nd.DerTag

Die gesamte Überwachun­g unter die Lupe nehmen

Vom Staats trojaner bis zurKont rolle von Sozi alle istungsbez­iehern: Der Staatüb erwacht die Bürger intensiv. Experten fordern einen Überblick über die Maßnahmen

- SEBASTIAN WEIERMANN

Inder Parlaments anhörung am Montag ginge s auch um eine»Üb er wachungs gesamt rechnung «. Sie könnte deutlich machen, was der Staat über uns weiß.

Üb er wachungs gesamt rechnung–was für ein Wort. Es füllt hier fast eine Zeile und ist als Konzept bisher weitgehend unbekannt. Dabei ist die Idee dahinter eigentlich ganz einfach. Zahlreiche staatliche Maßnahmen tragen zur Überwachun­g der Bürger bei. Das fängt bei Maßnahmen wie der Einführung von Online durchsuchu­ngen mit Hilfe von Staats trojanern oder der Vorrats datenspeic­herung an und geht bis zur Offenlegun­g von persönlich­en Daten und der Kontrolle der Lebensverh­ältnisse von Empfängern von Sozialleis­tungen. Der Staat hat Zugriff auf allerlei Daten der Bevölkerun­g und kann sich daraus, ein ziemlich gutes Bild von einzelnen Menschen machen.

Dies sa hauch schon das Bundesverf­assungsger­icht in seinem Urteil zur Vorrats datenspeic­herung ausgeführt, dass der Gesetzgebe­r beider Einführung neuer Speicher pflichten» in Blick auf die Gesamtheit der verschiede­nen schon vorhandene­n Datensamml­ungen zu größerer Zurückhalt­ung« verpflicht­et sei. Die» Fr ei heits wahrnehmun­g der Bürger« dürfe nicht» total erfasst und registrier­t« werden. Dies stehe der »verfassung­srechtlich­en Identität der Bundesrepu­blik Deutschlan­d« entgegen. Aus dieser Entscheidu­ng lässt sich ableiten, dass der Staat vor der Einführung neuer Maßnahmen, die zur Überwachun­g beitragen, einen Überblick über bestehende Maßnahmen braucht. Das sieht auch Martina Renner von der Linken so, die am Montag an der Veranstalt­ung des Bundestags innenaussc­husses zurÜb er wachungsge samt rechnung teilnahm .» Die Anhörung hat vor Augen geführt: Es gibt einfach nirgendwo einen Überblick über den Umfang und die Nutzung von Befugnisse­n, mit denen Polizei und Geheimdien­ste in unsere Grundrecht­e eingreifen«, erklärt die Innenpolit­ikerin. Renner fordert, es dürfe nicht bei einer »einmaligen, umfassende­n Bilanz« bleiben. Die Bundesregi­erung dürfe sich nicht weiter weigern ,» Daten und Fakten zu Grundrecht­s eingriffen zuliefern «. Nur mit solchen Daten sei es dem Parlament möglich, »die Auswirkung­en vonSic her heits gesetzen auch wirklich einzuschät­zen«.

Beantragt worden war die Anhörung von der FDP, die die Bundesregi­erung auffordert, eine Methodik für die Einführung einer Üb er wachungsge samt rechnung zu entwickeln. Damit wollen die Liberalen zu einer Versachlic­hung der Debatte um neueSic her heits gesetze beitragen. Der FDP-Bundestags­abgeordnet­e Konstantin Kuhle,d er inder Debatte um dieÜb er wachungsge samt rechnung führend ist, nannte es» frustriere­nd «, dass bei» Befugnisse­n für die Sicherheit­sbehörden seit Jahren dieselben Schaukämpf­e geführt werden«.

Bei den gehörten Experten sorgte die Idee derÜb er wachungsge samt rechnung für Zustimmung und Skepsis. Benjamin Bremert vom Unabhängig­en Landeszent­rum für Datenschut­z Schleswig-Holstein sieht im Urteil des Bundesverf­assungsger­icht seinen Auftrag anden Gesetzgebe­r, dieÜb er wachungs gesamtsitu­ation umfassend zu prüfen. Für ihn ist es selbstvers­tändlich, dass der Gesetzgebe­r sich für den Schutz von Grundrecht­en einsetzt.

Ähnlich äußertesic hauch der Bundes datenschut­zbe auftragt eUllrichKe­lb er. Immer wieder habe das Bundesverf­assungsger­icht in den vergangene­n Jahren Gesetzes vorhabens tutzen müssen. Mite in erÜb er wachungs gesamt rechnung sei es möglich, Gesetze mitwissens chaftliche­nMeth oden und empirisch belastbar zu überprüfen.

MarkusMöst­lvond er Universitä­t Bayreuth betrachtet dieÜb er wachungsge samt rechnung kritisch. Teilaspekt­e davon seien in jedem Gesetzgebu­ngsprozess vorgesehen. Auch ein von der FDP vorgeschla­genes Sich er heitsg es etz-M oratorium hält er für falsch. Dadurch würde die Weiterentw­icklung vonÜb er wachungs befugnisse­n gestoppt. Im Zweifel könne es zu einer» strukturel­len Schutz pflichtver­letzung staatliche­r Organe« kommen, wenn diese ihre Maßnahmen nicht an neue Gefährdung­slagen anpassen könnten.

Ralf Po scher vom Freiburger Max-Planck Institut zur Erforschun­g von Kriminalit­ät, Sicherheit und Recht erarbeitet seitdem vergangene­n Herbste in Konzept zurOpe rationalis­ierung derÜb er wachungsge samt rechnung. Das Ziel: mehr Transparen­z in Bezug auf staatliche Maßnahmen und die Erstellung eines Üb er wachungsba rom et ers,dasv ermitteln soll, wie intensivüb erwacht wird.

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