Österreich: Blümel und die Dornen der Justiz
Im Spendenskandal um Novomatic wollen die Grünen dem Koalitionspartner ÖVP die Zähne zeigen
Ein Glückspielkonzern nutzt Kontakte in die Politik für die eigenen Geschäfte. In der Kritik steht Finanzminister Blümel.
Für alle gilt die Unschuldsvermutung, das hört man dieser Tage oft in Österreich. Sie gilt für den Finanzminister Gernot Blümel ebenso wie für Kanzler Sebastian Kurz, sie gilt für die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft WKStA, für den Glücksspielkonzern Novomatic und für Martina Kurz. Die ist nicht verwandt mit Sebastian Kurz, sondern frühere Aufsichtsrätin der Novomatic, Schwiegertochter von NovomaticEigentümer
Johann Graf und, wie sie selbst sagt, Namensgeberin für einen Kalendereintrag, der zur Staatsaffäre geworden ist.
Dabei geht es um die Frage, ob Finanzminister Gernot Blümel 2017 Kontakte spielen ließ, um der Novomatic in einem Steuernachzahlungsverfahren in Italien zu helfen. Vor allem aber darum, ob die Novomatic der ÖVP als Gegenleistung eine Spende zukommen ließ. Und eben deswegen gab es eine Hausdurchsuchung der WKStA bei Blümel.
Der Grund dafür liest sich so: »Guten Morgen, hätte eine Bitte: bräuchte einen kurzen Termin bei Kurz (erstens wegen Spende und zweitens bezüglich eines Problems, das wir in Italien haben! Glauben Sie, geht sich das noch diese Woche aus?? Ig Harald« So der Wortlaut jener SMS, die Novomatic-Chef Harald Neumann am 12. Juli 2017 an Blümel schickte. Neumann und Blümel hatten in den Folgejahren regelmäßig SMS-Verkehr. Daraus ergibt sich ein Bild von Blümel als einer Art Torwächter vor Kurz. In vertraulichem Tonfall geht es um die Neuregelung des Glücksspiels, gemeinsame Abendessen, Termine bei Kurz für Freunde. Und dann ist da auch dieser Eintrag am 25. Juli 2017 im Kalender von Novomatic-Eigentümer Johann Graf. Wortlaut: »Kurz«.
»Ich heiße nicht Martina Kurz, sondern Sebastian Kurz.« Das ließ der Kanzler später wissen. Die ÖVP zwirbelte die Geschichte nun so, als sei lediglich der Kalendereintrag Grund für die Hausdurchsuchung bei Blümel gewesen. Martina Kurz gab sogar eine eidesstattliche Erklärung ab, dass es sich bei dem Eintrag »Kurz« im Kalender ihres Schwiegervaters um sie handle. Nur: Später stellte das Justizministerium klar, dass der Kalendereintrag kein »entscheidender Grund« für die Anordnung der Hausdurchsuchung bei Blümel gewesen sei. Die WKStA habe den Termin »nicht als rechtlich relevant« für die Maßnahme betrachtet. Als »rechtlich relevant« eingestuft worden seien viel eher die SMS zwischen Neumann und Blümel.
Dabei hat die ÖVP sehr gute Gründe, nervös zu sein. Denn das, was als Ibiza-Affäre um die FPÖ im Sommer 2019 seinen Anfang nahm, ist längst eine ÖVP-Affäre auf vielen
Schauplätzen. So ist etwa bekannt, dass Parlamentspräsident Sobotka gute Kontakte zur Novomatic pflegte. Auch der Verein »Alois Mock Institut«, dem Sobotka als Präsident vorsteht, erhielt Geld von Novomatic; ebenso das Kammerorchester Waidhofen an der Ybbs, das Sobotka als Hobby dirigiert. Und Sobotka? Der ist Vorsitzender jenes Untersuchungsausschusses im Parlament, der vor allem einen Untersuchungsgegenstand hat: inwieweit die Novomatic die Glücksspielgesetzgebung in Österreich beeinflusste, sich über Parteispenden Einfluss erkaufte und wie diese Spenden über parteinahe Vereine in Parteikassen landeten. Aber befangen sei er nicht, wie er selbst sagt.
Während der Ausschuss unter Leitung Sobotkas für die ÖVP also unter Kontrolle ist, ist es die WKStA keinesfalls. Und keinesfalls neu ist auch die Aversion der ÖVP der WKStA gegenüber: Bereits im Frühjahr 2020 hatte Kurz sie als Netzwerk roter Staatsanwälte bezeichnet. Die aktuelle Eskalation hat aber eine neue Qualität: Jetzt will Kurz die WKStA dem Vernehmen nach auflösen. Und die ÖVP will bei der geplanten Justizreform offenbar auch die Berichterstattung über Ermittlungsverfahren erschweren und Medien das Zitieren aus Ermittlungsakten verbieten – nach deutschem Vorbild.
Derzeit führen die Grünen das Justizressort. Angesichts einer Serie von Grenzüberschreitungen in der Koalition dürften die Grünen ihre Rote Linie gefunden haben: Sie lehnen einem Umbau der WKStA klar ab. Aus der Parlamentsfraktion, die zuletzt vor allem mit Stille aufgefallen war, kommen scharfe Ansagen: Von einem »gestörten Verhältnis« der ÖVP zur unabhängigen Justiz sprach die Grüne Klubobfrau Sigrid Maurer. Sie erwarte, dass »die ÖVP ihre unwürdigen Attacken gegen die WKStA einstellt und ihre Energien dorthin richtet, wo sie hingehört, nämlich zur Aufklärung dieser äußerst dubiosen Vorgänge.« Einen Misstrauensantrag gegen Blümel hatten die Grünen aber nicht mitgetragen. Auch einen Aufruf zum Rücktritt gab es nicht seitens der Grünen. Und Blümel? Der kommentierte Rücktrittsaufforderungen nur so: »Das steht nicht zur Debatte.«
Naypyidaw. In Myanmar ist es am Donnerstag zu Zusammenstößen zwischen Anhängern der Militärjunta und Teilnehmern einer Pro-Demokratie-Kundgebung gekommen. In der größten Stadt Yangon hätten die PutschBefürworter mit Steinen auf Demonstranten geworfen, berichtete das Nachrichtenportal »Frontier Myanmar«. Augenzeugen zufolge gab es mehrere Verletzte. Die Gruppe hätte auch Messer und Schlagstöcke dabei gehabt.
In sozialen Netzwerken spekulierten Bürger, dass das Militär die Leute bezahlt haben könnte, um Unruhe zu stiften und den Eindruck zu erwecken, dass die Streitkräfte im Land eine große Anhängerschaft haben. Seit dem Putsch von Anfang Februar gibt es Massenproteste. Hunderttausende waren bereits auf den Straßen, um sich für eine Wiedereinsetzung der zivilen Regierung von Aung San Suu Kyi einzusetzen.
Das Militär hat immer wieder hart durchgegriffen und unter anderem Steinschleudern und Gummigeschosse gegen friedliche Demonstranten eingesetzt. Drei Menschen wurden mit scharfer Munition erschossen. Neben Demonstranten wurden auch viele Politiker und Journalisten festgenommen.
Facebook teilte mit, alle verbleibenden Seiten des Militärs auf seiner Plattform und auf Instagram »mit sofortiger Wirkung« zu sperren. »Wir glauben, dass es zu große Risiken birgt, wenn wir die Streitkräfte von Myanmar auf Facebook und Instagram zulassen«, hieß es in einer Erklärung. Seiten von Medien, die von der Armee kontrolliert werden, würden ebenso blockiert wie Anzeigen, die mit dem Militär in Zusammenhang stünden. Facebook ist in dem Land mit mehr als 50 Millionen Einwohnern weit verbreitet.
Wichtige Medienunternehmen in Myanmar kündigten derweil an, sich von der Junta nicht einschüchtern zu lassen. Sie reagierten auf Anweisungen des Militärs, in denen die Medien aufgefordert wurden, Begriffe wie »Putschregierung« oder »Militärregime« zu unterlassen. Sie erklärten, sie wollten sich weiter für freie Berichterstattung einsetzen, so wie es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert sei.