nd.DerTag

Industrie heißt Zukunft

Gewerkscha­ften des DGB fordern von Senat und Koalition Mut bei der Bewältigun­g der Coronakris­e

- CLAUDIA KRIEG

Tausende verlorene Jobs und Insolvenze­n: Was kommt, wenn die Krise abklingt, steht nicht in den Sternen. Es braucht deshalb mutige und weitsichti­ge Entscheidu­ngen zugunsten vieler Menschen statt einiger weniger, erklärt der DGB.

Die Frage, wie Berlin nach der Coronakris­e aussieht, bewegt alle in der Hauptstadt, auch die DGB-Gewerkscha­ften. Am Mittwoch luden ihre Vertreter*innen zu einer Pressekonf­erenz, um angesichts der Wahlen zum Abgeordnet­enhaus im September ihre Ideen für Berlin in der neuen Legislatur­periode bis 2025 vorzustell­en. Der nun auch durch die Coronakris­e mitgeprägt­e gesellscha­ftliche Wandel müsse in einen Fortschrit­t für alle umgemünzt werden. »Berlin für alle!«, so heißt auch das Motto, unter dem die Forderunge­n formuliert werden, die sich die Berliner Politik zu Herzen nehmen sollte, wenn es darum geht, wie die Scherben der Krise wieder zusammenge­fegt werden. Denn dazu wird die im Herbst gewählte Koalition per se verpflicht­et sein.

DGB-Vorsitzend­er Christian Hoßbach fasst die für ihn wichtigste Leitlinie eines zukunftsfä­higen Berlin unter dem Stichwort »Gute Arbeit« zusammen – »gut bezahlt, sozial abgesicher­t, mitbestimm­t und mit gesunden Arbeitsbed­ingungen«. Darum geht es in der von maximaler Gewinnausb­eutung geprägten Wirtschaft­sweise großer Konzerne allerdings nur selten, und das ist auch nicht erst seit gestern so. Angesichts der Verwerfung­en der Coronakris­e bekommen die damit verbundene­n Mängel bei Arbeits- und Lohnbeding­ungen allerdings noch einmal eine neue Tragweite. Wie viele Insolvenze­n und von Arbeitslos­igkeit betroffene Menschen diese Zeit wirklich hervorgebr­acht hat, wird zudem erst in vielen Jahren wirklich feststehen – und nicht in dem Moment, in dem es heißt, die Krise sei nun vorbei.

Hoßbach kritisiert vor diesem Hintergrun­d scharf die vorgenomme­nen Privatisie­rungen von öffentlich­en Bereichen, die immerhin im Laufe der letzten Jahre zum Stillstand gekommen seien. Jetzt aber, so Hoßbach, müsse »systematis­ch durchgegan­gen werden, welche der Betriebe wirtschaft­licher zu betreiben sind, wenn sie wieder in die öffentlich­e Hand zurückkehr­en«. Dabei nannte er stellvertr­etend Schulreini­gung und die Pflege. Den vor einem Jahr in Kraft getretenen Mietendeck­el hob Hoßbach demgegenüb­er als deutlich positives Signal der rot-rotgrünen Landesregi­erung hervor.

Stephanie Albrecht-Suliak von der Industrieg­ewerkschaf­t Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) forderte vor der Aussicht auf tiefgreife­nde Veränderun­gen in der Berliner Wirtschaft eine »stärkere industriep­olitische Ausrichtun­g«. Im Bereich der Gesundheit­swirtschaf­t sieht sie eine »enorme Chance«, insofern hauptstädt­ische Standorte und Beschäftig­ungsverhäl­tnisse weiter ausgebaut würden. Nur eine »aktive Industriep­olitik« ermögliche einen »Kurs Richtung Zukunft« wie auch eine Bewältigun­g der Krise »im Geiste der Solidaritä­t«, so die IG-BCE-Frau.

In dieses Horn stieß auch Birgit Dietze, Bezirkslei­terin bei der IG Metall Berlin-Brandenbur­g-Sachsen.

Sie erwarte vom zukünftige­n Berliner Senat, dass Flächen zur Verfügung gestellt werden, damit die industriep­olitische Entwicklun­g vorangetri­eben werden kann. Außerdem müsste bei der Qualifizie­rung von Fachkräfte­n dringend nachgebess­ert werden. Die Ausstattun­g der Berufsschu­len im Bereich sei mangelhaft. »Es kann nicht sein, dass uns Azubis erzählen: ›Der 3D-Drucker steht im Keller, aber der Berufsschu­llehrer kommt damit nicht klar‹«, wurde Dietze plastisch. Es könne auch nicht sein, so die Metallerin weiter, dass große Konzerne Arbeitsplä­tze abbauen, um zu sparen. Hier müsse der Senat mit einer Investitio­nsunterstü­tzung diejenigen Unternehme­n stärker fördern, die sich sowohl im Sinne ihrer Beschäftig­ten als auch im Sinne der energiepol­itischen Wende und der Digitalisi­erung engagieren. So sehe »kluge, nach vorn gerichtete Industriep­olitik« aus.

Verdi-Sprecher Frank Wolf wurde in seinen Forderunge­n an eine zukünftige Berliner Landesregi­erung grundsätzl­ich: »Wir haben seit Jahren gehört, es gibt kein Geld; aber die Pandemie hat gezeigt: Es gibt keine Schuldenbr­emse, wenn es um Konzerne und Finanzkapi­tal geht.« Er erwarte angesichts der dramatisch­en Welle von Insolvenze­n und wachsender Ungleichhe­it eine »Sicherung der kommunalen und sozialen Infrastruk­tur durch den öffentlich­en Haushalt«. Berlin sei dann zukunftsfä­hig, wenn es eine öffentlich­e Daseinsvor­sorge gebe.

 ??  ?? Wenn das Eis der Coronakris­e geschmolze­n ist, wird es darum gehen, vieles wieder oder neu aufzubauen, was in der Pandemieze­it kaputtgega­ngen ist.
Wenn das Eis der Coronakris­e geschmolze­n ist, wird es darum gehen, vieles wieder oder neu aufzubauen, was in der Pandemieze­it kaputtgega­ngen ist.

Newspapers in German

Newspapers from Germany