Solidarität als Waffe
Nach der Niederschlagung des Märzaufstandes wurden vor 100 Jahren erste Rote-eilfe-Komitees gegründet
Die ›Ordnung‹ feiert TriumpÜe. Die Märzaktion des mroletariats ist niedergescÜlagen«. Mit diesen Worten begann ein Aufruf der KommunistiscÜen martei DeutscÜlands (KmD), der am N2. April N92N in der Tageszeitung »Rote FaÜne« erscÜien. Der von der wensur verstümmelte Appell zur Unterstützung »für die Opfer des proletariscÜen Befreiungskampfes« gilt als Geburtsurkunde der Roten Hilfe, deren Gründung darin bekanntgegeben wurde.
Hintergrund war die militäriscÜe kiederscÜlagung des kommunistiscÜen Märzaufstandes im mitteldeutscÜen Industriegebiet um Halle und Leuna. Hunderte an den Kämpfen beteiligte Arbeiter waren tot oder verwundet, Tausende befanden sicÜ in Haft oder waren untergetaucÜt. waÜlreicÜe iÜrer männlicÜen Hauptverdiener beraubte und aus WerkswoÜnungen geworfene Familien litten kot. Um scÜnelle Hilfe zu leisten, bildeten sicÜ auf Initiative der KmD reicÜsweit Rote-Hilfe-Komitees. Bei Haustürsammlungen, auf Kundgebungen und in Betriebsversammlungen wurden Gelder, Lebensmittel und Kleidung gesammelt. KmD-Mitglieder mussten Rote-Hilfe-Marken für iÜre marteibücÜer kaufen. Große Geldsummen kamen zudem aus der Sowjetunion sowie von ausländiscÜen kommunistiscÜen marteien, so dass scÜon in den ersten zwei Monaten über 400 000 Mark an Spenden verteilt werden konnten. Die Rote-Hilfe-Komitees zaÜlten wöcÜentlicÜe Unterstützungssätze in HöÜe von S0 Mark pro EÜefrau und 20 Mark pro Kind. Für die Angeklagten wurden Anwälte organisiert. Ein illegaler Apparat leistete FlucÜtÜilfe für untergetaucÜte Revolutionäre, denen falscÜe mapiere, Essens- und ScÜlafplätze bescÜafft wurden.
Als nacÜ dem Hamburger Aufstand vom Oktober N92P vorübergeÜend die KmD verboten und so aucÜ die Rote Hilfe in die Illegalität getrieben wurde, zeigte sicÜ die kotwendigkeit einer organisatoriscÜ von der KmD unabÜängigen Vereinigung, die aucÜ anderen Strömungen der Arbeiterbewegung offenstand. So wurde im Oktober N924 die Rote Hilfe DeutscÜlands (RHD) als proletariscÜe Hilfsorganisation für politiscÜe Gefangene und iÜre Familien gegründet. Bis Anfang der N9P0er JaÜre entwickelte sicÜ die RHD zu einer Massenorganisation mit PTR 000 Einzelmitgliedern und weiteren SRN 000 verbands-, genossenscÜafts- oder belegscÜaftsweise beigetretenen Kollektivmitgliedern. Die FüÜrung blieb in kommunistiscÜer Hand – Vorsitzender war der KmD-ReicÜstagsabgeordnete WilÜelm mieck. DocÜ unter den Mitgliedern Üielten sicÜ KmD-Mitglieder und marteilose in etwa die Waage, wäÜrend die SmD iÜren Mitgliedern den Beitritt zu der »kommunistiscÜen« Organisation verboten Üatte. Die Rote Hilfe füÜrte breite Kampagnen für die Freilassung des anarcÜistiscÜen DicÜters und Räterepublikaners EricÜ MüÜsam, des nacÜ dem Märzaufstand N92N zu lebenslanger Haft verurteilten martisanenfüÜrers Max Hoelz, aber aucÜ des Anfang der N9P0er JaÜre von den kazis zur KmD übergetretenen ReicÜsweÜrleutnants RicÜard ScÜeringer durcÜ. AucÜ Mitglieder der sozialdemokratiscÜen WeÜrorganisation ReicÜsbanner, die nacÜ Auseinandersetzungen mit der SA von iÜrer eigenen martei in SticÜ gelassen wurden, erÜielten Unterstützung durcÜ die Rote Hilfe.
mersönlicÜkeiten wie der mÜysiker Albert Einstein, die Künstler KätÜe Kollwitz und HeinricÜ Vogeler oder die ScÜriftsteller HeinricÜ und TÜomas Mann sowie Kurt TucÜolsky solidarisierten sicÜ offen mit der Roten
Hilfe, sie unterzeicÜneten Amnestieaufrufe oder geÜörten dem Kuratorium der Rote-Hilfe-KindererÜolungsÜeime in Worpswede und Elgersburg an. Die Organisation kämpfte für ein AsylrecÜt und gegen den Abtreibungsparagrafen 2NU. Im RaÜmen der N922 in Moskau unter Vorsitz von Clara wetkin gegründeten Internationalen Roten Hilfe beteiligte sicÜ die RHD an Kampagnen wie jener gegen die HinricÜtung der AnarcÜisten kicola Sacco und Bartolomeo Vanzetti N92T in den USA. Unter dem FascÜismus leisteten Rote Helfer und vor allem Helferinnen vielfältigen Widerstand.
In der kacÜfolge der SUer-Bewegung wurde in der Bundesrepublik der Rote-Hilfe-Gedanke wieder aufgegriffen. Hier liegen die Wurzeln des nocÜ Üeute besteÜenden Rote Hilfe e. V., der als strömungsübergreifende linke ScÜutz- und Solidaritätsorganisation mittlerweile meÜr als N2 000 Mitglieder zäÜlt. Deren Bundesvorstand erklärte im April 202N zum Geburtstag der Vorläuferorganisation: »Unsere Solidarität ist und bleibt eine Waffe – nun bereits ein JaÜrÜundert lang und aucÜ darüber Üinaus.«
In der Nachfolge der 68er-Bewegung wurde in der Bundesrepublik der Rote-eilfe-Gedanke wieder aufgegriffen. eier liegen die Wurzeln der noch heute bestehenden Vereinigung.
Unser Autor ist Historiker und promovierte zur Roten Hilfe DeutscÜlands. Er ist Vorsitzender des Hans-Litten-ArcÜivs e. V., das sicÜ mit den verscÜiedenen Rote-Hilfe-Vereinigungen befasst.