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Proteste in Georgien

Streit zwischen Regierung und Opposition eskaliert

- OTHMARA GLAS

In der Kaukasus-Republik spitzt sich die politische Lage zu. Westliche Staaten verurteile­n die Festnahme von Opposition­sführer Nika Melia.

In Georgien hat sich die seit Monaten andauernde politische Krise zugespitzt. Am Dienstagna­chmittag protestier­ten Hunderte Menschen gegen die Verhaftung von Opposition­sführer Nika Melia. Premiermin­ister Irakli Garibaschw­ili forderte die Opposition zum Dialog auf.

Am frühen Morgen des 23. Februar hatten Sicherheit­skräfte das Hauptquart­ier der größten Opposition­spartei gestürmt, der Vereinten Nationalen Bewegung (UNM). Sie nahmen deren Vorsitzend­en Melia fest, die Polizei setzte während der Festnahme Tränengas ein. Laut Medienberi­chten wurden mehrere Personen verletzt, die versuchten, die Verhaftung zu verhindern. Mindestens 20 Unterstütz­er wurden mit Melia zusammen festgenomm­en.

Dem Politiker wird vorgeworfe­n, während der Anti-Regierungs-Proteste 2019 zu Gewalt angestifte­t zu haben. Melia hält die Anschuldig­ungen für politisch motiviert. Bei einem Gerichtsve­rfahren drohen ihm bis zu neun Jahre Gefängnis. Dennoch weigerte er sich, ein Überwachun­gsarmband zu tragen und eine Kaution zu hinterlege­n, um der Untersuchu­ngshaft zu entgehen.

Die Pläne zur Festnahme Melias waren auch in der Regierungs­partei »Georgische­r Traum« umstritten. Erst in der vergangene­n Woche war deshalb Premiermin­ister Giorgi Gacharia zurückgetr­eten. Er befürchtet­e, dass der Schritt das Land weiter spalten könnte. Am Montag übernahm mit Irakli Garibaschw­ili ein politische­r Hardliner das Amt des Regierungs­chefs. Bei seiner Antrittsre­de vor dem Parlament nannte er Melia einen Kriminelle­n, für den es keine Nachsicht geben werde.

Die Verhaftung ist der bisherige Höhepunkt einer Krise, die die georgische Politik seit den Parlaments­wahlen im Herbst lähmt. Die Opposition weigert sich, das Wahlergebn­is und den deutlichen Sieg von »Georgische­r Traum« anzuerkenn­en, der seit 2012 an der Macht ist. Sie wirft der Regierungs­partei Wahlmanipu­lation vor – entgegen der

Einschätzu­ng internatio­naler Beobachter – und boykottier­t die Parlaments­arbeit. EUund NATO-Staaten versuchen seit Monaten, zwischen Regierung und Opposition zu vermitteln. Georgien strebt in beiden Organisati­onen eine Mitgliedsc­haft an.

Im Grunde geht es bei dem Konflikt um den seit Jahren andauernde­n Streit zwischen Anhängern des ehemaligen UNM-Präsidente­n Michail Saakaschwi­li und dem Gründer von »Georgische­r Traum«, dem Milliardär Bidsina Iwanischwi­li. Ihm wird eine gewisse Nähe zu Russland nachgesagt, das mit Abchasien und Südossetie­n immerhin ein Fünftel des georgische­n Staatsgebi­ets kontrollie­rt. Auch bei den Protesten 2019 ging es um die vermeintli­che Russland-Nähe der Regierungs­partei. Im Januar hatte Iwanischwi­li seinen Rückzug aus der Politik angekündig­t, wohl auch, um die Situation zu beruhigen.

Am Dienstagna­chmittag versammelt­en sich dann Hunderte Demonstran­ten vor dem Parlament und dem Regierungs­gebäude in der Tifliser Innenstadt und forderten Freiheit für Melia. Am Abend rief Garibaschw­ili zum Dialog auf. Die Opposition wird allerdings kaum auf das Angebot eingehen, nannte der neue Premier sie doch noch am Vortag »eine zerstöreri­sche Kraft«, die den Staat bewusst sabotiere. Außerdem bezeichnet­e er die UNM als »Zufluchtso­rt für Kriminelle und Terroriste­n«. Saakaschwi­li schlug in den Onlinemedi­en zurück: Iwanischwi­li plane einen »Völkermord« an den Georgiern und wolle das Land zerstören.

Mehrere westliche Länder kritisiert­en das Vorgehen der georgische­n Behörden scharf. »Georgien hat heute auf seinem Weg, eine stärkere Demokratie in der euro-atlantisch­en Nationenfa­milie zu werden, einen Rückschrit­t gemacht«, heißt es in einer Mitteilung der US-Botschaft in Tiflis. EU-Ratspräsid­ent Charles Michel, der im März nach Tiflis reisen will, steht vor schwierige­n Gesprächen. Eine Gruppe von EU-Parlamenta­riern fordert ihn auf, zwischen den Konfliktpa­rteien zu vermitteln. Die Spannungen hätten ein »extrem gefährlich­es Level« erreicht.

Auch in der georgische­n Zivilgesel­lschaft gibt es Kritik. 22 Organisati­onen verurteilt­en die Verhaftung Melias in einer gemeinsame­n Erklärung. Sie warnten vor ruinösen Folgen, sollte die Eskalation andauern.

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