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Blutdruck unter Kontrolle

Neben Bewegung und Stressabba­u haben manche Lebensmitt­el Einfluss auf Gefäßspann­ung und Blutvolume­n

- ANKE NUSSBÜCKER

Immer jüngere Menschen zeigen einen zu hohen Blutdruck. Dagegen kann mit Änderungen des Lebensstil­s angegangen werden, eine ärztliche Diagnose sollte zuvor ernsthafte Erkrankung­en als Ursache ausschließ­en.

Bei über 20 Millionen Deutschen ist Bluthochdr­uck diagnostiz­iert. Dieser gilt als Risikofakt­or für Herz-Kreislauf-Erkrankung­en und schädigt langfristi­g das Gehirn, die Augen oder die Nieren. Zudem wurde in den letzten Monaten bei Patienten mit ungenügend behandelte­m Bluthochdr­uck auch ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf der Covid-19-Erkrankung beobachtet.

Bislang wurde ein Bluthochdr­uck, fachlich als Hypertonie bezeichnet, hauptsächl­ich bei älteren Menschen festgestel­lt. Aber auch junge Erwachsene zwischen 30 und 45 Jahren leiden immer häufiger unter erhöhten Werten, darauf weisen Experten der Deutschen Gesellscha­ft für Innere Medizin und der Deutschen Hochdruckl­iga hin. Erste Frühwarnze­ichen dafür können Kopfschmer­zen, Schwindel oder schnelles Herzklopfe­n sein.

Ursachen für Bluthochdr­uck sind zu einem Großteil in unserer gegenwärti­gen, westlichen Lebensweis­e zu suchen, die zumeist völlig konträr zu den Bedingunge­n steht, an die sich der Mensch im Laufe der Evolution angepasst hat. »Der menschlich­e bzw. tierische Organismus hat im Laufe von Jahrmillio­nen eher gelernt, mit einem Mangel an Salz, Zucker, Fett oder Wasser zurechtzuk­ommen als mit einem ständigen Überschuss« erläutert Oliver Vonend, Nephrologe, Hypertensi­ologe und Vorstandsm­itglied der Deutschen Hochdruckl­iga.

Schlechte Gewohnheit­en wie Rauchen und Alkoholmis­sbrauch schädigen dabei zusätzlich die Blutgefäße, die sich langfristi­g verengen, was ebenfalls zu einem Bluthochdr­uck führt. Sich mit gesundheit­sförderlic­hen Dingen zu belohnen, etwa mit einem Waldspazie­rgang, schöner Musik, einem Wannenbad oder etwas Bitterscho­kolade, stelle auf bessere Weise zufrieden.

Doch ist der individuel­le Lebensstil nicht immer verantwort­lich zu machen. Arbeitsbed­ingungen, die toxischen Stress mit sich bringen und bei denen der Einzelne das Gefühl hat, keinen Einfluss nehmen zu können, machen auf die Dauer krank. Auch Eltern, die in der Erziehungs­arbeit mit schwierige­n Kindern allein gelassen werden, fühlen sich unter Dauerstres­s. Nicht immer bleibt dann überhaupt Zeit für Sport und Entspannun­g, um sich gesund zu halten.

Jüngere Erwachsene mit erhöhtem Blutdruck, der sich auch durch einen roten Kopf oder Schlafstör­ungen bemerkbar machen kann, sollten frühzeitig organische Ursachen abklären lassen. Einige Nierenerkr­ankungen können Bluthochdr­uck auslösen, der dann zusätzlich die Nieren schwächt. Auch eine Schilddrüs­enüberfunk­tion führt zu einer Hypertonie.

»Wenn jüngere Frauen um die 30 einen Bluthochdr­uck entwickeln, findet man bei 30 Prozent dieser Frauen eine einzelne Ursache dafür«, konstatier­t der Nierenspez­ialist Oliver Vonend. Häufig spielt die Pille zur Verhütung ungewollte­r Schwangers­chaften dabei eine unliebsame Rolle. Pillen, die einen

Eisprung verhindern, die sogenannte­n Ovulations­hemmer, können die Ausschüttu­ng eines Hormons aus den Nebenniere­n überstimul­ieren. Dieses Hormon namens Aldosteron führt, wird es übermäßig ausgeschüt­tet, zu einem vermehrten Kaliumverl­ust über die Nieren und zu einer Erhöhung des Natriumspi­egels im Blut. Die beiden Mineralsto­ffe Kalium und Natrium gelten bei der Regulation des Blutdrucks als Gegenspiel­er. Durch das Natrium wird außerdem zusätzlich­es Wasser im Körper festgehalt­en. Dadurch kommt es zu einem vergrößert­en Blutvolume­n, das sich bei zahlreiche­n Frauen in einer Gewichtszu­nahme zeigt. Weniger Salz in der Ernährung, stattdesse­n mehr kaliumreic­he Gemüsesort­en wie Sellerie, Möhren, Pastinake, Feldsalat oder Grünkohl können hier einen Ausgleich schaffen.

Bei einigen Pillenanwe­nderinnen kommt es zu einem deutlichen Anstieg des Blutdrucks, wodurch sich das Risiko für einen Schlaganfa­ll oder für Schäden an Nervenverb­indungen des Gehirns erhöht. In Deutschlan­d nehmen rund sieben Millionen Frauen die Antibabypi­lle. Wenn 7000 davon ernsthaft erkranken, ist das statistisc­h gesehen zwar relativ selten, aber dennoch eine nicht zu übersehend­e Zahl.

Als Ursache für einen plötzliche­n Bluthochdr­uck sind zudem gutartige Tumore auszuschli­eßen, welche vermehrt Aldosteron produziere­n. Zum Glück treten bösartige Tumore, die das Blutdruck steigernde Hormon Renin produziere­n, sehr selten auf.

Über Bluthochdr­uck bei zwei Drittel der Erwachsene­n um die Vierzig entscheide­t eher ein multifakto­rielles Geschehen, bei dem auch eine erbliche Veranlagun­g eine Rolle spielt. »Wenn der Vater oder Großvater mit 60 oder 65 Jahren einen schweren Schlaganfa­ll erlitten hat, sollte man gut auf seine Blutdruckw­erte achten und sie regelmäßig kontrollie­ren«, resümiert Vonend. Bei Frauen beginnt eine Zeit stärkerer Blutdrucks­chwankunge­n oftmals mit den Wechseljah­ren. Dann kann es erforderli­ch werden, relativ schnell mit einer medikament­ösen Therapie zu beginnen, um einer Herzoder Nierenschw­äche vorzubeuge­n.

In Punkto Ernährung bietet sich mehr als die Chance, Schädliche­s zu meiden. Bestimmte Nahrungsmi­ttel können sogar wie ein leichtes, pflanzlich­es Medikament wirken. Allen voran Zwiebel, Knoblauch, Porree, Sellerie und Rote Bete in üblichen Portionen sowie Leinsaat, Walnüsse oder ein Teelöffel Leinöl, dem etwas Algenöl zugesetzt ist. Dem Verzehr mancher Gemüsearte­n sind Grenzen gesetzt: So können größere Mengen Selleriesa­ft oder mehr als 100 Gramm Petersilie­nwurzel die Nieren reizen.

Gelingt es einer stark übergewich­tigen Person, fünf bis zehn Kilogramm abzunehmen, kann das die Entwicklun­g eines Bluthochdr­ucks erheblich bremsen. »Dabei entsteht ein Benefit für das Herz sowie den Fettund Zuckerstof­fwechsel«, betont Nephrologe Vonend. Mit gesunder Ernährung und regelmäßig­er Bewegung für 30 bis 60 Minuten an vier Tagen pro Woche kann man bereits viel erreichen: »In der Summe eine Senkung des Blutdruckw­ertes um bis zu 15 mm Hg«, bestätigt der Hypertensi­ologe. Das Ziel liegt für den systolisch­en Wert unter 130 und für den diastolisc­hen bei 70 bis 79. Wenn der Wert wesentlich darüber bleibt und Lebensstil­maßnahmen nicht ausreichen, muss mit Medikament­en behandelt werden. Hier müssen wir auch bedenken, dass die Menschen des 21. Jahrhunder­ts wesentlich älter werden als noch vor 150 Jahren. Bei sehr alten Menschen liegt der Zielwert bei 140 zu 80 mm Hg.

Für die Diagnose einer Hypertonie ist es möglich, den Blutdruck zu Hause regelmäßig zu messen. Für die Erfolgskon­trolle aller Maßnahmen sowie der Behandlung mit Medikament­en kann das wertvoll sein. Nach einigen Wochen zeigt man das Protokoll mit den Messergebn­issen seinem Arzt, der sich so ein genaues Bild machen kann. Anders als in der Insulinthe­rapie bei Diabetiker­n, die ihre Tagesdosis entspreche­nd ihrer Blutzucker­werte selbst anpassen können, wirken Blutdrucks­enker erst allmählich über mehrere Wochen. Ein täglicher Richtungsw­echsel bei der Dosierung wäre hier falsch.

Im Winter, bei längeren Hochdruckw­etterlagen mit Sonne und starkem Frost, beobachten manche ebenfalls erhöhte Blutdruckw­erte. Das hat die Evolution durchaus sinnvoll so eingericht­et, damit Hände und Füße besser durchblute­t werden und nicht so leicht erfrieren. Gerade im Winter empfiehlt es sich, fettreiche­n Kaltwasser­fisch wie etwa Hering zu essen, dessen hochungesä­ttigte Fettsäuren einerseits den Blutdruck etwas senken und anderersei­ts das Blut dünnflüssi­ger halten. Für alle, die möglichst selbstbest­immt alt werden wollen, ist es sehr »wichtig, das Herz-Kreislauf-System mit Bewegung fit zu halten, und salzige Chips zu meiden«, bringt es der Mediziner Vonend auf den Punkt.

Jüngere Erwachsene mit erhöhtem Blutdruck, der sich auch durch einen roten Kopf oder Schlafstör­ungen bemerkbar machen kann, sollten frühzeitig organische Ursachen abklären lassen.

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Schon wieder zu hoch? – Das tägliche Messen des Blutdrucks kann für manche Patienten eine nützliche Routine sein.

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