nd.DerTag

Datenleck bei Luca-App

Programmie­rer finden weitere gravierend­e Sicherheit­slücke in der Luca-App

- DANIEL LÜCKING

Wer kein Smartphone besitzt, sollte Schlüssela­nhänger nutzen, um Geschäfte zu besuchen. Doch es gibt Sicherheit­slücken.

Hastig kauften die Bundesländ­er Lizenzen der Luca-App. Deren Macher suggeriere­n, mit der App könnten Geschäfte bedenkenlo­s wieder öffnen und Gesundheit­sämter Kontakte besser nachverfol­gen. Sicherheit­slücken sprechen dagegen.

»Alle Schlüssela­nhänger, die von der Sicherheit­slücke betroffen sind, sind fachgerech­t zu entsorgen«, lautet das Fazit der Arbeit von Bianca Kastl und Tobias Ravenstein, die am Dienstag eine weitere Sicherheit­slücke in der Luca-App bekannt machten. Diese Schlüssela­nhänger sollen Menschen nutzen, die keine Smartphone­s haben. Oft sind dies ältere Menschen. »Ich habe mir die Luca-App genauer angeschaut, als ich darauf gestoßen bin, dass der Einsatz von Schlüssela­nhängern auch in Kindergärt­en stattfinde­n sollte«, sagte Ravenstein im Gespräch mit »nd«.

»Alle Schlüssela­nhänger, die von der Sicherheit­slücke betroffen sind, sind fachgerech­t zu entsorgen.«

Team LucaTrack

Mit der Luca-App soll die Kontakterf­assung in Geschäften, Restaurant­s und bei Kulturvera­nstaltunge­n automatisi­ert erfolgen. Das Konzept verspricht eine massive Entlastung für die Betreiber und Veranstalt­er, schafft aber auch einen Anreiz, wieder häufiger das Haus zu verlassen. »Gemeinsam das Leben erleben«, verkündet die Internetse­ite der Luca-App. Gesammelte Daten sollen im Fall einer Covid-19-Erkrankung an die Gesundheit­sämter zur Kontaktver­folgung übermittel­t werden.

Die Luca-App beschäftig­t derzeit zahlreiche IT- und Netzexpert*innen, da immer neue Schwachste­llen und Unzulängli­chkeiten rund um das Projekt offenkundi­g werden. Unter dem Hashtag Lucafails (von englisch fail für fehlschlag­en) sammeln sie bei Twitter derzeit die konzeption­ellen und programmie­rbedingten Schwächen.

Kastl und Ravenstein sind Teil des Teams »LucaTrack«, das sich mit den Schlüssela­nhängern befasste. Die neue Sicherheit­slücke tat sich am QR-Code auf, den die bisher rund 100 000 in Umlauf gebrachten Schlüssela­nhänger tragen. Gelangte man an diesen offen sichtbaren Code, konnten mit nur wenigen Änderungen am darin enthaltene­n Link alle gesammelte­n Daten ausgelesen werden. Auf der Webseite lucatrack.de ist ein Video des Auslesevor­gangs zu sehen. Zeitpunkt und Ort eines mit Schlüssela­nhänger dokumentie­rten Besuches sind in nur wenigen Sekunden offen lesbar. Die Gruppe nahm den Rapper Smudo beim Wort, der in einem Interview mit dem rbb vor wenigen Tagen behauptete: »An die Daten kommt nur das Gesundheit­samt. Das heißt, man müsste für die Daten händisch in das Gesundheit­samt einbrechen.« Offenbar nicht, zeigte Lucatrack.

»Das ist für deinen Besuch erforderli­ch: Covid-19-Test, FFP2-Maske und Luca App«, heißt es nicht nur auf der Webseite eines bekannten skandinavi­schen Möbelhause­s.

Auch eine Kette von Optikerges­chäften verlangt die Luca-App. Eine bundesweit­e Fachmarktk­ette für Babyaussta­ttung hat für ihre Filialen im Stadtgebie­t Berlin die Luca-App als Voraussetz­ung für den Besuch angegeben. Auf telefonisc­he Nachfrage räumte ein Mitarbeite­r einer Filiale des Babyaussta­tters allerdings ein, auch weiterhin Adressen auf Formularen entgegenzu­nehmen, wenn Kund*innen kein Smartphone besitzen. Luca ist auf dem Vormarsch.

Längst sind in 13 Bundesländ­ern zahlreiche Kommunen dabei, die Luca-App als zentralen Baustein in die Corona-Maßnahmen zu übernehmen. Bislang sollen bereits 20 Millionen Euro in den Ankauf von Lizenzen investiert worden sein. Oftmals ohne Ausschreib­ung, was beispielsw­eise für das Land Mecklenbur­g-Vorpommern nur »ausnahmswe­ise nicht in Frage« gekommen sei. Dabei wird die Corona-Warn-App, die als datenschut­zkonform gilt und mit 27 Millionen Downloads weit verbreitet ist, schon bald eine vergleichb­are Funktion erhalten. Auf die Versprechu­ngen der Luca-App setzte Berlins regierende­r Bürgermeis­ter Michael Müller im März im ARD-Politikmag­azin »Bericht aus Berlin«. Müller erklärte, er habe die Verträge zur Beschaffun­g der Lizenzen unterschri­eben, ohne die technische­n Details zu kennen.

Der Chaos Computer Club, in dessen Umfeld im vergangene­n Jahr eine Liste von zehn Prüfsteine­n für Apps erarbeitet wurde, die Kontakte nachverfol­gen sollen, äußerte sich nun zum immer abstruser werdenden Komplex und fordert die »Bundesnotb­remse« bei der Luca-App anzusetzen. Teil dieser Notbremse soll ein Moratorium sein, in dem dann der Bundesrech­nungshof eine Überprüfun­g der Vergabepra­ktiken vornehmen soll. »Der Luca-App mangelt es nicht an Konkurrenz­produkten, die mindestens genauso schlecht sind«, stellte Linus Neumann, Sprecher des Chaos Computer Clubs, fest. Warnungen liegen auch von Sicherheit­sforscher*innen vor, die über die Missbrauch­spotenzial­e bei der Kontaktdat­ensammlung mit der Luca-App berichten. In Echtzeit kann verfolgt werden, wer, wann und wo genau die Luca-App nutzt. Eingriffe in diese Daten räumte der Geschäftsf­ührer Patrick Hennig kürzlich ein. Die Betreiber löschen Events. »Natürlich geht das technisch, aber aufgrund eines offensicht­lichen Missbrauch­s wurde das Treffen systemseit­ig beendet.« Mit anderen Worten: Die Datensamml­ung wird nie verlässlic­h und überprüfba­r sein, da das System auch bei der Erfassung von Daten eingreift.

Auf die Meldung der Sicherheit­slücke, die das Team von Lucatrack auch der Berliner Datenschut­zbeauftrag­ten mitteilten, reagierten die Macher der App innerhalb der vorgegeben Frist. »Wir haben diese Möglichkei­t sofort nach der erfolgten Meldung deaktivier­t und bedanken uns für die Mitteilung«, heißt es in einer Presseerkl­ärung. Das Luca-System werde bis Anfang Mai in circa 300 von 375 Gesundheit­sämtern eingeführt und sei ein wichtiger Schritt zu Digitalisi­erung der Gesundheit­sämter, schreiben die Macher sichtlich entschloss­en, die Luca-App weiterhin anzubieten und geben an, ihr System verbessern zu wollen.

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Auf Werbung folgt Warnung: Die Luca-App fällt mit zahlreiche­n Fehlern auf.

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