Linksfrakt­ion im Bundestag

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Mit dem verfassung­swidrigen BND-Gesetz wurde das Abhören unter Freunden 2016 vermeintli­ch legal. Doch auch der neue Entwurf dürfte ein Fall für Karlsruhe werden.

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