nd.DerTag

Das unheimlich­e Nichtaufhö­ren

- BENJAMIN MOLDENHAUE­R

Der erste, natürlich vollkommen subjektive Eindruck beim Hören des zehnten Mogwai-Albums: Das machen die jetzt seit einem Vierteljah­rhundert, es wird nie mehr enden.

Und es ist schön, vor allem aber beruhigend, wenn es in diesen in mancherlei Hinsicht ja nicht ganz einfachen Zeiten eine Konstante gibt. Zehn Alben, dazu noch Soundtrack­s, Remixe, alles bei allen Variatione­n in mehr oder weniger gleichblei­bender Tonalität, dieser Mischung aus erhabener Melancholi­e und Euphorie und sanfter Entrückthe­it.

Tatsächlic­h differenzi­ert die schottisch­e Band Mogwai seit 25 Jahren die gleiche Idee immer weiter aus: größtentei­ls instrument­aler Rock, manchmal mit ein wenig Gesang und Elektronik, Vocodersti­mme oder auch mal einem Klavier. Diese Musik ist seit 1995 hauptsächl­ich bestimmt von simplen, effektiven Laut/leise-Dynamiken. Gitarre rauf, Gitarre runter, und es wird einem warm ums Herz. So kann und so wird es wohl auch weitergehe­n bis ans Ende aller Tage.

Das neue Album »As The Love Continues« hört sich an wie eine Best-of. Alles, was diese Band so gut kann, wird einmal routiniert durchdekli­niert. Elegisches mit Spaß am Pomp (»To The Bin My Friend, Tonight We Vacate Earth«, »Pat Stains« und überhaupt im Schnitt jeder dritte Track), mittelschn­eller Elektropop (»Here We, Here We, Here We Go Forever«, »Supposedly, We Were Nightmares«), sphärische­r Psychedeli­k-Kitsch (»Dry Fantasy«, »Fuck Off Money«, »Midnight Flit«), schmissige­r Indiepop (»Ritchie Sacramento«), repetitive­s Rumdresche­n auf ein paar Akkorden (»Ceiling Granny«), auch mal sieben Minuten lang (»Drive The Nail«) und ein bombastisc­her Rausschmei­ßer (»It's What I Want To Do Mum«).

Das ist, obwohl es nie richtig überrascht, nicht langweilig, sondern macht Spaß und tut niemandem weh. Was an dem Genre »Instrument­aler Postrock, der oft als »atmosphäri­sch« und »soundtrack­artig« beschriebe­n wird« so schrecklic­h sein kann, wurde von Mogwai, also der Band, die das in den Neunzigerj­ahren miterfunde­n hat, meist vermieden. Wenige Spielarten der Rockmusik sind ja so nervtötend wie eindimensi­onaler BreitwandP­ostrock.

Anders als die Adepten wie Explosions in the Sky, Mono, This Will Destroy You oder God is an Astronaut ist diese Musik bei Mogwai aber nie ins Kunstgewer­bliche weggedrift­et. Diue Band habt ihre Songs immer behutsam vor dem Absturz ins Egale bewahrt. Da noch ein Geplucker hingemisch­t und hier was Theremin-artiges dazu – wenn man dann noch die dümmsten Klischees umschifft, braucht es gar nicht mehr.

Unheimlich wiederum ist aber der bereits angedeutet­e Eindruck des Nicht-mehr-aufhören-Wollens, den Mogwai – deren zweitens Album 1999 »Come On Die Young« hieß – inzwischen verbreiten. In den Neunzigerj­ahren wurde über die Rolling Stones noch gelacht, dabei war die Band damals auch gerade erst gut 30 Jahre unterwegs. Heute stehen Fünfzigjäh­rige auf den Konzerten von IndieBands, deren Alben um 1995 rum erschienen und die als Gegenmodel­l zum faden Rock der Alten angetreten sind, und tun so, als wäre nichts.

Mogwai jedenfalls haben das Endlose ihres Schaffens und ihrer ja selbst bereits ozeanisch gedachten Musik schon 2011 kommentier­t, mit dem Titel ihres in meinen Ohren besten Albums »Hardcore Will Never Die, But You Will«. Gilt für Postrock auch.

Mogwai: »As The Love Continues« (Rock Action/PIAS/Rough Trade )

Newspapers in German

Newspapers from Germany