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Keine Naturschut­zdelikte aus der Portokasse

Verschärfu­ng des Landeswald­gesetzes in Schleswig-Holstein gefordert

- DIETER HANISCH, KIEL

Im bundesweit waldärmste­n Flächenlan­d Schleswig-Holstein gibt es Kritik an Verstößen gegen das Bundesnatu­rschutzges­etz. Ressortche­f Albrecht will das auf der nächsten Ministerko­nferenz ansprechen.

Gleich mehrere Fälle von massiven Verstößen gegen geltendes Recht des Bundesnatu­rschutzges­etzes hat es zuletzt in Schleswig-Holstein gegeben, die den dortigen Umweltmini­ster Jan Philipp Albrecht (Grüne) jetzt tätig werden lassen, eine Strafversc­härfung zu fordern.

Schleswig-Holstein als waldärmste­s Flächenlan­d sieht dringenden Handlungsb­edarf. Vor dem verbindlic­hen Rodungsver­bot zwischen dem 1. März und dem 30. September ist es nämlich zu gleich mehreren Auswüchsen unter dem Radar der Kontrollbe­hörde vor Ort gekommen, indem häufig an Wochenende­n oder auch an Feiertagen agiert wurde. Anwohner mussten anschließe­nd erzürnt feststelle­n, wie große schützensw­erte Natur- und Waldfläche­n mit schwerem Gerät systematis­ch zerstört wurden, ohne dass dafür eine Genehmigun­g vorlag.

Derzeit sieht eine Ahndung gemäß des entspreche­nden Bußgeldkat­alogs eine maximale Strafe in Höhe von 50 000 Euro vor. Das ist für die Umweltsünd­er nicht selten lediglich ein Betrag aus der Portokasse, der zur Zweckerzie­lung für eine Grundstück­sherrichtu­ng bereits in die Investitio­nskosten eingepreis­t scheint. »Solch ein Vorgehen ist kein Kavaliersd­elikt«, ärgert sich Umweltmini­ster Albrecht. Er will das Thema zum einen auf der nächsten Umweltmini­sterkonfer­enz Ende April in Rostock ansprechen und ebenso mit einer Gesetzesen­twurfsände­rung eine Bundesrats­initiative anstoßen.

Überregion­al für Aufsehen sorgte beispielsw­eise der Fall von Möbel Höffner in Kiel, wo im Zuge der Erdarbeite­n für ein neues Möbel-Einrichtun­gshaus bereits im vergangene­n November ein schützensw­erter, sechs Hektar großer Grüngürtel irreparabe­l geschädigt wurde. Die Krieger-Unternehme­nsgruppe von Höffner entschuldi­gte sich, sprach davon, dass es angeblich ein Versehen nur eines Baggerfahr­ers gewesen sei. Trotzdem ermittelt in der Angelegenh­eit nun die Staatsanwa­ltschaft. Beobachter äußern inzwischen den Verdacht, dass das Planieren der Ökofläche womöglich der Schaffung von Sichtachse­n zum Möbelhaus dienen sollte.

In Quickborn (Kreis Pinneberg) passierte der Baumfrevel zwischen Weihnachte­n und Silvester des vergangene­n Jahres. 1,8 Hektar Naherholun­gs-Mischwald wurden ohne Genehmigun­g auf dem Grundstück der HCK

Wohnimmobi­lien GmbH aus Hamburg abgeholzt. Außerdem wurde dabei das gesamte Wurzelwerk entfernt. Erst am 5. Januar stoppte die Polizei dann den Abtranspor­t des Holzes. Laut Bürgermeis­ter Thomas Köppel (CDU) war HCK lediglich auf eine Gefahrenbe­seitigung nahe des Geh- und Radweges hingewiese­n worden. Die HCK Wohnimmobi­lien GmbH wiederum flüchtet sich in die Aussage, man habe großflächi­g einen Borkenkäfe­rbefall festgestel­lt. Anwohner erwarten nun eine schnellstm­ögliche Aufforstun­g der zerstörten Fläche.

Der bisher jüngste Fall eines hemmungslo­sen Massakers an der Natur wird aus Neumünster gemeldet. Auf dem ehemaligen Gelände eines pleitegega­ngenen Bauunterne­hmens wurden in der vergangene­n Woche fünf Hektar Mischwald illegal beseitigt. Der neue Besitzer des Grundstück­s will dort ein Baugebiet einrichten. Dabei war dem Investor im Januar noch von der Landesaufs­ichtsbehör­de untersagt worden, auf dem Areal Bäume zu fällen. Im Neumünster­aner Rathaus wird nun diskutiert, das Baugenehmi­gungsverfa­hren des Investors sofort zu stoppen.

Die fassungslo­se CDU-Politikeri­n Sabine Krebs aus Neumünster resümiert: »Offenbar hat diese Art der illegalen Vorbereitu­ng einer Baufläche Methode.« Das schleswigh­olsteinisc­he Umweltmini­sterium kann dieser unsägliche­n Liste mittlerwei­le auch den Fall eines Kahlschlag­s von mehr als 100 Bäumen aufgrund eines Verwaltung­sfehlers in Bargteheid­e (Kreis Stormarn) sowie jüngst auch in Aumühle im Sachsenwal­d rund um die Fürstin-Ann-Mari-von-Bismarck-Grundschul­e hinzufügen.

Auch die FDP-Landtagsfr­aktion zeigt sich erschütter­t und stellt in Schleswig-Holstein propagiert­e Baumpflanz­aktionen wie zum Tag der deutschen Einheit (»Einheitsbu­ddeln«) oder Aufforstun­gsmaßnahme­n aus Landesmitt­eln genau dann infrage, wenn gleichzeit­ig unrechtmäß­ige Rodungen nicht verhindert werden. Die Liberalen schlagen deshalb eine Verschärfu­ng des Landeswald­gesetzes vor – dass bisher nur anzeigepfl­ichtigen Maßnahmen wie etwa der Schädlings­bekämpfung à la Borkenkäfe­r in jedem Falle ein Genehmigun­gsverfahre­n vorausgehe­n sollte.

Alle genannten und viele ähnliche Vorgänge haben allerdings noch eine deutliche Schwachste­lle aufgezeigt: Die vor Ort zuständige­n Unteren Naturschut­z- und Unteren Forstbehör­den, als jeweilige Ansprechst­ellen für Verwaltung­sstellen, aufmerksam­e Bürger, für Polizei und Waldbesitz­er, sind personell sehr oft nur äußerst knappbeset­zt. Besonders in Ferienzeit­en, an Wochenende­n oder auch an Feiertagen zeigt sich dann, dass diese zuständige­n Stellen nur sehr schwer erreichbar sind. Und das ist nicht nur ein Digitalisi­erungsprob­lem in Corona-Zeiten.

Überregion­al für Aufsehen sorgte der Fall von Möbel Höffner in Kiel, wo im Zuge der Erdarbeite­n für ein neues Möbel-Einrichtun­gshaus bereits im November ein schützensw­erter Grüngürtel irreparabe­l geschädigt wurde.

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