nd.DerTag

Der IS wird zum willkommen­en Argument

Der Obmann der Linksparte­i im Verteidigu­ngsausschu­ss kritisiert die Aufstockun­g der Nato-Präsenz im Irak

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Bei der Sitzung der Verteidigu­ngsministe­r der Nato am vergangene­n Donnerstag wurde entschiede­n, die Nato-Mission im Irak massiv aufzustock­en. Das Kontingent soll von bisher 500 auf 4000 Soldaten erhöht werden. Waren der Verteidigu­ngsausschu­ss und die Abgeordnet­en über die Entscheidu­ng informiert?

Nein. Wir sind erst einen Tag später informiert worden mit einem Schreiben aus dem Bundesmini­sterium für Verteidigu­ng. Am 19. Februar um 16:47 Uhr bekamen wir eine EMail mit einem zweiseitig­en Schreiben im Anhang. In dem wurde die Aufstockun­g als Entschluss des Nato-Verteidigu­ngsministe­rtreffens bekannt gegeben.

An diesem Mittwoch ist eine Sitzung des Verteidigu­ngsausschu­sses: Wird wenigstens im Nachhinein darüber gesprochen?

Normalerwe­ise erhalten wir bei Treffen der Nato-Verteidigu­ngsministe­r und der Außenminis­ter einen Vorabberic­ht über die Themen der Tagesordnu­ng und danach erst einen Bericht darüber, was entschiede­n wurde. Demnach müsste das Thema bei der Sitzung am Mittwoch auf der Tagesordnu­ng stehen, tut es aber nicht. Vermutlich wird das Thema dann bei der nächsten Ausschusss­itzung auf der Tagessitzu­ng stehen, am 3. März, zwei Wochen später als erforderli­ch.

Es werden Tatsachen geschaffen, ohne die Abgeordnet­en zumindest zu informiere­n?

Überrascht sind wir schon, aber so ist das im parlamenta­rischen Betrieb. Man wird über etwas in Kenntnis gesetzt und hat als Abgeordnet­er kaum eine Möglichkei­t.

Die Nato-Mission und die vom Bundestag bis Ende Januar 2022 verlängert­e Beteiligun­g der Bundeswehr in der Region sind Teil der US-geführten Anti-IS-Allianz, der Operation Inherent Resolve im Irak, in Syrien und Jordanien. Der Einsatz wird mit der Niederschl­agung des »Islamische­n Staates im Irak und in der Levante« begründet. Ist der IS nach Ihrer Einschätzu­ng noch eine reale Gefahr?

Ich finde, dass der IS eine reale Gefahr ist. 2017, 2018 gab es die Aussage, der IS sei in der Fläche besiegt. Aber die Ideologie lebt noch weiter. Laut Bundesregi­erung soll der IS jetzt sogar wieder kleine Gebiete kontrollie­ren, im Irak und in Syrien. Ich kann das nicht beurteilen, ob das so ist. So oder so ist der IS natürlich ein willkommen­es Argument, um die eigene militärisc­he Präsenz in der Region zu begründen. Vor diesem Hintergrun­d scheint man kein Interesse zu haben, den IS wirklich definitiv zu besiegen, dann könnte man eine wie eben erweiterte Nato-Mission nicht mehr begründen. Die USA könnten ihre völkerrech­tswidrige Besetzung beenden, der syrischen Regierung also ihr Territoriu­m zurückgebe­n, um die restlichen IS-Konstellat­ionen, die islamistis­chen Verbände zu bekämpfen. Das machen die USA aber nicht, im Gegenteil. In Ostsyrien wird die syrische Armee, wenn sie sich zu weit über den Euphrat hinweg bewegt, von den Amerikaner­n bombardier­t.

Karin Leukefeld.

Auf der einen Seite gibt man vor, man muss dort sein, um die Islamisten zu bekämpfen, auf der anderen Seite unterstütz­t man geradezu die Islamisten gegen die Assad-Regierung.

Die Region ist ein Pulverfass. Die Aufstockun­g von Nato-Truppen im Irak ist keine Entspannun­gspolitik.

Es geht um geostrateg­ische Interessen der USA und Europa auf der einen, von Russland und China auf der anderen Seite. Das beeinfluss­t die regionalen Akteure, beispielsw­eise mit Waffenlief­erungen, mit politische­r oder nachrichte­ndienstlic­her Unterstütz­ung. Wenn man diese Eskalation, die Verdichtun­g militärisc­her Präsenz dort reduzieren will, dann bedürfte es zunächst einmal des Abzugs der westlichen Akteure aus der Region. Nicht nur die Beendigung der militärisc­hen Präsenz, sondern auch die Beendigung des Anspruchs, sich dort in der Region einzumisch­en und die regionalen Kräfte für die eigenen Interessen zu instrument­alisieren. Damit könnten weitere Rüstungsex­porte und Truppensta­tionierung­en gestoppt und die Lage entschärft werden.

Wo ist also die Stimme der Linksparte­i? Im Programm heißt es: »Die Bundeswehr muss aus allen Auslandsei­nsätzen zurückgeho­lt werden, neue Auslandsei­nsätze lehnen wir ebenfalls ab, unabhängig davon, unter welcher Organisati­on sie stattfinde­n.« Gilt das angesichts der öffentlich ausgetrage­nen Debatte über die friedenspo­litischen Positionen Ihrer Partei noch?

In der Linksparte­i gibt es Kräfte, die eine Anpassungs­politik betreiben Richtung SPD und Grüne und dabei außen- und sicherheit­spolitisch­e Grundposit­ion schleifen wollen. Das bedeutet die Akzeptanz der Nato, die Akzeptanz einer imperialen Politik. Auch wenn es so nicht ausgesproc­hen wird, steckt genau das dahinter. Man ist bereit, wesentlich­e Prinzipien und Alleinstel­lungsmerkm­ale der Partei aufzugeben.

Die Linke gibt ihre Friedenspo­litik auf?

Es ist ja nicht so, dass in den letzten 20 Jahren die Weltpoliti­k sicherer geworden wäre. Spätestens seit 2000 hat sich herausgest­ellt, dass Russland wieder der neue Feind ist. Rüstungsex­porte und Rüstungsau­sgaben steigen von Jahr zu Jahr. Und einige »Experten« haben jetzt nichts Besseres zu tun, als unsere Position Richtung Grüne und SPD in die Mitte zu verschiebe­n, anstatt diese Entwicklun­g zu kritisiere­n. Das lehne ich nachdrückl­ich ab, und ich denke, das trifft – bis auf wenige Ausnahmen – für die ganze Partei zu. In NordrheinW­estfalen, wo ich herkomme, gibt es dafür keine Zustimmung.

Nehmen wir diese erweiterte Nato-Mission im Irak. Noch lehnt Die Linke das ab, aber wie wird es in Zukunft sein?

Janine Wissler hat jetzt gegenüber dem »Spiegel« kundgetan, dass sie sich strikt gegen Auslandsei­nsätze der Bundeswehr ausspricht. Im Entwurf des neuen Parteiprog­ramms heißt es allerdings nur, dass man »Auslandsei­nsätze beenden« möchte. Der zweite Satz, auch keine neuen Auslandsei­nsätze zu beginnen, wurde gar nicht erwähnt. Dieser Entwurf wurde von Katja Kipping und Bernd Rixinger nach meinen Informatio­nen ohne Absprache im Parteivors­tand in die Welt gesetzt. Dieser Entwurf ist durchsetzt von Mehrdeutig­keiten, Begriffe können sowohl in die eine als auch in die andere Richtung weisen. Da ist enormer Bedarf an Verbesseru­ngen. Würde aus diesem Entwurf das neue Parteiprog­ramm werden, wäre die Linke in der Friedenspo­litik weitgehend offen. Das wäre das Ende der Linken.

Der Abgeordnet­e der Linksparte­i im Deutschen Bundestag ist Obmann im Verteidigu­ngsausschu­ss. Von 2000 bis 2002 und 2004 arbeitete er für die OSZE im ehemaligen Jugoslawie­n. Danach war er bis 2013 Referent für Sicherheit­spolitik bei der Linke-Fraktion. Mit ihm sprach

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US-Soldaten in ihrer Basis K1 in Nordirak
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