Weiter radikalisert
EU-Austritt, Migrationsstopp, Antifa-Verbot: AfD beschließt ein extrem rechtes Wahlprogramm
EU-Austritt, keine Migration, ein Verbot »der Antifa«: Die AfD verabschiedet ein extrem rechtes Programm für den Wahlkampf.
Mit einer auf bürgerlich getrimmten Kampagne tritt die AfD zur Bundestagswahl an. Doch die auf dem Parteitag in Dresden beschlossenen Forderungen zeigen eine weitere Radikalisierung der Partei.
Ausgelassene Familienfeiern, ein Gartenzwerg, der Hund fährt auf einem Automatikstaubsauger durchs Wohnzimmer: In ihrem Kampagnenfilm zur Bundestagswahl wirbt die AfD mit einer Bildsprache, die an das kleinbürgerliche Spießerdeutschland appelliert. Dieses verschanzt sich – ebenfalls in dem Werbeclip zu sehen – hinter einem frisch gestrichenen Gartenzaun vor der Welt da draußen. Dort lauern, so suggeriert es der Film im Kontrast zur gezeigten Biedermeieridylle, nur Kriminelle, die Antifa und eine von Berlin aus gesteuerte »Corona-Diktatur«. Die Lösung? »Deutschland. Aber normal«, so der AfD-Wahlslogan zur Bundestagswahl.
Worin diese Normalität nach den Vorstellungen der Rechtsaußenpartei besteht, darüber verhandelten am Wochenende fast 600 Delegierte auf dem Bundesparteitag in Dresden. Anders als auf den meisten Delegiertentreffen in der Vergangenheit blieb die Versammlung bis zum Sonntagnachmittag weitestgehend frei von allzu offenem Gerangel, Eklats und Gepöbel. Während auf dem letzten Bundesparteitag vor vier Monaten im nordrhein-westfälischen Kalkar der Machtkampf bereits mit einer gegen seine innerparteilichen Gegner*innen gerichteten Eröffnungsrede durch Jörg Meuthen begann, beließ es der Co-Bundesvorsitzende am Samstag bei verbalen Attacken gegen die politische Konkurrenz. Insbesondere arbeitete er sich an der Union und den Grünen ab. Kurz darauf dankte es ihm der Saal in der Dresdner
Messe, indem es ein Antrag auf vorzeitige Absetzung des Bundesvorsitzenden nicht einmal auf die Tagesordnung schaffte. Es wirkte sehr, als sei die AfD im Superwahljahr darum bemüht, parteiinterne Konflikte mittels eines brüchigen Burgfriedens zu überspielen. Meuthen lobte dann auch die Parteifreund*innen in Sachsen-Anhalt, denen es bei der Landtagswahl im Juni laut Umfragen gelingen könnte, stärkste Kraft zu werden. Was der Parteivorsitzende unerwähnt ließ: Der Landesverband wird von den Völkischen kontrolliert, jener extrem rechten Gruppierung, die das Meuthen-Lager besser heute als morgen loswerden will. Die Entscheidung darüber wurde nun aber offensichtlich auf die Zeit nach der Bundestagswahl vertagt.
Den großen personellen Konfliktstoff räumte der Parteitag gleich zu Beginn seiner Versammlung ab, wenn auch nur äußerst knapp: Mit 50 zu 49 Prozent sprachen sich die Delegierten dafür aus, an diesem Wochenende noch nicht über mögliche Spitzenkandidat*innen für die Bundestagswahl zu entscheiden. Sicher ist nur: Es soll ein von der Parteibasis gewähltes Duo sein.
Gute Aussichten auf einen der beiden Plätze hat der Co-Bundesvorsitzende Tino Chrupalla. Der sächsische Bundestagsabgeordnete blieb in Dresden zwar größtenteils im Hintergrund und hielt nur eine blasse Rede, kann sich aber der breiten Unterstützung insbesondere durch die ostdeutschen Landesverbände sicher sein. Wer neben Chrupalla das Rennen machen könnte, ist unklar. Chancen haben sowohl die vom »Flügel« unterstützte Fraktionssprecherin im Bundestag, Alice Weidel, als auch die aus dem Meuthen-Lager stammende Bundestagsabgeordnete Joana Cotar. Akzente zur Eigenwerbung setzten beide in Dresden allerdings nicht.
Ins Rampenlicht drängte an diesem Wochenende dagegen jemand, der auf Bundesparteitagen sonst zwar gerne mit der Presse, aber fast nie zu den Delegierten spricht: Björn Höcke, AfD-Landeschef in Thüringen und Frontmann der Völkischen, war so präsent wie seit Jahren nicht. Wiederholt trat der Faschist ans Mikrofon, stellte Anträge und beeinflusste damit zentrale inhaltliche Positionen im Sinne seiner Agenda.
Einen vielsagenden Punktsieg landete Höcke am Samstag mit der Unterstützung eines Papiers, das keinen Eingang in das Bundestagswahlprogramm findet, wohl aber als »Corona-Resolution« von den Delegierten verabschiedet wurde. Der Beschluss markiert den endgültigen Schulterschuss der Gesamtpartei mit der »Querdenken«-Bewegung. In der Resolution fordert die AfD das sofortige Ende des »staatlich verordneten Lockdowns«, es müsse »den mündigen Bürgern überlassen bleiben, in welchem Maße sie sich selbst schützen möchten«. Zudem wird die Aussagekraft von PCR-Tests in Zweifel gezogen.
Durchsetzen konnte sich der rechtsextreme »Flügel« auch mit einer radikalen Position zur Europäischen Union. Vertrat die AfD bisher die Haltung, die EU solle erst verlassen werden, sollten grundlegende Reformen scheitern, spricht sich die Partei nun für einen Austritt Deutschlands und »die Gründung einer neuen europäischen Wirtschaftsund Interessengemeinschaft« aus. Sowohl Parteichef Meuthen als auch Alexander Gauland,
AfD-Fraktionschef im Bundestag, hatten vehement dafür geworben, einen sogenannten Dexit nicht ins Wahlprogramm aufzunehmen. »Weil die EU sterben muss, wenn Deutschland leben will «, argumentierte dagegen ein Delegierter. Ein anderer De xit- Befürworter erklärte, der britische Rechts außenpolitiker N igel Fa rage habe 20 Jahrelang kämpfen müssen, um das Ziel eines EU-Austritts Großbritanniens zu erreichen. Die AfD müsse sich deshalb endlich undun missverständlich auf den Wegmachen, um das Gleiche für die Bundesrepublik zu erreichen.
Insgesamt schien den Delegierten der vorgelegte Entwurf für das Wahlprogramm an vielen Stellen viel zu zurückhaltend formuliert zu sein. Trat die Partei bisher schon mit einer Vielzahl radikal rechter Positionen auf, verschärfte sie mit ihren Beschlüssen in Dresden einige ihre Forderungen in Tonlage und Inhalt noch einmal deutlich.
Verabschiedet wurde am Sonntag die Forderung nach einer» identitäts wahren den Mi grat ions politik «, die sich am» japanischen Modell« orientieren soll. Der fernöstliche Staat hat eines der stri kt estenEinw an derungs gesetze weltweit und einen extrem geringen Anteil von Migrant*innen an der Gesamtbevölkerung. Genauso scharf fällt eine Entscheidung zur Asylpolitik aus: Die AfD fordert in ihrem Wahlprogramm das Verbot jeglichen Familiennachzugs für Geflüchtete.
Rechts terrorismus sieht dieAfDfaktis ch nicht als Problem. Den Delegierten war es dagegen wichtig, mehrere Absätze über die vermeintliche Gefahr durch Linksextremismus ins Programm aufzunehmen, der »zunehmend die Schwelle zum Linksterrorismus« überschreite. Deshalb müsse »ein Verbot der Antifa und ihrer Untergruppen« erfolgen.
»Weil die EU sterben muss, wenn Deutschland leben will.« Delegierter auf dem AfD-Bundesparteitag