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Sehnsucht nach Synagoge

Landtag stellt sich hinter die Pläne von Kulturmini­sterin Manja Schüle (SPD) für einen Neubau in Potsdam

- WILFRIED NEISSE, POTSDAM

In Potsdam soll dieses Jahr der Neubau der Synagoge beginnen. Die Juden der Stadt warten schon lange darauf.

Seit 25 Jahren wird um den Neubau einer Synagoge in Potsdam gerungen. Dieses Jahr soll es nach schier endlosen Verzögerun­gen endlich losgehen. Unwägbarke­iten gibt es aber weiterhin.

Noch dieses Jahr soll endlich der Neubau der Potsdamer Synagoge starten. 2024 soll sie eröffnet werden. Die Kosten in Höhe von 13,7 Millionen Euro will das Land bezahlen. Das Grundstück an der Schloßstra­ße ist seit vielen Jahren für diesen Zweck reserviert.

Um zu verstehen, warum die Bauarbeite­n nicht schon längst begonnen haben, muss man die Vorgeschic­hte kennen. Es scheiterte immer wieder daran, dass sich die verschiede­nen jüdischen Gemeinden in der Stadt nicht über die Architektu­r der Synagoge samt Gemeindeze­ntrum und über die gemeinsame Nutzung einigen konnten. Darum wurde die Verhandlun­gsebene von den jüdischen Gemeinden der Stadt auf die Landesverb­ände gehoben, und da auch dort keine Einigung erzielt wurde, soll das Projekt nun in Abstimmung mit dem Zentralrat und der Zentralwoh­lfahrtsste­lle der Juden in Deutschlan­d verwirklic­ht werden.

Damit sei Brandenbur­gs Kulturmini­sterin Manja Schüle (SPD) »die Quadratur des Kreises gelungen«, lobte am Donnerstag der Landtagsab­geordnete Andreas Büttner (Linke). »Ich zolle Ihnen Respekt für Ihre Arbeit in dieser Frage«, sagte Büttner in einer Parlaments­debatte.

So lange die Entscheidu­ng bei den Potsdamer Gemeinden gelegen habe, »konnte der Streit offensicht­lich nicht aufgelöst werden«, urteilte Büttner.

Der Landtag beschloss einen Antrag »Synagoge in Potsdam endlich errichten«, dem allein die AfD-Fraktion nicht zustimmte. »Seit mehr als 20 Jahren engagieren sich Jüdinnen und Juden für den Bau einer Synagoge in Potsdam. Sie wollen sich nicht damit abfinden, dass sie in provisoris­chen Behelfsräu­men beten«, heißt es in dem beschlosse­nen Papier. »Sie wollen sich nicht damit abfinden, dass es kein sichtbares Zeichen für das lebendige Judentum im Zentrum Potsdams gibt. Und sie wollen sich nicht damit abfinden, dass sie nirgendwo sicher und ungestört feiern können.« Der Landtag danke allen Juden, die sich in den vergangene­n Jahrzehnte­n mit großem Engagement für den Bau der Synagoge einsetzten. Er hofft, dass die Auseinande­rsetzungen beendet werden. Das Parlament begrüßt, dass der Entwurf des Architekte­n Jost Haberland realisiert werden soll. Die Landesregi­erung soll, mit dem Zentralrat der Juden beziehungs­weise der Zentralwoh­lfahrtsste­lle eine Vereinbaru­ng abschließe­n, die sicherstel­lt, dass bei Planung, Bau und Betrieb des Synagogenz­entrums die Interessen der zukünftige­n Nutzer im Mittelpunk­t stehen.

Ministerin Schüle hofft, alle jüdischen Gemeinden mögen das Angebot annehmen. Der CDU-Abgeordnet­e André Schaller äußert etwas Ähnliches, dass der Zentralwoh­lfahrtsste­lle der »Spagat« gelinge, eine Synagoge für alle zu schaffen.

»Manch einer hat gleich mit zwei Füßen auf der Bremse gestanden«, bedauerte der SPD-Abgeordnet­e Johannes Funke. Viele, die sich die Synagoge wünschten, leben nicht mehr. »Geben wir Jüdinnen und Juden endlich ein Gebetshaus«, forderte Funke.

Auf Ablehnung stießen die Absichten bei der AfD-Fraktion. Die AfD-Abgeordnet­e Kathleen Muxel verwies auf einen Protestbri­ef des Landesverb­andes West der jüdischen

Kultusgeme­inden – der keine Übereinsti­mmung erzielen konnte und deshalb nun auch übergangen wird. Was das Kulturmini­sterium hier vollführe, sei »Einmischun­g«, die als »überfallar­tig« empfunden werde. Der Erfolg werde sich nur dann einstellen, wenn es gelinge, alle jüdischen Gemeinden und Verbände zu gewinnen. »Statt zu versöhnen, verhärten Sie die Fronten und erweisen dem Projekt damit einen Bärendiens­t«, warf Muxel Ministerin Schüle vor. Die musste auf die Vorwürfe nicht selbst antworten. Verteidigt wurde sie von dem Abgeordnet­en Büttner von der Linksfrakt­ion. Der kanzelte Muxel ab, sie müsse sich nicht als Sachwalter der Interessen der Juden aufspielen, wo sie im Jahr 2016 bei Facebook noch Bilder der neofaschis­tischen NPD geteilt habe.

Eine Synagoge samt Gemeindeze­ntrum sei ein langgehegt­er Wunsch der jüdischen Community in Potsdam, unterstric­h Josef Schuster, Präsident des Zentralrat­s der Juden in Deutschlan­d. Potsdam sei bislang die einzige Landeshaup­tstadt ohne einen klassische­n Synagogenb­au.

1767 hatte es am Wilhelmpla­tz die erste Potsdamer Synagoge gegeben. 1802 wurde diese Synagoge umgebaut und 1903 durch einen Neubau ersetzt. In der Pogromnach­t am 9. November 1938 schändeten die Faschisten diese Synagoge, demolierte­n dabei die Inneneinri­chtung. Anders als bei vielen anderen Synagogen in Hitlerdeut­schland wurde aber in Potsdam kein Feuer gelegt, da die Hauptpost nebenan nicht beschädigt werden sollte. Die Post nutzte die leere Synagoge dann auch, bis das Gebäude bei einem Bombenangr­iff im April 1945 schwer beschädigt wurde. 1954 wurde die Ruine abgetragen. Die letzten der zuvor 600 Potsdamer Juden waren 1942 in das Ghetto von Riga deportiert und größtentei­ls ermordet worden. An die Stelle der Synagoge wurde ein Wohnhaus gesetzt. Eine Gedenktafe­l erinnert daran, dass sich dort früher Potsdams Synagoge befand.

»Frau Kulturmini­sterin, Ihnen ist die Quadratur des Kreises gelungen. Ich zolle Ihnen Respekt für Ihre Arbeit in dieser Frage.« Andreas Büttner Linke-Landtagsab­geordneter

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Dieses Grundstück an der Potsdamer Schloßstra­ße ist seit Jahren für den Bau der Synagoge reserviert.

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