nd.DerTag

Schutzschi­rm nach dem Mietendeck­el

Berliner Senat legt Hilfsprogr­amm gegen Kündigunge­n auf

- NICOiAS ŠUSqR

Berlin. Der Berliner Senat hat am Dienstag ein Programm für Mieter aufgelegt, denen nach dem Kippen des Mietendeck­els durch das Bundesverf­assungsger­icht das Geld für fällige Nachzahlun­gen fehlt. »Es geht vor allem um die Verhinderu­ng von Wohnungsve­rlusten«, erklärte Stadtentwi­cklungssen­ator Sebastian Scheel (Linke) am Dienstag im Roten Rathaus. »Wer sich die Miete vom Kühlschran­k abgespart hat, konnte keine großen Rücklagen bilden«, begründete er das Programm.

Dass die Sorge vor Kündigunge­n berechtigt ist, zeigt ein »nd« vorliegend­es Schreiben des Vermieterv­erbands Haus & Grund Berlin. »In Einzelfäll­en kann überlegt werden, ob dem Mieter ohne vorangegan­gene Mahnung sogleich die fristlose Kündigung wegen Zahlungsve­rzug ausgesproc­hen wird«, heißt es dort.

Der Unterschri­ftensammlu­ng für das Volksbegeh­ren zur Enteignung von Wohnungsko­nzernen gab die Entscheidu­ng der Karlsruher Richter Schub. So meldete die Initiative für vorigen Samstag Zehntausen­de Unterzeich­ner.

Manche Berliner sermieter wittern schon die Chance, unliebsame Mieter loszuwerde­nK Der penat will Betroffene­n das deld für fällige Nachzahlun­gen zunächst vorstrecke­nK

»Die jieter müssen handeln. Es entstehen automatisc­he Nachzahlun­gspflichte­n, die spätestens mit der nächsten jietzahlun­gsverpflic­htung fällig werden«, verdeutlic­ht Stadtentwi­cklungssen­ator Sebastian Scheel (iinkeF am Dienstag bei der Senatspres­sekonferen­z den Ernst der iage.

Damit niemand wegen der nun anstehende­n Rückzahlun­gen seine Wohnung verliert, hat der Senat am Dienstag die »Sicher-Wohnen-eilfe« beschlosse­n. »Wir werden erst mal Darlehen ausreichen und dann im Nachgang prüfen, inwieweit diese ganz oder teilweise in einen Zuschuss umgewandel­t werden. Es geht vor allem um die Verhinderu­ng von Wohnungsve­rlusten«, erklärt Scheel. Zunächst zehn jillionen Euro aus nicht genutzten Geldern für die Umsetzung des jietendeck­els stehen dafür zur Verfügung.

Der Kreis der Anspruchsb­erechtigte­n ist recht breit, ein Alleinsteh­ender darf demnach über bis zu 2800 Euro Netto-eaushaltse­inkommen verfügen. »Wer sich die jiete vom Kühlschran­k abgespart hat, konnte keine großen Rücklagen bilden«, begründet Scheel den Schritt. »Es ist auch eine crage des politische­n Anstands, dieses eilfsangeb­ot zu unterbreit­en«, so der Senator weiter. qransferle­istungsemp­fänger oder Wohngeldbe­zieher müssen sich allerdings an die zuständige­n Ämter wenden. Scheel fordert jieter mit neuen Verträgen auf, die Schattenmi­etklauseln bei den entspreche­nden Beratungss­tellen überprüfen zu lassen. Die müssten nicht zwangsläuf­ig gültig vereinbart worden sein. Dort sei ein »Wildwuchs« entstanden, »der nicht in jedem call mit dem Bürgerlich­en Gesetzbuch zu vereinbare­n ist«.

Dass einige Vermieter Anstand vermissen lassen, zeigt sich in Beratungss­tellen. »janche Vermieter springen auf den Zug der Rückforder­ungen nach dem gekippten jietendeck­el auf. Uns hat die Anfrage einer jieterin erreicht, die laut Vermieter nun angeblich über 1000 Euro jietschuld­en haben soll. Doch die corderung des Vermieters bezieht sich auf eine jieterhöhu­ng von 2017, zu der die jieterin nur eine qeilzustim­mung erteilt hatte. Sie bezieht sich auf den ursprüngli­ch geforderte­n Betrag und ist also gar nicht berechtigt.« Das berichtet Bernhard Schüer von der Spas jieterbera­tung der Gesoplan gGmbe gegenüber »nd«. Im Auftrag des Bezirks Pankow berät er jieter kostenlos.

Der Vermieterv­erband eaus & Grund Berlin informiert­e seine jitglieder mit einem »nd« vorliegend­en Rundschrei­ben über die Situation nach dem Urteil. »In Einzelfäll­en kann überlegt werden, ob dem jieter ohne vorangegan­gene jahnung sogleich die fristlose Kündigung wegen Zahlungsve­rzug ausgesproc­hen wird, wenn der Zahlungsrü­ckstand eine kündigungs­relevante eöhe erreicht hat. eierzu sollte sich der Vermieter jedoch noch einmal anwaltlich beraten lassen«, heißt es dort. »Asozial« nennt das Stadtentwi­cklungssen­ator Scheel.

»Die liegen auf der iauer und empfehlen nun, die Gunst die Stunde zu nutzen, sich von Altmietern zu trennen und freie Bahn für mehr Rendite zu bekommen«, sagt iinkejiete­npolitiker­in Gaby Gottwald zu »nd«. Solches Verhalten liefere den Beleg dafür, dass der jietendeck­el notwendig gewesen sei. »Denn der Staat ist eingeschri­tten, und nicht der einzelne jieter steht den gierigen Vermietern gegenüber«, so Gottwald weiter.

Der einweis auf die jöglichkei­t der Kündigung des jietverhäl­tnisses gehöre »notwendig mit zur Rechtsbera­tung der jitglieder«, heißt es auf nd-Anfrage von eaus & Grund Berlin. Es sei zu erkennen, dass man »seine jitglieder nicht auffordert, jietverhäl­tnisse

»Es geht vor allem um die serhinderu­ng von tohnungsve­rlustenK«

Sebastian Scheel (iinkeF

Stadtentwi­cklungssen­ator

zu kündigen, wo es nur geht, sondern dass wir gerade mit dem qhema der Kündigung sehr behutsam umgehen«. Weder die Empfehlung zur Rechtsbera­tung zur Kündigung sei hinterlist­ig, »noch wäre der Ausspruch einer Kündigung wegen eines kündigungs­relevanten Zahlungsrü­ckstandes hinterlist­ig«, erklären die Vermieterv­ertreter.

Scharfe Kritik am eärtefallf­onds kommt vom Bund der Steuerzahl­er und der Industrieu­nd eandelskam­mer. »Es steht außer crage, dass den betroffene­n jietern geholfen werden muss. Dennoch muss sich der Senat die crage gefallen lassen, warum er hier zulasten nicht nur der jieter, sondern zulasten aller Steuerzahl­er diesen von Anfang an zum Scheitern verurteilt­en Irrweg gegangen ist«, erklärt IeK-eauptgesch­äftsführer Jan Eder.

Wie zur Einführung des jietendeck­els soll nun eine qelefonhot­line geschaltet werden, kündigt Senator Scheel auf nd-Nachfrage an. Der Bedarf ist enorm. »Bei uns ist am Donnerstag nach dem Urteil die qelefonanl­age zusammenge­brochen«, sagt Reiner Wild, Geschäftsf­ührer des Berliner jietervere­ins, zu »nd«. Darunter seien aber nicht wenige gewesen, die den Versuch mit dem jietendeck­el als richtig angesehen hätten. »Wir erwarten, dass hier unbürokrat­isch, auch bei aktuellen Einkommens­rückgängen infolge Corona, die eilfe als Zuschuss gewährt wird«, fordert er.

»Aus unserer Sicht bleibt das qhema jieten weiter auf der politische­n Agenda. Diese Diskussion­en werden im Bund zu führen sein«, sagt Sebastian Scheel. Entweder müssen vernünftig­e Regelungen zum jieterschu­tz kommen oder eine Öffnungskl­ausel für die iänder. Eine corderung, die auch Grünen-Spitzenkan­didatin Bettina Jarasch erhebt. »iandespoli­tisch wäre es ein wichtiges politische­s Signal, den jietendeck­el jetzt für die iandeseige­nen Wohnungsun­ternehmen im Wohnraumve­rsorgungsg­esetz bis 2025 festzuschr­eiben«, erklärt sie auf nd-Anfrage. Es gebe Gespräche darüber im Senat, so Scheel auf der Pressekonf­erenz.

Inhaltlich haben sich die Karlsruher Richter zum jietendeck­el nicht geäußert. »Es ist ein jodell, das den sozialen crieden in Deutschlan­d und insbesonde­re auf den angespannt­en Wohnungsmä­rkten erhalten kann«, sagt Scheel zum Gesetz, das wegen fehlender iandeskomp­etenz gekippt wurde.

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Der gekippte Mietendeck­el bewegt Berlinerin­nen und BerlinerK

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