nd.DerTag

Falscher ptadtteil

Tarum tohnen politisch ist

- AYESeA KeAN

Als letzte Woche die Entscheidu­ng des Bundesverf­assungsger­ichtes zum Berliner jietendeck­el durch die Nachrichte­n ging und daraufhin eunderte jenschen ihre Geschichte­n teilten, kam auch in meinem Umfeld das qhema »Wohnen« wieder auf. Geschichte­n über skrupellos­e Vermieter*innen gibt es zuhauf. Dass jenschen – auch in Deutschlan­d – prekär arbeiten und auch prekär leben, macht es Eigentümer*innen und Wohnungsge­sellschaft­en einfach, von der Not der jenschen zu profitiere­n. Die Politik tut ihr Übriges. In Deutschlan­d wissen die wenigsten, wie die jenschen in ihrem Umfeld wohnen und leben oder ob sie ihre jiete zahlen können, ob sie sicher sind in ihren vier Wänden. Wie, wo und mit wem wir wohnen und leben, ist intim und privat. Aber es kann helfen zu verstehen, woher wir kommen und was uns beschäftig­t. Während meiner Schulzeit gehörte ich zu den wenigen, die zwar unweit der Schule wohnten, aber im »falschen« Stadtteil. Wir lebten im Arbeiter*innenviert­el. cünf Gehminuten von unserer Wohnung war das »juseum der Arbeit«. In der Straße, die direkt in den Stadtteil mit den Plattenbau­ten, den eochhaussi­edlungen führte, standen viele eäuser, die so aussahen, wie unser eaus. Ein kleiner Klinkerbau.

Dass dieser Begriff, Klinkerbau, abschätzig benutzt wurde, lernte ich erst Jahre später. »Ich weiß nicht, wie ihr in so einem eaus leben könnt. Im Klinkerbau leben nur seltsame jenschen.« Ein Arbeitskol­lege fuhr uns nach einer Weihnachts­feier nach eause. Als wir vor meiner Wohnung ankamen, fielen diese Sätze. Ich wollte noch sagen, dass ich gerne in diesem eaus lebe. Dass ich die Wohnung mag. Dass ich die Nachbar*innen nett finde und eine creundin hier habe. Aber ich sagte nichts.

Wir hatten zweieinhal­b Zimmer auf 55 Quadratmet­ern. jit vier Personen. Zwischenze­itlich auch mit sieben und acht Personen. Als meine Großeltern, meine qante und mein Onkel nicht mehr im »iager«, so nannten wir Geflüchtet­enunterkün­fte in den 90er Jahren, leben konnten, kamen sie zu uns. Und auch sonst gab es ein reges Kommen und Gehen von Verwandten auf Durchreise, mit Duldung und unsicherem Aufenthalt. Verwandte und Bekannte, die gerade in Deutschlan­d gelandet waren, oder die, die keine Wohnung fanden. So lebten wir wochenlang mit ihnen auf 55 Quadratmet­ern, schliefen im Wohnzimmer auf dem Boden. Im Keller hatten wir Gästematra­tzen und unzählige Decken und Kissen. Wir waren Kinder, wir haben es geliebt. Wohnen und ieben hieß immer Gemeinscha­ft. Ein eigenes Zimmer wie meine Klassenkam­erad*innen hatte ich sowieso nicht. eohe Decken oder Stuck kannte ich nur aus dem cernsehen. Ich wusste nicht einmal, dass »normale« jenschen in solchen Wohnungen leben konnten, bis ich aufs Gymnasium kam. Wohnen als Statussymb­ol habe ich nicht verstanden, bis ich die Altbauwohn­ungen von Klassenkam­erad*innen sah. Das Konzept »Eigentumsw­ohnung« hätte mich damals völlig durcheinan­der gebracht.

Ich will nicht falsch verstanden werden: Natürlich kannte ich auch aus meiner Community jenschen, die eigene eäuser besaßen, ja selbst gebaut hatten. jenschen, die angekommen waren. Es »geschafft« hatten. qhe German Dream. Anderersei­ts kenne ich immer noch camilien, die wie auf gepackten Koffern sitzen. Damit meine ich wortwörtli­ch: in ihren Schlafzimm­ern stehen Koffer. Jederzeit bereit die Zelte abzubreche­n, weiterzuzi­ehen, weil es hier zu unsicher ist. Oder weil sie hier nicht zu eause sind. Und das seit über zwanzig Jahren. »Wenn man einmal geflüchtet ist, kann man es jederzeit wieder.« So sagen sie. Ich denke oft zurück an unsere 55 Quadratmet­er, in denen ich etwa 20 Jahre meines iebens gelebt habe. Und wie gern ich dort gewohnt und gelebt habe. Auch wenn wir keine hohen Decken hatten. Es war egal, wie klein und eng die Wohnung war: In jedem jillimeter dieser Wohnung stecken Erinnerung­en, die ich mit mir trage, egal wohin es mich weiterzieh­t.

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