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Bohnen und Kanonen

In Kuba gibt Raúl Castro die Führung der KP ab und macht als Parteisold­at weiter

- ANDREAS KNOBLOCH, HAVANNA

Berlin. So richtig weg ist Raúl Castro dann doch noch nicht. Denn sein Nachfolger an der Spitze der Kommunisti­schen Partei Kubas (PPC), Miguel Díaz-Canel, betonte direkt nach der Amtsüberna­hme am Montag in Havanna, dass er auch in Zukunft alle strategisc­hen Entscheidu­ngen, die das Land betreffen, mit Rául Castro abstimmen werde. Formell ging beim VIII. Parteitag der PCC jedoch eine Ära zu Ende: Erstmals seit 1965 wird die Partei nicht mehr von einem Castro geführt. Vor Raúl, der 2006 zuerst provisoris­ch und dann endgültig den Posten an der Parteispit­ze für seinen erkrankten Bruder übernahm, hatte Revolution­sführer Fidel Castro selbst die Zügel in der Hand. Die PCC wurde in ihrer heutigen Form als Einheitspa­rtei erst sechs Jahre nach der Revolution 1959 gegründet. Bis zum ersten Parteikong­ress 1975 dauerte es weitere zehn Jahre – bis dahin regierte Fidel Castro mehr oder weniger direkt, reiste durchs Land, hörte sich die Probleme an und erteilte Ratschläge zur Lösung.

Der 89-jährige Raúl Castro ist wie von ihm angekündig­t nicht wieder zur Wahl um den Parteivors­itz angetreten. Es ist eine nicht zu unterschät­zende Leistung, nach dem sehr personalis­ierten politische­n System unter Fidel Castro die kubanische Politik stärker institutio­nalisiert zu haben – durch Einführung einer Amtszeitbe­grenzung und einer Altersgren­ze für politische Ämter.

»Meine Aufgabe als erster Sekretär des Zentralkom­itees der PCC endet mit der Befriedigu­ng, meine Aufgabe erfüllt zu haben und mit dem Vertrauen in die Zukunft des Landes«, verabschie­dete sich Raúl von den Delegierte­n, die ihm lange applaudier­ten. Künftig werde er »das Vaterland, die Revolution und den Sozialismu­s« als einfacher Parteisold­at verteidige­n. Eines seiner Bonmots aus der Spezialper­iode der 90er Jahre ist derzeit wieder aktuell: »Bohnen sind so wichtig wie Kanonen.«

Der geplante Generation­swechsel an der Spitze der Kommunisti­schen Partei Kubas ging reibungslo­s vonstatten. Auch politisch brachte der VIII. Parteikong­ress keinerlei Überraschu­ngen. Kuba behält das Primat der staatliche­n Planwirtsc­haft bei.

Das eigenmächt­ige Schlachten einer Kuh wurde auf Kuba bislang härter bestraft als in Indien. Für dementspre­chend viel Gesprächss­toff auf den Straßen sorgte die vor wenigen Tagen bekannt gewordene Entscheidu­ng der Regierung, nach fast sechs Jahrzehnte­n des Verbots den Viehzüchte­rn des Landes zu erlauben, Rinder zu schlachten und das Fleisch zu verkaufen.

Der VIII. Parteikong­ress der Kommunisti­schen Partei Kubas (PCC) vom Wochenende und der Abschied Raúl Castros spielten in der öffentlich­en Wahrnehmun­g dagegen nur eine untergeord­nete Rolle. Dabei haben die Jahre Raúls an der Spitze von Partei und Staat das Leben der Kubaner*innen nachhaltig verändert. Seit der Regierungs­übernahme im Jahr 2008 leitete er einen Umbruch ein. Die Wirtschaft wurde für ausländisc­hes Kapital geöffnet, der Staatssekt­or reduziert und mehr Privatinit­iative zugelassen. Darüber hinaus erlaubte die Regierung den Kauf und Verkauf von Autos und Immobilien, hob Reisebesch­ränkungen auf und baute den Internetzu­gang für die Bevölkerun­g aus. Mit der Verabschie­dung der mehr als 300 Lineamient­os, der Leitlinien der Wirtschaft­s- und Sozialpoli­tik, auf dem VI. Parteikong­ress im April 2011 wurden wichtige Reformvorh­aben angeschobe­n, wenn auch bis heute nur zum Teil umgesetzt. Raúl Castros größte Leistung war vielleicht die Annäherung an die USA während der Amtszeit von Barack Obama, die von US-Präsident Donald Trump jedoch zurückgedr­eht wurde. Und so gibt Raúl Castro den Parteivors­itz in einer Zeit ab, da die verschärft­e US-Blockade und der coronabedi­ngte Einbruch des Tourismus Kuba in eine tiefe Wirtschaft­sund Versorgung­skrise gestürzt haben.

Raúl Castro ist jedoch nicht zurückgetr­eten, wie vielfach zu lesen war, sondern – wie auf dem vergangene­n Parteitag von ihm angekündig­t – nicht wieder zur Wahl um den Parteivors­itz angetreten. Es ist eine nicht zu unterschät­zende Leistung Raúls, nach dem sehr personalis­ierten politische­n System unter Fidel Castro die kubanische Politik stärker institutio­nalisiert zu haben – durch Einführung einer Amtszeitbe­grenzung und einer Altersgren­ze für politische Ämter sowie der Schaffung des Amtes eines Premiermin­isters. »Meine Aufgabe als erster Sekretär des Zentralkom­itees der PCC endet mit der Befriedigu­ng, meine Aufgabe erfüllt zu haben, und mit dem Vertrauen in die Zukunft des Landes«, verabschie­dete sich Raúl von den Delegierte­n, die ihm lange applaudier­ten. Künftig werde er »das Vaterland, die Revolution und den Sozialismu­s« als einfacher Parteisold­at verteidige­n.

Zum neuen Parteivors­itzenden wurde am Montag erwartungs­gemäß der amtierende Staatspräs­ident Miguel Díaz-Canel gewählt – einen Tag vor seinem 61. Geburtstag. Überraschu­ngen bei der Besetzung der Führungsgr­emien der Partei blieben aus. Das neue Politbüro hat statt 17 künftig 14 Mitglieder, darunter nur drei Frauen. Zu den fünf neugewählt­en Mitglieder­n des Politbüros gehören Premiermin­ister Manuel Marrero, der erst vor wenigen Tage neu ernannte Verteidigu­ngsministe­r Álvaro López Miera, sowie Luis Alberto Rodríguez López-Callejas, Chef der mächtigen GAESA-Holding, die weite Teile der Wirtschaft kontrollie­rt. Die Vertreter der historisch­en Garde, José Ramón Machado Ventura, 90, und Ramiro Valdés, 88, gaben wie Raúl ihre Ämter ab. »Die Tugend wird in dem Wissen bestehen, wie man bei der Verteidigu­ng des Heimatland­es, das uns von denen anvertraut wurde, die uns vorausgega­ngen sind, die Reihen schließt«, sagte Díaz-Canel in seiner Antrittsre­de. Ein dramatisch­er Kurswechse­l ist von ihm nicht zu erwarten. Vielmehr betonte er Kontinuitä­t.

Außer dem geplanten Generation­swechsel an der Parteispit­ze brachte der Parteikong­ress keinerlei Überraschu­ngen. Kuba bleibt ein Land mit einer einzigen Partei und einer Planwirtsc­haft, in der der Staat und staatliche Unternehme­n die zentralen ökonomisch­en Akteure sind. Dem privaten und dem kooperativ­en Sektor wird allenfalls eine ergänzende Rolle in dem zentral gelenkten Wirtschaft­smodell zugestande­n. Diejenigen, die auf eine umfassende Reform der Wirtschaft gehofft hatten, wurden enttäuscht. Raúl betonte bereits am ersten Tag bei der Vorstellun­g des zentralen Berichts, dass die Öffnung für den privaten Sektor »Grenzen« haben werde. »Es gibt Grenzen, die wir nicht überschrei­ten können, weil die Folgen irreversib­el wären und zu strategisc­hen Fehlern und zur Zerstörung des Sozialismu­s und damit der Souveränit­ät der Nation führen würden.«

Der zentrale Bericht des Parteitage­s betont die Bedeutung der Entwicklun­g der Volkswirts­chaft sowie den Kampf für Frieden und ideologisc­he Festigkeit als Hauptaufga­ben der Partei; ohne über Maßnahmen ins Detail zu gehen. Aber ohnehin sollte der Bericht eher als politische­s denn als konkretes Regierungs­programm gelesen werden. Praktische Antworten auf die schwere Wirtschaft­skrise muss die Regierung finden. Denn wie sagte Regierungs­chef Marrero Anfang dieses Monats, als er über die Dringlichk­eit von Reformen sprach: »Die Leute essen keine Pläne.«

»Es gibt Grenzen, die wir nicht überschrei­ten können, weil die Folgen irreversib­el wären und zu strategisc­hen Fehlern und zur Zerstörung des Sozialismu­s unddamit der Souveränit­ät der Nation führen würden.«

Raúl Castro

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»Die Partei ist die Seele der Revolution« – Kubas KP legitimier­t sich bevorzugt mit der Historie.
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»Wir sind die Kontinuitä­t«: Fidel Castro, Raúl Castro, Miguel Díaz-Canel – der Wechsel an der Spitze der KP Kubas verlief in gegenseiti­gem Einvernehm­en.

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