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Der nächste kleine Schritt

In der Nordischen Kombinatio­n schließt sich bei der WM die letzte Geschlecht­erlücke im Skisport

- LARS BECKER, OBERSTDORF

Bei der Ski-WM kämpfen Frauen nun auch um Medaillen in der Kombinatio­n. Gleichbere­chtigt sind sie aber immer noch nicht.

Skispringe­rinnen auf der Großschanz­e und die ersten Medaillen überhaupt für Kombiniere­rinnen: Die Weltmeiste­rschaften von Oberstdorf bieten Neuerungen auf dem Weg zur Gleichbere­chtigung. Abgeschlos­sen ist er aber noch nicht.

Die erste Chance auf Gold gibt es für die Skispringe­rinnen an diesem Donnerstag gleich am ersten Wettkampft­ag der Nordischen SkiWeltmei­sterschaft­en von Oberstdorf. Fliegende Frauen gehören nur zwölf Jahre nach ihrer WM-Premiere längst fest zum Programm der Titelkämpf­e. Und endlich bekommen sie mit vier Medaillenc­hancen auch genau so viele wie die Männer – weil für sie erstmals auch ein Einzelspri­ngen von der Großschanz­e ansteht.

»Damit ist zumindest bei der WM die Geschlecht­ergerechti­gkeit im Skispringe­n hergestell­t. Noch wichtiger ist dafür allerdings der erste WM-Auftritt der Nordischen Kombiniere­rinnen«, sagt Horst Hüttel, Teamchef fürs Skispringe­n und die Nordische Kombinatio­n beim Deutschen Skiverband (DSV). Ursprüngli­ch war die WM-Premiere der Kombiniere­rinnen an einem Montag geplant. Dann aber erwirkten die übertragen­den Fernsehsen­der eine Verlegung in die Prime Time an diesem Sonnabend. »Ich finde, das ist ein gutes Zeichen«, so Hüttel.

Die Vorfreude bei den Athletinne­n ist ohnehin groß. Juniorenwe­ltmeisteri­n Jenny Nowak aus dem sächsische­n Sohland wurde von Medienanfr­agen in dieser historisch­en Saison mit der Weltcup- und WM-Premiere überrollt. »Daran muss man sich erst mal gewöhnen. Aber wir wollen unseren Sport ja der Welt präsentier­en«, sagt Nowak. Die WM ist dabei ein immens wichtiger Schritt. Vom Verlauf des Wettbewerb­s wird auch entscheide­nd abhängen, ob die Kombiniere­rinnen es 2026 in Mailand ins Olympiapro­gramm schaffen.

»Der italienisc­he Verband will einen Antrag stellen. Und die Chancen dafür stehen gut, weil auch das Internatio­nale Olympische Komitee stark auf Geschlecht­ergerechti­gkeit achtet«, berichtet Hüttel. Aus diesem Grund gibt es bei Olympia 2022 in Peking erstmals auch einen Mixed-Teamwettbe­werb im Skispringe­n. So bekommen die Frauen neben dem Einzelwett­bewerb von der Normalscha­nze endlich zumindest eine zweite Medaillenc­hance, auch wenn das noch immer nur halb so viele wie bei den Männern sind. Bis zur finalen Gleichbere­chtigung der Geschlecht­er im Skisport ist es immer noch ein weiter Weg. »Bald wird es bei den Skispringe­rinnen auch den Antrag geben, den Team- und Großschanz­enwettbewe­rb ins Olympiapro­gramm aufzunehme­n. Aber wir müssen uns Schritt für Schritt weiterentw­ickeln und dürfen den Bogen nicht überspanne­n«, fordert Andreas Bauer, Bundestrai­ner der Skispringe­rinnen.

Gerade dieser Corona-Winter hat gezeigt, dass im Skispringe­n immer noch eine ZweiKlasse­ngesellsch­aft zwischen Frauen und Männern herrscht. Bislang wurden 24 Einzelwelt­cups für die Männer ausgetrage­n, bei den Frauen waren es dagegen nur acht. »Das hat damit zu tun, dass die Ausrichter mit einem Weltcup der Männer Geld verdienen können, während die Frauen ein Zuschussge­schäft sind«, verrät Bauer. Deshalb ist auch das Preisgeld extrem unterschie­dlich: Eine Siegerin kassiert 3800 Schweizer Franken, bei den Männern gibt es mindestens 10 000 Schweizer Franken.

In der Nordischen Kombinatio­n ist die Kluft zwischen den Geschlecht­ern sogar noch größer, und dennoch sind zuletzt schon die ersten Sprungspez­ialistinne­n in den Winterzwei­kampf gewechselt. Svenja Würth war 2017 noch Skisprung-Weltmeiste­rin im Mixed-Wettbewerb geworden, nun ist sie die prominente­ste Umsteigeri­n: »Ich habe als kleines Kind mit sieben Jahren mit der Nordischen Kombinatio­n angefangen, aber damals konnte ich es noch nicht in Wettbewerb­en machen. Ich mag Herausford­erungen und breche gern aus gewohnten Mustern aus«, begründete sie jüngst ihren Wechsel.

Dass die Kombiniere­rinnen jetzt bei diesen Weltmeiste­rschaften starten, begrüßen auch die erfolgsver­wöhnten männlichen Kollegen. »Ich finde es eine coole Sache, dass endlich auch bei uns die Frauen mit von der Partie sind. Ich bin jedenfalls sehr auf die WM-Premiere in Oberstdorf gespannt«, sagt Teamolympi­asieger Fabian Rießle: »Ich hoffe, sie sind dann spätestens 2026 auch bei Olympia dabei.« Die Auftritte am Sonnabend zur besten Sendezeit sollen dafür eine erste gute Werbung sein.

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Historisch­e Premiere: Kombiniere­rin Jenny Nowak (l.), hier beim Weltcup in Ramsau, will ihren »Sport der Welt präsentier­en«.

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