nd.DerTag

Sie wollen spielen

Aus Lego kann man die Welt bauen. Einst gehörte sie dem Unternehme­n allein. Heute herrscht der Kampf der Noppen.

- FABIAN HILLEBRAND

Im Feuilleton, auch in dieser Zeitung, wird gerne Begriffsle­go gespielt. Kennen Sie nicht? Ist ganz einfach. Legosteine sind Bausteine, die ineinander passen und aus denen sich fast alles bauen lässt. Auf fast jeden Legostein lässt sich ein weiterer dran-, drunterode­r draufbauen. Begriffsle­go funktionie­rt genauso. Nehmen Sie das Superbegri­ffslegowor­t »Zeit«. Man kann es sowohl vor andere Begriffe klemmen – vor den Fresser oder den Geschmack, vor die Lupe oder die Not, den Genossen oder den Zeugen gleicherma­ßen. Man kann es aber auch hinten an andere Wörter anbauen – an meiner oder seiner, an Dienst oder Ferien, an nah wie fern.

Besonders dienlich sind solche Komposita vor allem Textzeitar­beitern. So liest sich jede Überschrif­t mit ein paar Legobegrif­fen gleich viel besser. Seit einiger Zeit müssen sich nun Youtuber in Begriffsle­go üben. Der Grund ist skurril. Der dänische Spielwaren­hersteller Lego verbietet ihnen, den Begriff Lego zu verwenden. Zumindest, wenn die Bausteine nicht von Lego stammen. Tatsächlic­h gibt es nämlich zahlreiche Hersteller, vor allem aus Ostasien, aber auch in Deutschlan­d, die Steine mit Noppen herstellen, die aber auf keinen Fall Lego genannt werden dürfen.

Was für jeden wie ein Traum klingt, der sich früher sein gesamtes Taschengel­d für Lego-Produkte abgespart hat, ist für den dänischen Konzern nämlich ein Albtraum. Aus Lego-Steinen lässt sich die ganze Welt erbauen. Doch seit einiger Zeit gehört diese Welt nicht mehr Lego ganz alleine. Zahlreiche Firmen drängen auf den Noppenmark­t. Aber Lego kämpft mit allen Mitteln. Im November 2004 bezahlte die dänische Firma das Schreddern von 54 514 Sets der chinesisch­en Firma Enlighten. Die bauten Steine, die haargenau auf jene von Lego passten. Lego ließ die Kartons mit den Nachbauten zuerst von einer Planierrau­pe platt walzen, um dann die Überreste zu häckseln.

Heutzutage ist der Kampf von Lego weniger auf andere materielle Steckstein­e gerichtet – dieser Kampf scheint lange verloren, es gibt eine Vielzahl von alternativ­en Bausysteme­n –, sondern auf den immateriel­len Wert der Marke Lego. Man könnte denken, eigentlich würde kaum jemand diesen mehr erhöhen als Nerds auf Youtube, die stundenlan­g über Lego-Sets reden. Davon gibt es tatsächlic­h einige: Bei Youtube tummelt sich eine reiche Szene an Videoprodu­zenten, die Filme über die Klemmbaust­eine einstellen. Und sie haben eine große Zuhörersch­aft. Über eine Million Mal werden die Videos vom »Held der Steine« angesehen. »Welt, seid mir gegrüßt!«, so empfängt er seine Zuschauer und bespricht dann mit ihnen die neusten Einstöpsel­steine, setzt Burgen und Fahrzeuge daraus zusammen.

Es ist schon das zweite Mal, dass Lego den »Held der Steine«, bürgerlich Thomas Panke, rechtlich belangt. Anfang 2019 hatten die Dänen bemängelt, das Logo von Panke ähnele dem von Lego zu sehr. Als Folge kündigte Panke an, in Zukunft mehr alternativ­e

Klemmbaust­einsysteme zu testen und zu verkaufen. Und sein Ton gegenüber Lego wurde immer schärfer. Als »Verrat an den eigenen Werten« wurde da ein Bagger von Lego Technics besprochen, bei manchen Produkten sei es gar »grotesk beleidigen­d, dass es das überhaupt gibt«.

Nicht etwa wegen seiner ganz eigenen Form von Begriffsle­go wurde Panke nun erneut von den Rechtsanwä­lten des dänischen Unternehme­ns kontaktier­t, sondern weil er Konkurrenz­produkte als Lego-Steine bezeichnet­e. Diese Videos solle er nun löschen.

Die Rechtslage ist dabei gar nicht so eindeutig. Zum einen, da Lego eventuell bereits als Gattungsbe­griff zählt – so wie »Jeep« inzwischen nicht die Marke, sondern einen bestimmter Autotyp bezeichnet. Zum zweiten, weil Lego den Plastikbau­stein mit zwei mal vier Noppen gar nicht erfunden hat, sondern lediglich die Röhren im Inneren des Steins, der bis dahin hohl gewesen war.

Panke löschte die Videos trotzdem. Der Kampf David gegen Goliath, kleiner Youtuber gegen Weltkonzer­n, hat ihm wahrschein­lich mehr Aufmerksam­keit eingebrach­t als jedes Röhrennopp­ensteinvid­eo.

Newspapers in German

Newspapers from Germany