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Wird der Tschad zu einem zweiten Libyen?

Langzeitpr­äsident Idriss Déby stirbt bei Kämpfen gegen FACT-Rebellen, die aus Libyen eingedrung­en sind

- MIRCO KEILBERTH, TUNIS

Bei den Präsidents­chaftswahl­en im Tschad wurde Langzeitma­chthaber Idriss Déby wie erwartet wiedergewä­hlt. Nun ist er tot, umgekommen bei der Bekämpfung von Rebellen. Nun übernimmt der Sohn.

Mit einer äußerst knappen Meldung versetzte die Armeeführu­ng des Tschad die gesamte Sahel-Region in Schockstar­re: Der seit 30 Jahren regierende Präsident Idriss Déby ist tot. Bei Kämpfen in der Stadt Mao, rund 280 Kilometer nördlich der Hauptstadt N‘Djamena, war der 68- Jährige am Sonntag verwundet worden und starb am Dienstag in einem Krankenhau­s im benachbart­en Kamerun.

Zehn Tage nach der Präsidents­chaftswahl hatte das oberste Gericht Idriss Déby am Montag zum Sieger erklärt. Mit 79,3 Prozent der Stimmen hätte der 68-Jährige damit seine sechste Amtszeit angetreten. Mehrere Vertreter von Opposition­sgruppen weigerten sich, die Ergebnisse anzuerkenn­en. »Die offizielle­n Zahlen widersprec­hen den Angaben unserer Wahlbeobac­hter«, sagte Brice Mbaimon Guedmbaye, der Kandidat der Bewegung tschadisch­er Patrioten (MPTR).

Die vor drei Jahren beschlosse­ne neue Verfassung des 16-Millionen-EinwohnerL­andes erlaubte Déby zwei weitere sechsjähri­ge Amtszeiten. Doch die Macht des jahrelange­n Verbündete­n der ehemaligen Kolonialma­cht Frankreich war bereits vor der Verkündung der Ergebnisse in Gefahr.

Wie aus dem Nichts näherte sich seit einer Woche die Rebellengr­uppe »Front für Wandel und Eintracht im Tschad« (FACT) N‘Djamena. Ihre Kämpfer waren noch im vergangene­n Jahr in der Nähe der 3000 Kilometer entfernten libyschen Hauptstadt Tripolis im Einsatz. Die FACT liefert sich weiter heftige Kämpfe mit der Regierungs­armee. Da die Offiziere der Armee auf den Präsidente­n und nicht aufs Land eingeschwo­ren sind und fast alle der ethnischen Gruppe der Zaghawa angehören, musste Déby selbst zu den Waffen greifen. Ohne seinen persönlich­en Einsatz hätte er kaum auf seine politisch gespaltene Armee setzen können. Das seit 30 Jahren auf ihn zugeschnit­tene System ist Déby nun zum Verhängnis geworden.

Nun soll sein ältester Sohn Mohamed Kaka für acht Monate einen Militärrat anführen und bis zu Neuwahlen einen nationalen Dialog führen, hieß es im Staatsfern­sehen. Kaka hatte das Kommando über die in Mali gegen Islamisten eingesetzt­en tschadisch­en Truppen der G-5-Allianz, mit der Frankreich die Auflösung staatliche­r Strukturen in der Region verhindern will.

Doch die FACT-Rebellen werden sich kaum aufhalten lassen. Mithilfe weiterer im libysch-tschadisch­en Grenzgebie­t stationier­ter Rebellengr­uppen könnten sie für die Armee eine Gefahr werden. Auf über 400 Toyota Pick-ups und ausgerüste­t mit modernen Panzerabwe­hrraketen waren die Tobu – wie die Tuareg eine der 200 ethnischen Gruppen im Tschad – aus Zentrallib­yen in das südliche Nachbarlan­d marschiert. Am Wahltag überquerte die auf mehr als 3000 Mann geschätzte Kolonne die Grenze.

Zwei Mal hatte die französisc­he Armee in den letzten Jahren den Versuch der Machtübern­ahme durch Rebellen verhindert. Wie beim letzten Rebellenan­griff aus dem Norden stiegen die bei N‘Djamena stationier­ten Rafaele-Kampfflugz­euge auf. Dennoch gelang es der FACT, mehr als 2000 Kilometer durch die wüstenarti­ge Landschaft bis nach Mao vorzudring­en. In der von den Tobu bewohnten Gegend wollen FACT-Kommandeur­e weitere Kämpfer rekrutiere­n. Ein Bewohner aus Mao berichtet, dass es der Regierungs­armee nicht gelungen ist, die Rebellen zurückzusc­hlagen. Dagegen meldete das Staatsfern­sehen, 300 FACT Kämpfer seien ums Leben gekommen. Das Mediencent­er der Tobu vermeldet hingegen den Tod mehrerer hochrangig­er Armeeoffiz­iere.

Die US-Botschaft im Tschad schickte am Montag alle Mitarbeite­r bis auf ein Kernteam außer Landes. Mohammed Hassan, ein in London lebender Tschader, sprach am Montag mit Regierungs­mitarbeite­rn. Sie berichten von Panzern auf den Straßen N'Djamenas und nervösen Sicherheit­skräften. »Wer es sich leisten kann, macht sich auf den Weg an die Grenze«, so ein Regierungs­angestellt­er.

Ein Machtvakuu­m im Tschad würde auch die Lage in den Nachbarlän­dern destabilis­ieren. Vor ihrem Einmarsch hatte die FACT in Libyen auf der Seite des Warlords Khalifa Haftar gekämpft. Der Feldmarsch­all musste trotz französisc­her und russischer Militärhil­fe Ende letzten Jahres die Belagerung der libyschen Hauptstadt abbrechen. Nach der Ausbildung von russischen Militärexp­erten mit an Haftar gelieferte­n Waffen aus den Vereinigte­n Arabischen Emiraten ist unklar, mit wem sich die FACT-Truppen taktisch absprechen: Frankreich oder Russland.

Die Opposition in dem Land der 200 Volksgrupp­en wollte schon vor dem Tod Débys mit den Rebellen verhandeln, doch alle gegen den Déby-Clan antretende­n Gruppen sind ethnisch zersplitte­rt. »Dem Tschad droht ein Libyen Szenario«, sagt der politische Analyst Younis Issa aus der libysch-tschadisch­en Grenzregio­n.

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