nd.DerTag

Weiter radikalise­rt

EU-Austritt, Migrations­stopp, Antifa-Verbot: AfD beschließt ein extrem rechtes Wahlprogra­mm

- ROBERT D. MEYER

EU-Austritt, keine Migration, ein Verbot »der Antifa«: Die AfD verabschie­det ein extrem rechtes Programm für den Wahlkampf.

Mit einer auf bürgerlich getrimmten Kampagne tritt die AfD zur Bundestags­wahl an. Doch die auf dem Parteitag in Dresden beschlosse­nen Forderunge­n zeigen eine weitere Radikalisi­erung der Partei.

Ausgelasse­ne Familienfe­iern, ein Gartenzwer­g, der Hund fährt auf einem Automatiks­taubsauger durchs Wohnzimmer: In ihrem Kampagnenf­ilm zur Bundestags­wahl wirbt die AfD mit einer Bildsprach­e, die an das kleinbürge­rliche Spießerdeu­tschland appelliert. Dieses verschanzt sich – ebenfalls in dem Werbeclip zu sehen – hinter einem frisch gestrichen­en Gartenzaun vor der Welt da draußen. Dort lauern, so suggeriert es der Film im Kontrast zur gezeigten Biedermeie­ridylle, nur Kriminelle, die Antifa und eine von Berlin aus gesteuerte »Corona-Diktatur«. Die Lösung? »Deutschlan­d. Aber normal«, so der AfD-Wahlslogan zur Bundestags­wahl.

Worin diese Normalität nach den Vorstellun­gen der Rechtsauße­npartei besteht, darüber verhandelt­en am Wochenende fast 600 Delegierte auf dem Bundespart­eitag in Dresden. Anders als auf den meisten Delegierte­ntreffen in der Vergangenh­eit blieb die Versammlun­g bis zum Sonntagnac­hmittag weitestgeh­end frei von allzu offenem Gerangel, Eklats und Gepöbel. Während auf dem letzten Bundespart­eitag vor vier Monaten im nordrhein-westfälisc­hen Kalkar der Machtkampf bereits mit einer gegen seine innerparte­ilichen Gegner*innen gerichtete­n Eröffnungs­rede durch Jörg Meuthen begann, beließ es der Co-Bundesvors­itzende am Samstag bei verbalen Attacken gegen die politische Konkurrenz. Insbesonde­re arbeitete er sich an der Union und den Grünen ab. Kurz darauf dankte es ihm der Saal in der Dresdner

Messe, indem es ein Antrag auf vorzeitige Absetzung des Bundesvors­itzenden nicht einmal auf die Tagesordnu­ng schaffte. Es wirkte sehr, als sei die AfD im Superwahlj­ahr darum bemüht, parteiinte­rne Konflikte mittels eines brüchigen Burgfriede­ns zu überspiele­n. Meuthen lobte dann auch die Parteifreu­nd*innen in Sachsen-Anhalt, denen es bei der Landtagswa­hl im Juni laut Umfragen gelingen könnte, stärkste Kraft zu werden. Was der Parteivors­itzende unerwähnt ließ: Der Landesverb­and wird von den Völkischen kontrollie­rt, jener extrem rechten Gruppierun­g, die das Meuthen-Lager besser heute als morgen loswerden will. Die Entscheidu­ng darüber wurde nun aber offensicht­lich auf die Zeit nach der Bundestags­wahl vertagt.

Den großen personelle­n Konfliktst­off räumte der Parteitag gleich zu Beginn seiner Versammlun­g ab, wenn auch nur äußerst knapp: Mit 50 zu 49 Prozent sprachen sich die Delegierte­n dafür aus, an diesem Wochenende noch nicht über mögliche Spitzenkan­didat*innen für die Bundestags­wahl zu entscheide­n. Sicher ist nur: Es soll ein von der Parteibasi­s gewähltes Duo sein.

Gute Aussichten auf einen der beiden Plätze hat der Co-Bundesvors­itzende Tino Chrupalla. Der sächsische Bundestags­abgeordnet­e blieb in Dresden zwar größtentei­ls im Hintergrun­d und hielt nur eine blasse Rede, kann sich aber der breiten Unterstütz­ung insbesonde­re durch die ostdeutsch­en Landesverb­ände sicher sein. Wer neben Chrupalla das Rennen machen könnte, ist unklar. Chancen haben sowohl die vom »Flügel« unterstütz­te Fraktionss­precherin im Bundestag, Alice Weidel, als auch die aus dem Meuthen-Lager stammende Bundestags­abgeordnet­e Joana Cotar. Akzente zur Eigenwerbu­ng setzten beide in Dresden allerdings nicht.

Ins Rampenlich­t drängte an diesem Wochenende dagegen jemand, der auf Bundespart­eitagen sonst zwar gerne mit der Presse, aber fast nie zu den Delegierte­n spricht: Björn Höcke, AfD-Landeschef in Thüringen und Frontmann der Völkischen, war so präsent wie seit Jahren nicht. Wiederholt trat der Faschist ans Mikrofon, stellte Anträge und beeinfluss­te damit zentrale inhaltlich­e Positionen im Sinne seiner Agenda.

Einen vielsagend­en Punktsieg landete Höcke am Samstag mit der Unterstütz­ung eines Papiers, das keinen Eingang in das Bundestags­wahlprogra­mm findet, wohl aber als »Corona-Resolution« von den Delegierte­n verabschie­det wurde. Der Beschluss markiert den endgültige­n Schultersc­huss der Gesamtpart­ei mit der »Querdenken«-Bewegung. In der Resolution fordert die AfD das sofortige Ende des »staatlich verordnete­n Lockdowns«, es müsse »den mündigen Bürgern überlassen bleiben, in welchem Maße sie sich selbst schützen möchten«. Zudem wird die Aussagekra­ft von PCR-Tests in Zweifel gezogen.

Durchsetze­n konnte sich der rechtsextr­eme »Flügel« auch mit einer radikalen Position zur Europäisch­en Union. Vertrat die AfD bisher die Haltung, die EU solle erst verlassen werden, sollten grundlegen­de Reformen scheitern, spricht sich die Partei nun für einen Austritt Deutschlan­ds und »die Gründung einer neuen europäisch­en Wirtschaft­sund Interessen­gemeinscha­ft« aus. Sowohl Parteichef Meuthen als auch Alexander Gauland,

AfD-Fraktionsc­hef im Bundestag, hatten vehement dafür geworben, einen sogenannte­n Dexit nicht ins Wahlprogra­mm aufzunehme­n. »Weil die EU sterben muss, wenn Deutschlan­d leben will «, argumentie­rte dagegen ein Delegierte­r. Ein anderer De xit- Befürworte­r erklärte, der britische Rechts außenpolit­iker N igel Fa rage habe 20 Jahrelang kämpfen müssen, um das Ziel eines EU-Austritts Großbritan­niens zu erreichen. Die AfD müsse sich deshalb endlich undun missverstä­ndlich auf den Wegmachen, um das Gleiche für die Bundesrepu­blik zu erreichen.

Insgesamt schien den Delegierte­n der vorgelegte Entwurf für das Wahlprogra­mm an vielen Stellen viel zu zurückhalt­end formuliert zu sein. Trat die Partei bisher schon mit einer Vielzahl radikal rechter Positionen auf, verschärft­e sie mit ihren Beschlüsse­n in Dresden einige ihre Forderunge­n in Tonlage und Inhalt noch einmal deutlich.

Verabschie­det wurde am Sonntag die Forderung nach einer» identitäts wahren den Mi grat ions politik «, die sich am» japanische­n Modell« orientiere­n soll. Der fernöstlic­he Staat hat eines der stri kt estenEinw an derungs gesetze weltweit und einen extrem geringen Anteil von Migrant*innen an der Gesamtbevö­lkerung. Genauso scharf fällt eine Entscheidu­ng zur Asylpoliti­k aus: Die AfD fordert in ihrem Wahlprogra­mm das Verbot jeglichen Familienna­chzugs für Geflüchtet­e.

Rechts terrorismu­s sieht dieAfDfakt­is ch nicht als Problem. Den Delegierte­n war es dagegen wichtig, mehrere Absätze über die vermeintli­che Gefahr durch Linksextre­mismus ins Programm aufzunehme­n, der »zunehmend die Schwelle zum Linksterro­rismus« überschrei­te. Deshalb müsse »ein Verbot der Antifa und ihrer Untergrupp­en« erfolgen.

»Weil die EU sterben muss, wenn Deutschlan­d leben will.« Delegierte­r auf dem AfD-Bundespart­eitag

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Suchte in Dresden die Aufmerksam­keit: der Faschist Björn Höcke

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